Im Dezember 1989, als das letzte Kapitel der DDR sich bereits schrieb, öffnete sich ein neues – diesmal vor Gericht. Die Generalstaatsanwaltschaft der untergehenden Republik nahm Ermittlungen gegen führende Köpfe des SED-Politbüros auf. Der einst allmächtige Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, der langjährige Ministerpräsident Willi Stoph und schließlich auch der frühere Parteichef Erich Honecker wurden in Untersuchungshaft genommen. Die neue Ordnung verlangte Rechenschaft für das alte Unrecht.
Doch der Weg zur strafrechtlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur war steinig. Welche konkreten Gesetze waren verletzt worden? Welche Straftaten tatsächlich nachweisbar? Die juristische Realität hatte mit den moralischen Erwartungen vieler Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler wenig gemein. Letztlich standen mehrere Politbüromitglieder im wiedervereinigten Deutschland vor Gericht – wegen der tödlichen Schüsse an Mauer und innerdeutscher Grenze. Die Urteile aber enttäuschten viele: Verfahren wurden aus gesundheitlichen Gründen eingestellt, Strafen – wie im Falle Egon Krenz’ – fielen milde aus, wurden im offenen Vollzug verbüßt. Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley brachte das verbreitete Gefühl in einem Satz auf den Punkt: „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat.“
An diese heiklen und politisch aufgeladenen Prozesse erinnert am Dienstag, den 13. Mai 2025, von 17.00 bis 18.00 Uhr die Online-Veranstaltung „Die Mauerschützenprozesse“. Referent ist kein Geringerer als Oberstaatsanwalt a. D. Bernhard Jahntz, der in jenen Verfahren die Anklage gegen die ehemaligen SED-Funktionäre vertreten hat. In seinem Vortrag gibt er Einblick in die rechtlichen Herausforderungen und Grenzen, denen sich die Justiz in dieser historisch beispiellosen Situation gegenübersah.
Die Veranstaltung ist Teil der Online-Reihe „Aufarbeitung von SED-Unrecht kompakt“, die im Frühjahr 2025 unter dem Leitthema „Transformation“ vom Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur organisiert wird – in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.
Wer teilnehmen möchte, kann sich per E-Mail unter
veranstaltung@lza.lt.sachsen-anhalt.de oder telefonisch unter 0391 – 560 1519 anmelden. Die Zugangsdaten für die Online-Teilnahme werden kurz vor der Veranstaltung bereitgestellt.
Die nächste Veranstaltung der Reihe findet am 27. Mai statt. Dann spricht der Theologe und Kulturwissenschaftler David Begrich über ein weiteres dunkles Kapitel der Nachwendezeit: die sogenannten „Baseballschlägerjahre“.