„Wir danken Günther Schilling für seinen unermüdlichen Einsatz für die Universität. In seiner Amtszeit war es die vorrangige Aufgabe, eine jahrzehntelang zentralistisch geleitete und parteipolitisch gelenkte Hochschule in eine weltoffene, der akademischen Freiheit verpflichtete Universität umzugestalten – und das unter Aufrechterhaltung des vollen Lehrbetriebs. Sein Bestreben war es von Anfang an, die Universität Halle möglichst schnell in den Kreis der deutschen Universitäten zurückzuführen. So ist es im Wesentlichen sein Verdienst, dass die Martin-Luther-Universität als eine der ersten ostdeutschen Universitäten Mitglied in der Hochschulrektorenkonferenz, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie in der Deutschen Forschungsgemeinschaft geworden ist. Die komplette Erneuerung der Universität, die durch eine Umstrukturierung der Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt nicht leichter fiel – so begannen in seiner Amtszeit die Verhandlungen mit der Pädagogischen Hochschule Halle-Köthen sowie mit der Technischen Hochschule Merseburg zu deren Integration in die Universität -, war eine immense Aufgabe, die Günther Schilling bewältigt hat. Er legte mit seinem unermüdlichen Engagement den Grundstein für die bis heute sehr positive Entwicklung der Universität. Wir werden Günther Schilling immer ein ehrendes Andenken bewahren“, erklärt Rektor Prof. Dr. Udo Sträter.

Günther Schilling wurde 1930 in Leipzig geboren. Er studierte von 1951 bis 1954 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Agrarwissenschaften und schloss ein zweijähriges Ergänzungsstudium im Fach Chemie in Jena an. 1957 wurde er mit einer Arbeit „Über den Gehalt mitteldeutscher Böden an Magnesium und dessen Bindungszustand“ promoviert. 1958 absolvierte er ein weiteres Zusatzstudium der Radiochemie in Moskau und habilitierte sich 1960 – wiederum an der Universität Jena – mit einer Arbeit über das Verhalten von radioaktiven Stoffen in Pflanzen. Noch im gleichen Jahr übernahm er kommissarisch die Leitung des Landwirtschaftlich-Chemischen Instituts der Universität Jena. 1961 erfolgte seine Berufung zum Professor für Pflanzenernährung und Bodenkunde sowie gleichzeitig die Ernennung zum Direktor des Instituts. Mit knapp 31 Jahren war er damit der jüngste Hochschullehrer der DDR.
Von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1995 war Günther Schilling Professor für Physiologie und Ernährung der Kulturpflanzen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In den Jahren 1983 bis 1990 wirkte er als Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät. Am 11. Mai 1990 wurde er in der ersten freien Wahl seit 40 Jahren zum Rektor der MLU gewählt.
Günther Schilling wurden zahlreiche Ehrungen zuteil. Bereits mit 39 Jahren wurde er 1969 als Mitglied in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen. Auch nach 1990 setzten sich die Auszeichnungen für sein wissenschaftliches Werk fort. So erhielt er 1994 den Heinrich-Baur-Preis der Technischen Universität München-Freising und 1997 die renommierte Sprengel-Liebig-Medaille in Gold des Verbandes Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten. Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff verlieh Günther Schilling im Juni 2018 den Verdienstorden des Landes, die höchste Auszeichnung in Sachsen-Anhalt.
4 comments on “MLU trauert um Prof. Dr. Günther Schilling, dem ersten frei gewählten Rektor nach 1990”
Wie kamen denn die Rektoren vor ihm zu ihrem Amt?
Geheime Wahl?
Trotz dieser hier beschriebenen Tätigkeiten und Aufgaben, war er das Feindbild der sogenannten Liste Erneuerung. Das waren diejenigen kalten Krieger ab 1990 an der Uni , deren Ziel eine Auslöschung jeglicher Kontinuitäten zur DDR war. So betrieben sie zum Beispiel nach der Entmachtung von Schilling 1993 die Auflösung des Fremdsprachenzentrums für Nichtphilologen mit Schwerpunkt Osteuropa-Sprachen als Relikt der bösen, verachtenswerten DDR.
Es hat ca. 5 studentische Protestgenerationen gebraucht, diesen Beschluss 2001/2002 rückgängig zu machen.
Nachfolgend ein Kommentar, den ich zur Weiterleitung bekam:
Es spricht ein „Kalter Krieger“:
Rektor Professor Schilling war nicht das „Feindbild“ der „Initiativgruppe zur Erneuerung der Universität“ – das waren die damals sehr aktiven „Altkader“ –, sondern es gab, wie bei solch komplexen und vorbildlosen Prozessen normal, Meinungsverschiedenheiten über den Umfang, insbesondere aber die Geschwindigkeit der unbedingt notwendigen Erneuerung, vorrangig im personellen Bereich, wo verständlicherweise erbitterter Widerstand geleistet wurde, wollte man doch nicht kampflos die – häufig durch parteipolitischen Hintergrund erworbenen – Pfründe aufgeben. Wenn man den Nachruf der Universität aufmerksam liest, erkennt man sehr wohl, dass Einigkeit darüber bestand, „eine jahrzehntelang zentralistisch geleitete und parteipolitisch gelenkte Hochschule in eine weltoffene, der akademischen Freiheit verpflichtete Universität umzugestalten“ – eine der zentralen Forderungen der „Initiativgruppe“ und selbstverständlich das Gegenteil der DDR-Prägung, aber keine „Kontinuität“. Das Rektorat Schilling endete, wie unter demokratischen Verhältnissen üblich durch eine Wahl, zu der er nicht mehr als Kandidat angetreten war. „Entmachtung“ wurde in der DDR praktiziert, nämlich veranlasst durch die SED-Parteileitung.
Natürlich bedurfte auch das „Fremdsprachenzentrum für Nichtphilologen mit Schwerpunkt Osteuropa-Sprachen“ einer gründlichen Umgestaltung, zumal nach 1990 die Nachfrage nach diesen Sprachen dramatisch abgenommen hatte und das Zentrum, wie viele andere Bereiche der Universität ebenfalls, personell völlig überbesetzt war. Die schmerzhaften Auseinandersetzungen um angemessene Personalstrukturen der Universität beschäftigten alle nachfolgenden Rektorate und man kann nur wünschen, dass die Maßnahmen des derzeit endenden Rektorats Sträter als Basis für zukunftsweisende Strukturen tragfähig sein werden.
Es handelte sich im Frühjahr 1990 tatsächlich um eine „geheime Wahl“, allerdings vor jeglicher personeller Erneuerung naturgemäß durch eine durch die DDR-„Kader“-Politik geprägte Belegschaft!
In der DDR vor 1990 kamen „die Rektoren […] zu ihrem Amt“ durch Beschluss der SED-Parteileitung, dem dann lediglich der Senat der Universität zugestimmt hat