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Streit um Geschichtsbild und Tourismusstrategie im Landtag – AfD fordert „Straße des Deutschen Reiches“

Magdeburg. Es war eine hitzige Debatte, wie sie im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht zum ersten Mal entbrannt ist – doch diesmal kulminierte sie in einer kontroversen Forderung: Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) schlug am Donnerstag vor, der bestehenden „Straße der Romanik“ eine „Straße des Deutschen Reiches“ zur Seite zu stellen – mit Stationen in Quedlinburg, Memleben und Magdeburg. Der Vorschlag löste empörte Zwischenrufe, Gelächter und scharfe Erwiderungen aus allen anderen Fraktionen aus.

In seiner Rede attackierte Tillschneider ein vorgestelltes Tourismuskonzept des Ministeriums, das seiner Ansicht nach in „Milieuzuschreibungen“ verhaftet sei und keine überzeugende Strategie darstelle. Insbesondere die Burg Querfurt, so der AfD-Abgeordnete, werde unter Wert behandelt. Minister und Regierung warf er vor, sich nur an Übernachtungszahlen zu orientieren, statt auf die „Qualität des Tourismus“ zu achten.

„Straße des Deutschen Reiches“ als Provokation

Mit seiner Idee einer historisch-politischen Tourismusroute, die sich auf das Deutsche Reich bezieht, überschritt Tillschneider bewusst eine Grenze – und wurde prompt zurückgepfiffen. Lachen, empörte Rufe und Zwischenbemerkungen aus Reihen der Grünen, der SPD und der FDP begleiteten seine Ausführungen.

Dr. Andreas Schmidt (SPD) konterte scharf. In einer Kurzintervention erinnerte er daran, dass Heinrich I. und Otto der Große nicht im Sinne eines ethnisch-nationalen Staatswesens gedacht hätten. „Brun von Querfurt hat in der Kategorie Christenheit gedacht, nicht in der Kategorie Nationalstaat“, so Schmidt. Der Geist von Memleben, sagte er sarkastisch, „lacht über Sie“.

Tillschneider hielt dagegen und behauptete, ein deutsches Nationalbewusstsein habe bereits im Frühmittelalter existiert. Als „Identitätskern“ des ostfränkischen Reichs machte er die deutsche Volkssprache aus. Die Zwischenrufe rissen nicht ab – „dummes Zeug“ war noch eine der höflicheren Bemerkungen aus dem Plenum.

Kulturpolitik als ideologischer Zankapfel

Hinter dem Streit verbirgt sich eine tiefergehende Auseinandersetzung über die Ausrichtung von Kultur- und Erinnerungspolitik im Land. Während Tillschneider von einer „Verengung auf bestimmte Gruppen“ im aktuellen Konzept sprach, betonten andere Abgeordnete wie Guido Kosmehl (FDP) oder Olaf Meister (Grüne) die Bedeutung eines pluralistischen und offenen Geschichtsbilds.

Auch sprachliche Fragen wurden zum Politikum: Tillschneider wetterte gegen „deutsche Anglizismen“ im Tourismusmarketing, woraufhin Olaf Meister ihn daran erinnerte, dass die entsprechenden Begriffe aus dem Englischen stammten – nicht aus ideologischer Absicht, sondern aus pragmatischer Zielgruppenansprache.

Ein Zwischenruf bleibt haften

Dr. Schmidt schloss seine Intervention mit einem Seitenhieb auf die politischen Sehnsüchte der AfD: „Sie verehren große Männer – weil Sie selbst keine sind.“ Die Bemerkung sorgte für Raunen, aber auch Applaus – und wurde von Tillschneider nicht weiter kommentiert.

Die Landtagsdebatte hat erneut gezeigt, wie tief die Gräben zwischen den Parteien in Fragen von Geschichtsverständnis, kulturellem Selbstbild und politischer Vision verlaufen. Ob die Idee einer „Straße des Deutschen Reiches“ in irgendeiner Form weiterverfolgt wird, darf jedoch bezweifelt werden – die Reaktion des Hauses sprach eine deutliche Sprache.

Originalauszug des Protokolls:
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Minister fand nicht fröhlich bejahend, was ich hier vorgetragen habe. Das liegt in der Natur der Sache: Was uns glücklich macht, das macht Sie traurig, und was Sie traurig macht, das macht uns glücklich. Aber ich denke, am Ende werden wir die Lachenden sein.

Sie sind mit keinem einzigen Wort auf die Milieuzuschreibungen eingegangen, Herr Minister. Gerade diese Milieuzuschreibungen sind wie ein Klotz am Bein, z. B. im Saalekreis, wo wir die Burg Querfurt besser herausstellen und besser würdigen wollen.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Dieses Konzept, das hier vorgelegt wurde, ist nicht tragfähig, weil dieses Konzept sich im Korsett dieser Milieuzuschreibungen bewegt. 

(Olaf Meister, GRÜNE: Falsch!)

Um die Burg Querfurt richtig zu würdigen, brauchten wir einen ganz anderen Ansatz

(Olaf Meister, GRÜNE: Falsch! Das ist doch Unfug!)

– Natürlich. 

(Zuruf: Dann machen Sie es doch besser! – Unruhe)

Dann ist es so   das fand ich auch wirklich armselig  : Sie kamen hier wie irgendein Börsenmakler daher und sagten: Wir brauchen 10 Millionen Übernachtungen. Zur Qualität des Tourismus haben Sie nichts gesagt. Sie haben einfach nur auf irgendwelche Übernachtungszahlen geschielt.

(Holger Hövelmann, SPD: Die kommen doch wegen der Qualität! – Sebastian Striegel, GRÜNE, lachend: Das Volk hat kein Empfinden! Die wissen gar nicht, was sie wollen!)

Mit uns bliebe das Bauhaus natürlich offen und mit uns bliebe auch die Straße der Romanik bestehen. Aber wir würden z. B. der Straße der Romanik eine Straße des Deutschen Reiches an die Seite stellen, 

(Zurufe: Oh! – Unruhe) 

mit Stationen in Quedlinburg, in Memleben, in Magdeburg. 

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wenn wir das   natürlich   auch mit einer politischen Dimension vermarkten würden – 

(Unruhe)

was glauben Sie, was in Sachsen-Anhalt unter einer AfD-Regierung mit einer Straße des Deutschen Reiches an Patrioten aus Westdeutschland und Ostdeutschland nach Sachsen-Anhalt kommen würde? 

(Beifall bei der AfD – Lachen bei den GRÜNEN – Unruhe)

Wir würden Ihre lendenlahmen Konzepte in den Schatten stellen dadurch.

(Beifall bei der AfD – Olaf Meister, GRÜNE: Sie schreien schon wieder! – Unruhe)

Herr Gallert hat sich irgendwie daran aufgehängt, dass wir mit dem Begriff des Liberal-Intellektuellen nichts anfangen können – natürlich nicht. Sie schreiben doch nur „liberal-intellektuell“, weil Sie sich nicht trauen, Klartext zu sprechen und „linksliberal“ zu schreiben. 

(Unruhe)

Aber ich sage Ihnen etwas: Die Intellektualität von morgen ist rechts.

(Zustimmung bei der AfD)

Die FDP hat davon geredet, zusätzliche Gruppen zu erschließen. – Das stimmt nicht. Die Verengung auf bestimmte Gruppen ist das Ziel dieses Konzepts.

(Zuruf von der FDP: Das ist doch Quatsch! – Zuruf von Guido Kosmehl, FDP – Unruhe) 

Dann haben Sie unsere Kritik an den Anglizismen kritisiert mit dem Argument, wir müssten weltoffen sein. Wissen Sie was? – Gäste aus dem englischsprachigen Gebiet locken Sie mit gutem Englisch an, aber nicht mit depperten deutschen Anglizismen.

(Olaf Meister, GRÜNE: Die kommen aber aus dem Englischen!) 

Dann zu Memleben. Ich war dort; ich weiß nicht mehr genau, wie viel es kostet, aber es kostet etwas, auch für Kinder. Dazu sagen wir: freier Eintritt für Kinder im ganzen Land zu allen Stätten nationalgeschichtlicher Bedeutung.

(Zustimmung bei der AfD – Ulrich Siegmund, AfD: Jawohl!)

Meine Redezeit ist jetzt leider vorbei.

(Beifall bei der AfD – Guido Kosmehl, FDP: Zu Ende, ja! – Jörg Bernstein, FDP: Besser, ja!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, es gibt eine Kurzintervention von Herrn Dr. Schmidt. Deswegen verlängert sich das noch etwas. – Herr Dr. Schmidt, bitte.


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Vielen Dank. – Herr Dr. Tillschneider, Sie verehren doch große Männer. Das geht vielen so, die auch gern große Männer wären, es aber nicht sind. Sie verehren die falschen großen Männer: Heinrich und Otto haben kein Deutsches Reich begründet und auch keines begründen wollen. Sie haben in der Kategorie der Revitalisierung des römischen Vorgängers gedacht. Das waren Leute, die hätten mit Nation, mit nationaler, ethnischer Homogenität überhaupt nichts anfangen können.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Selbst in ihrem näheren Herrschaftsbereich haben sie Slawen, Flamen, Thüringer, Sachsen und Franken   sie mochten übrigens die Franken nicht, weil sie Sachsen waren   beherrscht.

(Lachen bei den GRÜNEN – Guido Kosmehl, FDP: Nichts gegen die Sachsen!)

Brun von Querfurt hat in der Kategorie Christenheit gedacht, nicht in der Kategorie Nationalstaat. Der Geist von Memleben   ich war übrigens schon im Jahr 1991 dort, und ich wusste, wovon ich rede, im Gegensatz zu Ihnen   lacht über Sie.

(Lachen und Beifall bei der SPD – Lachen und Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Ja, wie soll ich es sagen     Es ist natürlich ein beliebter Bluff zu sagen, in der damaligen Zeit hätte es noch kein deutsches Nationalbewusstsein gegeben.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE – Zurufe von der SPD)

Aber das ist großer Quatsch. Natürlich ist das Deutsche Reich damals in die Fußstapfen des Römischen Reiches getreten – Translatio imperii, das wissen wir alle.

Aber was hat denn das ostfränkische Reich seit jeher vom westfränkischen Reich unterschieden? – Dass es tiutsch, deutschsprachig, volkssprachig war, dass es nicht latinisiert wurde. Und das war der Identitätskern des Deutschen Reiches. 

(Beifall bei der AfD – Dr. Andreas Schmidt, SPD: Das ist dummes Zeug!)

Sie hören das nicht gern, Sie fassen sich an Ihre Glatze. Aber es gibt seit diesen Zeiten ein deutsches Volksbewusstsein 

(Zuruf: Das ist doch Quark!)

– Natürlich!

3 comments on “Streit um Geschichtsbild und Tourismusstrategie im Landtag – AfD fordert „Straße des Deutschen Reiches“”

  1. Da freut man sich schon, wenn wissenschaftlich kompetente Leute wie Andreas Schmidt (SPD) im Landtag sitzen.

  2. Dann sollten die Strassen auch in den Zustand versetzt werden in dem sie waren als 1000-jährige beendet wurde.

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