Regelmäßig veranstaltet ein stadtbekannter Rechtsextremist und Verschwörungstheoretiker „Demonstrationen“ auf dem Marktplatz oder an anderen belebten Stellen der Innenstadt. Die Zahl der Teilnehmer ist begrenzt, nicht erst seit Corona-Zeiten. Oft ist es nur ein überschubares Dutzend Anhänger, die sich um ihren Führer versammeln. Dabei wird der gesamte Markplatz mit überdimensionierter Lautsprechertechnik beschallt, von einem Kleinbus aus, von dessen Dach aus der kleine Mann und selbstgeglaubte Volksheld seine wirren Reden über den Platz fegen lässt. Gewaltandrohungen gegenüber politischen Gegner, aber auch unbeteiligten Passanten kommen dabei häufig vor, wie nicht nur Onlinemedien, sondern auch die Mitteldeutche Zeitung jüngst in ihrer Print-Ausgabe berichteten (MZ, 19. Mai, S. 8 „Bürger fühlen sich bedroht“)
Hallespektrum hat nachgehakt: gelten für derartige Kundgebungen nicht die Auflagen, wie sie auch für andere Veranstalter, vom Straßenmusiker angefangen bis hin zu Open-Air-Konzerten, immer wieder festgelegt werden? Die Stadt Halle verwiest Hallespektrum dabei auf die Versammlungsbehörde, die Polizeiinspektion Halle. Die Pressesprecherin Ulrike Diener gab Auskunft.
Hallespektrum: Inwiefern trifft die Genehmigungsbehörde für Versammlungen im öffentlichen Raum (nach Aussage des Pressesprechers der Stadt die Polizei) bei ihrer Genehmigungspraxis von Demonstrationen eine Interessenabwägung zwischen dem Recht des einen auf freie Meinungsäußerung und dem Recht der anderen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der eigenen Stadt? Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um die Inhalte der jeweiligen Redner, sondern um das Aufoktroyieren dieser Inhalte durch übermäßige Lautstärke auch denjenigen, die bewusst um die Versammlung einen großen Bogen schlagen und eine andere Ecke des Marktplatzes zur Nutzung aufsuchen.
Ulrike Diener: Gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die Versammlungsfreiheit ist nach Artikel 8 Grundgesetz ein hohes Gut mit Verfassungsrang. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Die Polizei hat ihre Maßnahmen auf die Gewährleistung des Grundrechts sowie die Durchsetzung möglicher Beschränkungen auszurichten.
Dem Anmelder steht die Wahl seiner Kundgebungsmittel wie die Benutzung einer Lautsprecheranlage grundsätzlich frei, um sein Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuüben. Demnach gehört die Benutzung von Lautsprechern sowohl hinsichtlich der Binnenkommunikation der Versammlungsteilnehmer als auch hinsichtlich der Außenkommunikation, also dem Anliegen, Unbeteiligte mit verbalen und akustischen Botschaften anzusprechen, dazu.
Gleichwohl müssen verschiedene Grundrechte im Rahmen einer Interessenabwägung in Einklang gebracht werden. Hier sind sowohl die Interessen der Versammlungsteilnehmer, aber auch die Interessen von Anwohnern und sonstigen Dritten zu beachten. Aufgabe staatlichen Handelns ist es, im Wege der praktischen Konkordanz einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Schutzgüter zu erzielen.
Hallespektrum: Weshalb bekommt der eine fortwährend eine exponierte Lage auf dem halleschen Marktplatz und nicht einen das Stadtleben weniger beeinträchtigenden Ort zugewiesen?
Ulrike Diener: Das aus dem Versammlungsgrundrecht abgeleitete Selbstbestimmungsrecht des Anmelders einer Versammlung schließt die Bestimmung über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt einer Versammlung ein.
Hallespektrum: Werden seitens der Genehmigungsbehörde Auflagen erteilt, was die Lautstärke der Beschallung betrifft? Gibt es insbesondere eine Dezibelbeschränkung entsprechend des Imissionsschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt?
Ulrike Diener: Nach Prüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wurde daher bereits die Auflage einer Lautstärkebegrenzung erteilt. In Zusammenarbeit mit der unteren Immissionsschutzbehörde ist die verfügte Dezibelbeschränkung auch von der Anzahl der Versammlungsteilnehmer abhängig.
8 comments on “Nazi-Brüllerei auf dem Marktplatz: Polizei hält Lautstärke für verhältnismäßig”
„In Zusammenarbeit mit der unteren Immissionsschutzbehörde ist die verfügte Dezibelbeschränkung auch von der Anzahl der Versammlungsteilnehmer abhängig.“
Und wer ist diese „Untere Immissionsschutzbehörde?“
Ach, sieh an: https://www.halle.de/de/Verwaltung/Online-Angebote/Dienstleistungen/index.aspx?RecID=1353
Laut Stadtsprecher Drago Bock hat die Stadt keinen Einfluss auf die Genehmigungspraxis.
Vogel Strauß. Kopf in den Asphalt und der wird schon weggehen. Tut er aber nicht. Was dieser **** macht ist vorsätzliche Körperverletzung.
Also kann die Polizei nur die Auflagen zur Lärmbegrenzung der nicht zuständigen Verwaltung umsetzen? Dann sollte man der Verwaltung mal ihre Zuständigkeit erklären und Herrn Bock seine Aufgabe als Pressesprecher gleich mit. Wird der fürs Abwimmeln bezahlt?
Alle anderen Bürger dieser Stadt, die einfach nur ihren Markt genießen wollen, müssen den kleinen brüllenden Stinker und seine paar „Herrenmenschen“ertragen.
Nunja Keule wenn Linksautonome mit „Nie wieder Deutschland“ oder „Deutschland verrecke“ auf dem Markt rumbrüllen, muss dass doch auch ausgehalten werden. Versammlungsfreiheit ist nunmal keine Einbahnstrasse, auch wenn die Absonderungen dieses Herren eher schwer zu ertragen sind weil schlicht nicht ernst zu nehmen.
Das ist Mißbrauch des Versammlungsrechts.
@McPoldy, machen die aber nicht jeden Woche. Der kleiner Schreihals terrorisiert das ganze Jahr über mit schöner Regelmäßigkeit alle um den Markt herum Ansässigen (oder andere, wenn der Markt mal ausnahmsweise nicht zur Verfügung stehen sollte). Ich habe auch erlebt, dass nach den Schreibeitraägen noch eine ganze Zeit lang Musikbeschallung in gleicher Lautstärke war. Wenigstens das sollte nicht mehr unter Versammlungsrecht fallen.
Dass es dem kleinen Herrn Wichtigtuer eigentlich um nichts spezielles geht, sondern ganz allgemein um Stunk, ist vermutlich allen bewusst mit Ausnahme seiner kleinen peinlichen Anhängerschaft.
Ich befürchte, dass die Stadt aus Angst vor einer gerichtlichen Auseinsetzung mit dem Scheihals den Weg des geringsten Widerstands geht und ihm keine handfesten Auflagen erteilt. Ich habe nie einen Polizisten oder Ordnungsamtmitarbeiter mit Lärmmessgerät auf dem Merktplatz gesehen. Dabei wissen wir nicht, wie das Verwaltungsgericht auf eine Beschwerde des Brüllmenschen entschieden hätte, wenn ihm die Lautstärke seiner Flüstertüte durch die Ordnungskräfte auf das Ertägliche zurückgestuft worden wäre. Auf so einen Rechtsstreit hätte ich es als Stadtverwaltung ankommen lassen, um letztendlich Klarheit im Interesse der Gesamtbürgerschaft dieser Stadt zu schaffen.
Wolli, dies mag sogar stimmen aber eine Einschränkung wäre für die Demokratie Fatal. So dürfen Menschen wie Liebig, CM oder andere dieses Recht eben auch Missbrauchen um ihre Idiotie in die Welt zu setzen. Besser so als ohne dieses Recht zu leben.