Betörend duftende Schönheit

27. Dezember 2021 | Bild der Woche | 5 Kommentare

Sie ist ein Sensibelchen unter den Zimmerpflanzen. Bloß nicht zu viel gießen, aber auch nicht trockenfallen lassen. Kaltes Wasser mag sie auch nicht. Kalkfrei muss es zudem sein. Ortswechsel und Zugluft missfallen ihr sehr, ebenso trockene Zimmerluft.

Den richtigen Pflanzenversteher belohnt die immergrüne Pflanze aber mit prächtigen duftenden handgroßen Blüten. Eigentlich blüht sie im Spätsommer. Wenn man dann aber die Knospen ausbricht, blüht sie ihm Winter praktisch konkurrenzlos. In ihrer japanischen und ostasiatischen Heimat kann sie erstaunlich groß werden. In unseren Blumenfenstern bleibt sie mitbewohnerfreundlich unter einem Meter. Rückschnitt mit „Augenmaß“ muss nicht sein, lässt sie aber besser aussehen. Eine OP-Maske braucht man dafür nicht; aber das Messer sollte keimfrei sein.

Leider ist die Schönheit giftig, besonders die gelben beerenartigen Früchte. Sie findet in der traditionellen chinesischen und japanischen Medizin Verwendung und gehört zu den „klärenden, Hitze ableitenden Heilmitteln“. Ihr gelber Farbstoff war zum Färben von Seide begehrt. Mit dem jasminartigen Duft aromatisiert man z.B. Tees.

Wie heißt die fürsorgebedürftige Zimmerpflanze?

(Hans Ferenz)

 

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Engelshaar am Baum oder Teufelsgarn?): Gemeine Waldrebe, Clematis vitalba

Natürlich suchten wir die gemeine Waldrebe, Clematis vitalba. Unser User „Faulpelz „kam drauf. Elfriede hatte auf Hopfen getippt – nicht jetzt total falsch, denn auch der Hopfen (Humulus lupulus) ist eine Schling- und Kletterpflanze, der weit hoch in die Bäume klettern kann. Hatten wir hier übrigens schon einmal (Hier, Auflösung ganz unten – https://hallespektrum.de/bild-der-woche/traenen-der-goetter-keine-sterne-in-athen/291492/)

Die Waldrebe gehört zum Zweig (Tribus) der Anemonen in der Gattung der Hahnenfußgewächse. Ihr „Rebensaft“ ist leider kein Genuss – ganz im Gegenteil. Wie viele Mitglieder dieser Gattung enthält die Waldreben eine Menge von Gift- und Reizstoffen, so auch das Protoanemonin.

Diese Verbindung, die zum Beispiel auch im Gift-Hahnenfuß oder in Sumpfdotterblumen vorkommt, ist innerlich genommen giftig – und bewirkt sogar schon äußerlich auf der Haut schmerzhafte Ausschläge, und Blasen. Im Mittelalter sollen Bettler sich mit dem Pflanzensaft derartige Ausschläge selbst zugefügt haben – um Verstümmelungen und Krankheiten vorzutäuschen und Mitleid zu erregen. Dies trug der Pflanze unter anderem den Namen „Teufelszwirn“ ein, andere Namen sind aber auch Bettlerkraut oder Brennkraut.

Aus dem giftigen Protoanemonin entsteht durch enzymatischen Umbau schließlich Anemonin – einer Substanz, die Hallesche Wissenschaftler jüngst als potentielles Mittel gegen Malaria ausmachen konnten.

Die Waldrebe klettert bis zu 20 Meter in die Bäume empor, mit der Zeit bildet die mehrjährige Pflanze bis zu armdicke, faserige Stängel – in denen Kinder bequem Klettern können und „Tarzan“ spielen können (die verholzten Stängel enthalten das Gift nicht, wohl aber alle grünen Teile der Pflanze: deshalb: Vorsicht)

Die Blüten sind unauffällig, im Gegensatz zu verwandten Arten, beispielsweise Clematis viticella, die wegen ihrer schönen Blüten eine beliebte Zierpflanze sind, blüht die heimische gemeine Waldrebe unscheinbar. Dekorativer sind da schon die Samenstände, die im Spätherbst reif werden und den Winter über die Pflanze mit ihrem wolleartig behaarten Sternen ein ansprechendes Aussehen geben – besonders, wenn auch noch Eiskristalle an ihnen haften.

Im Gegensatz zu Kletterpflanzen wie Efeu ist die Waldrebe tatsächlich in der Lage, Bäume zu überwuchern und zum Absterben zu bringen. Deshalb ist sie nicht unbedingt gern gesehen.

Bei uns in Halle kann man die Pflanze in allen Auwäldern, besonders auch auf der Peißnitz, bewundern.

(HW)

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