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Sozialdemokrat leistet Wahlkampfhilfe für FDP: Wolfgang Clement im Steintor-Variete.

Die Liberale Wählerinitiative hat für die Wahlveranstaltung im Steintor-Variete hochkarätiges Personal aufgefahren. Hauptredner ist der ehemalige W20160120_203026irtschaftsminister Wolfgang Clement, das zieht Publikum in den Saal. In Sachsen-Anhalt ist die FDP nicht im Landtag vertreten, liegt auch bei den aktuellen Umfragen nur um drei Prozent. Eine „Liberale Wählerinitiative“ will das ändern.  Die Eröffnungsrede hält Dr. Horst Rehberger, Wirtschaftsminister des Landes a. D. , gefolgt von Nicola Beer, Generalsekretärin der Bundes-FDP.  Beide sind gekommen, um den FDP-Spitzenkandidaten Frank Sitta zu lobpreisen („ein bemerkenswerter Quereinsteiger), aber vor allem, um den Stargast des heutigen Abends einzuführen. Wolfgang Clement sei Architekt der Agenda 2010, der Grund, weshalb es der Bundesrepublik wirtschaftlich in der letzten Zeit so gut gegangen sei, sagte Rehberger sinngemäß.

Derart viel Lob für  Clement, langjähriges sozialdemokratisches Urgestein aus NRW, läßt aufhorchen.  Doch Clement hat seit seinem  Ausscheiden aus der SPD im Jahre 2008, dem langjährige Querelen mit seiner Partei vorangegangen waren, nicht aus der Politik verabschiedet. Heute kämpft er für eine sozialliberale Poltik, und deshalb ist er heute hier in Halle.

Clement, ehemaliger Wirtschaftsminister der Rot-Grünen Koalition der Bundesrepublik, tritt ans Rednerpult und erklärt, warum er nun ausgerechnet hier ist. „Wir brauchen in Deutschland eine kräftige liberale Stimme“.  Heftiger Applaus im Saal.  Er nimmt Bezug auf die Schlußlichtposition des Landes: „Wer vom letzten 16. Platz wegkommen will, der muß Menschen überzeugen, hierher zu kommen, und nicht die Abwanderung zählen“. In Sachsen-Anhalt werde nur versucht, den Mangel zu verwalten, sagt er. Dabei gebe es hier beste Voraussetzungen, beispielsweise Universitäten und Forschungseinrichtungen. „Warum schafft man es nicht zu sagen, Leute, kommt her !“

Die Welt erlebe schwere Zeiten, die von einem Gefühl der Unsicherheit geprägt seien. Dies werde auch beflügelt durch eine sich radikal gewandelte Kommunikationswelt. Die „sozialen Medien“ seien nicht sozial. Sie wirken nicht orientierend, sondern verstärken die Unsicherheit. Erschrocken habe ihn ein Tweet, den er während einer Fernsehdebatte auf dem Handy registriert hat: „die Gleise nach Auschwitz liegen noch“.

Man dürfe nicht zulasssen, dass PEGIDA und AfD alle negative Stimmung in einen Topf rühren. „Da bleibt nicht Positives mehr übrig“. Politische  Themen müsse man  differenzierter sehen.

Zum Flüchtlingsthema trifft Clement klare Aussagen, die er stakkatomäßig als Credo in den Saal wirft:

1 „ich war stolz“, sagt er, als „Merkel nicht wie Resteuropa zusah, wie Flüchtlinge im Meer versinken. Ich stehe dazu: Wer vom Krieg betroffen ist, hat Anspruch auf unnseren Schutz.“ Bewunderung empfindet er für die Worte des griechischen Ministers für Migration, Giannis Mouzalas: Dieses Europa darf nicht ins Mittelalter verfallen“

Der Präsident des Verfassungsgerichtes, der jüngst Merkels Politik verfassungsrechtlich in Frage gestellt hat, sich aber nicht getraut habe, zu handeln: er hätte lieber gleich schweigen sollen. Denn Merkel hätte nur das umgesetzt, was Tenor vieler Verfassungsgerichtsurteile gewesen sei: Dass es unrecht sei, Flüchtlinge in Europäische Nachbarländer auszuweisen, wenn ihnen dort nicht – wie beispielsweise in Ungarn – Menschenrechte gewährt würden.  „Angela Merkel hat nicht gegen die Dubliner Verträge verstoßen. Sie hat sie menschenrechtskonform reformiert“,  so Clement.

Nun seien aber Millionen von Flüchtlingen plötzlich und überraschend hier. „Das überfordert uns tatsächlich, und zwar praktisch“, räumt er ein. Die private Hilfe sei überwältigend gewesen, doch die staatliche Seite handle konfus, unübersehbar, chaotisch. Hier zeige sich, dass Deutschland nicht im digitalen Zeitalter angekommen sei.  Nichts sei vernetzt, nichts  kompatibel. Man hätte auf die außergewöhnliche Lage auch einmal außergewöhnlich reagieren können. Warum nicht pensionierte Lehrer und Polizisten in den Dienst zurückholen? Es müsse organisiert und gehandelt werden.

Selbstverständlch muß man Zuwanderung steueren, findet auch Clement. Dazu schlägt er Kategorien vor:

  1. „Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz“. Deutschland werde ohne Zuwanderung mit seinem demografischen Problem unweigerlich wirtschaftlich in die Katastrophe stürzen. In einem Zuwanderunsggesetz müssen klare Kriterien festgelegt werden, wer erwünscht ist. Dies richte sich insbesondere nach Qualifikation und Qualifizierbarkeit.

2. Kriegsflüchtlinge genießen unseren uneingeschränkten Schutz, bis sich die Situation in ihren Heimatländern beruhigt habe. Danach müsse entschieden werden, wer zurück gehen könne und müsse, denn die Herkunftsläner bräuchten die Rückkehrer  zum Wiederaufbau des Landes. Wer dennoch in Deutschland bleiben wolle, müsse die Kriterien des Zuwanderungsgesetzes erfüllen.

3. Es müsse unbürokratische Möglichkeiten geben, diejenigen zurückzuführen, für die es keine Bleibeperspektive gebe. Hier führt Clement das Beispiel der Schweiz an, die finanzielle Anreize für Rückkehrer schaffe (Beifall im Saal)

Besonders hat sich die Wählerinitiative um Clement dem Thema Bildung verschrieben. Das Bildungssystem entlasse erschreckend viele Kinder ohne Abschluß, sagt Clement, dabei gäbe es keine Kinder ohne Talent. Wichtig sind ihm Ganztagsschulen. Nur so hätten auch Kinder aus bildungsfernen Schichten eine Chance, ihren Fähigkeiten gemäß gefördert zu werden.

Clement findet auch Worte für seine eigene Generation. Seit seinem Ausscheiden aus der Politik sei er ungesteuert. Er beziehe ein Ruhegehalt,  wolle aber noch lange keine Ruhe. So wie viele seiner Altersgenossen, die sich noch bester Gesundheit erfreuen. Ihr Wunsch sei: weiter Arbeiten, etwas tun. Die Begrenzung der Lebensarbeitszeit sei nicht mehr zeitgemäß, findet Clement.

Zu vielen Dingen nimmt er noch Stellung. Fracking beispielsweise: („erwiesenermaßen ungefährlich, trotzdem leider verboten“), Marktwirtschaft und Zinspolitik „Niedrigzinsen sind ein gewaltiges Investitionsprogramm. Nutzen wir es jetzt, denn wir müssen für viel schwierigere Zeiten wappnen“)

Generationengespräch als Wahlkampfhilfe für den Kandidaten Sitta

Wolfgang Clement ist ja nicht ohne Anlass hier: der Spitzenkandidat der FDP, Frank Sitta, braucht Unterstützung. Ein moderiertes Zwiegespräch am wackligen Plastetisch auf der Bühne bildet den zweiten Teil des Programms im Varietee.  Die Moderatorin reicht das Mikrophon zwischen den Generationen hin und her. „Jung“ ist der Kandidat der hiesigen FDP, Frank Sitta, Politikwissenschaftler und Eventmanager. Ein richtiges Zwiegespräch wird es nicht. Denn man ist sich doch zu einig. „Recht hat er ja“, sagt Clement mehrfach über Sitta.  Digitale Infrastruktur müsse her, sagen beide, um Unternehmensgründungen zu erleichtern. Junge Unternehmen bräuchten Risikokapital, das staatlich als Fördergeld ausgereicht werden müsse, meint Sitta, und erntet überraschenderweise dafür keinen hörbaren Widerspruch.

Sitta meint, man müsse die Lehrinhalte der Schulen modernisieren. Kreide und Tafel im Klassenzimmer, hochtechnisiertes Kinderzimmer zuhause: diese Welten müsse man angleichen. Und der Politikwissenschaftler betont: statt den  dritten thermodynamischen Hauptsatz im Unterricht zu lehren, solle man lieber in den Schulen auch betriebswirtschaftliche Grundlagen vermitteln.

Im Saal regte sich kein Protest, offenbar gehören mehr Betriebswirte als  MINT-Fachleute zum Wählerpotential der FDP.

 

 

6 comments on “Sozialdemokrat leistet Wahlkampfhilfe für FDP: Wolfgang Clement im Steintor-Variete.”

  1. Der Totengräber unserer Wirtschaft, Herr Rehberger!
    Weiche, …, weiche!
    Und wo ist zwei Daumen hoch Conni?
    Sachsen Anhalt braucht Mut zur spätgermanisch dekadenten Lücke!
    Und von Herrn Clement hat sich die SPD bis heute nicht erholt.
    Wie … muß man sein, um in Halle mit Harz 4 Wahlkampf zu machen.

  2. Wo Scheiße, ist kann Schokolade nicht sein. So einfach ist das. Hoffendlich fäll keiner darauf rein.

  3. Es gibt auch außerhalb der SPD Sozialdemokraten. Es gibt auch Christen, die nicht in der Kirche sind.

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