Landtag debattiert Reform des Straßenverkehrsrechts – CDU und Grüne loben neue Spielräume, mahnen aber zügige Umsetzung an
Mit der Novelle des Straßenverkehrsrechts rückt ein lang gehegter Wunsch vieler Städte und Gemeinden in greifbare Nähe: mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit dem Verkehr vor Ort. Im Landtag von Sachsen-Anhalt begrüßen sowohl die CDU-Fraktion als auch Bündnis 90/Die Grünen die neuen Regelungen, die unter anderem eine einfachere Einrichtung von Tempo-30-Zonen, Fahrradstraßen und verkehrsberuhigten Bereichen ermöglichen.
Thomas Krüger, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Infrastruktur und Digitales der CDU-Landtagsfraktion, zeigte sich erfreut über die jüngsten Änderungen: „Die Kommunen erhalten endlich die Möglichkeit, nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch Umwelt-, Klima- und Gesundheitsaspekte stärker in ihre Planungen einzubeziehen. Das ist ein Meilenstein für die kommunale Selbstverwaltung.“
Er betonte zudem, dass die Reform die Lebensqualität in den Städten und Dörfern nachhaltig verbessern könne. „Die neuen Regelungen helfen, den Verkehr sicherer und nachhaltiger zu gestalten“, sagte Krüger und verwies auf das Potenzial neuer Tempo-30-Zonen und zusätzlicher Fußgängerbereiche. Allerdings müsse auch die Verwaltung entsprechend vorbereitet werden. „Wir fordern gezielte Schulungen und eine Handreichung zur Rechtsanwendung, damit die Behörden vor Ort handlungsfähig sind.“
Zustimmung kam auch von Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der Grünen-Fraktion und mobilitätspolitische Sprecherin. In einer engagierten Rede erinnerte sie daran, dass die Straßen in Sachsen-Anhalts Städten noch immer zu sehr auf den Autoverkehr ausgerichtet seien: „Das Leben in unseren Städten ist mehr als Blech, Motorleistung und Asphalt.“ Die neuen gesetzlichen Spielräume müssten nun zügig und mutig genutzt werden.
Lüddemann kritisierte allerdings das zögerliche Vorgehen der Landesregierung: „Bisher gibt es keine konkreten Maßnahmen, um kommunale Behörden zu informieren oder zu unterstützen. Das reicht nicht. Andere Bundesländer zeigen längst, wie man es besser macht.“ Sie forderte den Ausbau bestehender Netzwerke wie der Landesenergieagentur (LENA) sowie Fortbildungen durch das Landesverwaltungsamt und das Studieninstitut für kommunale Verwaltung.
Mehr Entscheidungsspielraum für Kommunen
Die rechtlichen Neuerungen bringen nicht nur politische Zustimmung, sondern auch handfeste Veränderungen für die Verkehrsplanung mit sich. Länder und Kommunen erhalten künftig deutlich mehr Flexibilität bei ihren Entscheidungen: Erstmals dürfen sie neben der Leichtigkeit des Verkehrs auch Ziele wie Klima- und Umweltschutz, Gesundheit oder städtebauliche Entwicklung in ihre Anordnungen einbeziehen – vorausgesetzt, die Verkehrssicherheit wird nicht gefährdet. Das ist ein Paradigmenwechsel in der Straßenverkehrsordnung, die jahrzehntelang nahezu ausschließlich auf das zügige Fortkommen von Fahrzeugen ausgerichtet war.
Mehr Tempo-30-Anordnungen möglich
Insbesondere die Möglichkeit, einfacher Tempo-30-Zonen einzurichten, wird vielerorts begrüßt. Ob vor Kitas, Schulen, Spielplätzen oder Fußgängerüberwegen – künftig können Kommunen auch auf Hauptverkehrsstraßen wie Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen Tempolimits verhängen, wenn dies zur Sicherheit oder zur Lärmminderung beiträgt. Auch sogenannte „Lückenschlüsse“ zwischen bereits bestehenden Tempo-30-Strecken sind einfacher möglich.
Umweltfreundliche Verkehrsformen stärken
Darüber hinaus erhalten die Behörden mehr Spielraum bei der Schaffung umweltfreundlicher Verkehrsangebote. Die neue StVO erleichtert es, Sonderfahrstreifen für Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge auszuweisen, Busspuren einzurichten oder neue Radverkehrsflächen zu schaffen. Auch das Anwohnerparken kann künftig flexibler gestaltet werden – ein wichtiger Schritt für lebendige, autoärmere Innenstädte.
Technische Neuerungen und Verkehrssicherheit
Ein weiterer Baustein der Reform betrifft die Fahrzeugtechnik: Notbremsassistenten bei mittelschweren Lkw über 3,5 Tonnen dürfen künftig nicht mehr deaktiviert werden. Verstöße gegen diese Vorschrift werden mit Bußgeldern geahndet – ein Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr, insbesondere für ungeschützte Verkehrsteilnehmer.
„Vision Zero“ als Zielbild
Begleitend zur Reform hat der Bundesrat eine Entschließung verabschiedet, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, das Prinzip der „Vision Zero“ – also keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr – explizit in der Straßenverkehrsordnung zu verankern. Die Länderkammer schlägt vor, dieses Leitbild in einer Präambel festzuschreiben, um der Verkehrssicherheit auch rechtlich einen höheren Stellenwert zu geben.
Politischer Wille gefragt
Beide Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt machten deutlich: Der Weg zu einer sichereren und gerechteren Verkehrspolitik ist vorgezeichnet – doch es braucht nun den politischen Willen und praktische Unterstützung, damit die Reform auch auf der kommunalen Ebene ankommt. Lüddemann brachte es abschließend auf den Punkt: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind geschaffen. Jetzt liegt es an uns, sie zu nutzen – für sichere Schulwege, gesunde Städte und gleichberechtigte Mobilität für alle.“