Anti-Terror-Einsatz in Reihenhaussiedlung am Hufeisensee

25. Juni 2018 | Bild der Woche | 11 Kommentare

Dringen gesucht: ein harmloser Keimling entspringt einer Keimzelle des Terrors.

Achmed S,  vor knapp 20 Jahren zum Studium aus Syrien gekommen, verheiratet, zwei schulpflichtige Kinder, würde man als positives Beispiel einer gelungenen Integration bezeichnen, der in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist. Mit einem anfangs bescheidenen, dann immer erfolgreicheren Feinkosthandel hatte er sich bereits seit etwa 15 Jahren ein mittelständiges Unternehmen aufgebaut, das ihm ein einsprechendes, gut-durchschnittliches Einkommen bescherte. Seine Kunden mögen ihn, die Umsätze gestatteten ihm mit der Zeit ein ansehnliches, mittelständiges Einkommen, so dass der 45-jährige nach 15 Jahren erreicht hatte, was genau so  vielen deutschen Mitbürgern im Lebensentwurf eine zentrale Rolle spielt:  ein eigenes Reihenhaus. Die günstigen Kreditzinsen hatten es ermöglicht.  Nach dem Einzug grüßten die Nachbarn anfangs freundlich, aber doch etwas reserviert. Aber so geht das ja in vielen solcher Siedlungen, auch hier Hufeisensee.  Die etwas schlichten, wenn nicht einfallslosen Häuschen drängelten sich entlang der Strasse, in fast jedem Vorgarten fläzte sich ein etwas überdimensionierter „Carport“, umgeben von Strauchzeug, Kirschlorbeer, Thujahecke und so Zeugs. Leider fiel die Vorgartengestaltung unseres syrischen Freundes da etwas heraus. D.h. es türmte sich nach über einem Jahr noch die Reste des Bauschuttes, seine Frau, ebenso in gärtnerischen Dingen unerfahren wie er selbst, hatte zwar im Frühjahr ein paar Stiefmütterchen ersetzt, aber die bescheidene Pracht war schnell vorüber, und so machten die Nachbarn immer wieder spöttische bis spitze Bemerkungen über den unkrautbewachsenen Schandfleck in der Reihenhaussiedlung. Vielleicht war auch die Idee, im Vorgarten ein ganzes Lamm zu grillen (wozu ja ein elektrischer Tischgrill nicht ausreicht) nicht gerade die beste Idee, sich in der Nachbarschaft einzuführen.

Schön hier, aber etwas Grün würde nicht schaden ((c) Wikimedia commons))

 

Irgendwann hatte Ahmed hatte seine  Vorgartenprobleme bei seinem Vertrauten, dem Imam seiner Moscheegemeinde , am Rande erwähnt (Ahmed ging hin und wieder dort hin, aus Tradition), Der Amtsmann Allahs griff das Problem wie elektrisiert auf: „Vorgarten, Bruder, das ist in Alimania sowas wie die Kaaba bei uns“ sagte er, die stellen sogar (er spuckte aus) „Götzenbilder mit Zipfelmützen in ihren Vorhaus-Tempeln auf“. Er riet Achmed aber zu einem pragmatischen Trick. „Du kennst doch die Geschichte von Yunus“, begann der. „Das mit dem Walfisch“? fragte Achmed. „Nein, die Geschichte mit dem Baum, wo der Prophet in der Wüste unter der Sonne litt, und Allah ihm einen Baum wachsen lies, über Nacht?

„Der dann von einem Wurm gefressen wurde, und Yunus sich bei Allah darüber beschwerte? “

„Genau!  Der wächst wirklich fast über Nacht, in einem Sommer schon ist er zwei Meter hoch. Besorg dir einfach die Samen, am besten im Internet, da musst du nicht lange suchen. „Und die Christen werden den Baum lieben, sie nennen ihn auch den Baum von ihrem Jesu, oder so ähnlich“

Also lobpreiste Ahmed seinen Imam, und machte sich auf durchs Internet, und fand sich nach bei Amazon wieder, jenem Abbild des Paradieses, das auf dem Bildschirm alles anbot, was des Menschen Herz begehrt, und darüberhinaus so viel mehr.  Die Samen fand er schnell, Sonderangebot, 1000 Stück für wenige Euro. „Kunden, die diesen Artikel kauften, interessieren sich auch für..“ Achmed sah eine Reihe merkwürdiger Gartenutensilien, dann fiel der Blick auf eine Kaffeemühle. „Damit mache ich Miriam eine Freude, ihre funktioniert doch nicht mehr richtig“.

Von den Samen setzte Achmed Ende Mai einige in den kargen Boden, warf etwas Dünger vom Baumarkt drauf, und wandte sich den seiner Meinung nach wichtigeren Dingen im Leben zu (worunter seiner Ansicht nach deutsche Reihenhausvorgärten nicht gehören).

Die Lieferung samt Kaffeemühle erfolgte prompt. Miriam freute sich, weil die Maschine auch Bohnen ganz fein mahlen konnte, und Achmed versenkte einige der dicken Samenkörner im grindigen Vorgartendreck. Tage später  erschienen tatsächlich tatsächlich kleine Pflänzlein,  ein Bild davon zeigen wir hier als unsere Pflanze der Woche.

Und der Imam sollte recht behalten: schon Ende Juni waren die Bäumchen hüfthoch, breiteten  hübsche, gespreizte Blätter aus, und im August hatten sie bereits einen dichten Wald gebildet, an die zwei Meter hoch. Sie beschatteten in angenehmer Weise die Hausfront, was sogar der in seiner Jugend hitzegewöhnte Achmed in diesem heißen deutschen Sommer als angenehm empfand.

Das Einsatzkommando der Polizei kam unangemeldet. Morgens um fünf Uhr wurden die Türen eingetreten, Achmed wurde im Schlafzimmer rabiat zu Boden geworfen, gefesselt und abgeführt. Tagelang noch sah man Bilder, wie Spezialeinheiten in Kampfanzügen und Gasmasken die Nachbarschaft durchkämmten, und während unser Freund in Polizeigewahrsam bleibt, überbieten sich Staatsanwälte, Terrorexperten und Journalisten mit Phantasien, wie gerade noch so eben ein terroristischer Anschlag mit Massenvernichtungsmitteln verhindert worden sei.

Unsere Fragen:

  • Um welche Pflanze geht es?
  • Wozu das Polizeiaufgebot?
  • Kann man mit der Pflanze tatsächlich Menschen umbringen, und wenn ja, wie?
  • Unsere Pflanze war auch einmal der Vorwand der USA, in einen verheerenden  Krieg zu ziehen: welcher?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: Radieschen, Raphanus sativus Ist die „Frucht“ eine „Knolle“?

Nach dieser Pflanze hatten wir gesucht: das bescheidene Radieschen, hier allerdings in einer Form, wie man sie nicht in der Lebensmittelabteilung findet.

Nun ist es also mal wieder Zeit für die offizielle Auflösung unseres Pflanzenrätsels und wer will kann noch ein bisschen über den Begriff der Hackfrucht philosophieren. Unser Radieschen hat es ja immerhin auf eine zweistellige Anzahl von Wortmeldungen gebracht (wenn auch mit einer Anleihen beim Baldrian) und mit Lied und Gedicht Dank Cata und hei-wu auch kulturell hier etwas geleistet. Als Kulturpflanze gehört es zu den Kreuzblütengewächsen (Familie) und den Rettichen (Gattung) und es heißt, dass es im 16. Jahrhundert Eingang in die französische Küchen gefunden hat.

Inzwischen geht die Vegetationsperiode der Radieschen dieser Geschichte ihrem Ende zu. Die nun zu sehenden Früchte sind aber für die meisten von uns sicher ein eher seltener Anblick und der Autor hätte auch erst jetzt den Schluss auf die Pflanze ziehen können. Warum das eigentliche Radieschen sich so spät und kümmerlich entwickelte, bleibt schon ein Rätsel. Waren die ursprünglichen Radieschen nicht samenfest? Haben die beteiligten Fluginsekten irgendetwas durcheinander gebracht und eigene Kreuzungsexperimente durchgeführt? (Neben dem Hallespektrum waren sie über die Blüten des ersten Fotos die eigentlichen Nutznießer.) Auch könnten die Samen von unterversorgten Pflanzen gestammt haben, die dann – offensichtlich nachtragend – nur zu rudimentären Knollen führen sollen.

Triumph aus dem Genlabor? Nein. Einem unserer Nutzer gelang die Kreuzung eines Radieschens mit einem Rettich. Beide gehören botanisch zur selben Art, lassen sich also kreuzen.

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