Der Krieg gegen die Ukraine hat zu einer intensiven Debatte über Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland geführt. Dabei steht auch zur Diskussion, keine russischen Erdgaslieferungen mehr zuzulassen. Auf welche Weise und wie schnell russisches Erdgas in Deutschland sowie in der gesamten Europäischen Union (EU) kurz-, mittel- und langfristig durch andere, insbesondere erneuerbare Energieträger ersetzt werden könnte, erörtert die heute veröffentlichte Ad-hoc-Stellungnahme der Nationalen
Akademie der Wissenschaften Leopoldina „Wie sich russisches Erdgas in der deutschen und europäischen Energieversorgung ersetzen lässt“.
Dies könnte unter anderem durch die Beschaffung von Flüssiggas, das Anlegen einer robusten Reserve an Energieträgern und den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur erreicht werden. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass auch ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas für die deutsche Volkswirtschaft handhabbar wäre. Durch die unmittelbare Umsetzung eines Maßnahmenpakets könnten Engpässe vermieden und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen abgefedert werden.
Gas ist wichtig für Wäreerzeugung, weniger für Strom.
Erdgas hat in Deutschland einen Anteil am Primärenergieverbrauch von über 25 Prozent und wird überwiegend für industrielle Prozesse sowie von privaten Haushalten eingesetzt. Die Hauptnutzung von Erdgas liegt dabei in der Wärmeerzeugung, weniger im Stromsystem. Etwas mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases wird aus Russland importiert. Der Rest wird vorwiegend aus Norwegen und den Niederlanden bezogen. Derzeit sind die Speicher für Erdgasreserven in Deutschland zu
27 Prozent gefüllt. Um auf einen möglichen Stopp russischer Erdgaslieferungen in die EU vorbereitet zu sein, sind Sofortmaßnahmen, eine mittelfristige Diversifizierung der Energieversorgung und eine Einbettung dieser Maßnahmen in einen Transformationspfad hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung notwendig.
Als kurzfristige Maßnahme (kommende Wochen und Monate) diskutiert die Ad-hoc-Stellungnahme zum Beispiel Flüssiggasimporte, Einsparungen beim Erdgas und das Füllen von Gasspeichern als Puffer für den Winter. Um die Erdgasnachfrage zu reduzieren, könnte zudem auf eine stärkere Kohleverstromung gesetzt werden. Dies führt kurzfristig zu höheren Kosten für die vom europäischen Emissionshandel erfassten Unternehmen. Dabei sind finanzielle Belastungen der Bürgerinnen und Bürger mit
niedrigen und mittleren Einkommen sozial abzufedern und Unternehmen von Energiesteuern zu entlasten. Mittelfristig (innerhalb eines Jahres)
benötigt Deutschland eine robuste Reserve an Energieträgern, einen Ausbau der Flüssiggaskapazitäten und eine Ertüchtigung des Gasnetzes.
Langfristig (zwei bis zehn Jahre) wird der Ausbau der Infrastruktur für den Umschlag und Import von Wasserstoff empfohlen sowie der Ausbau der
erneuerbaren Energien. Da die Energieversorgung zur staatlichen Daseinsvorsorge zählt, reichen die Optionen für die künftige Gestaltung des Energieversorgungssystems von einer vollständig staatlichen Energieversorgung bis hin zu einer rein privatwirtschaftlichen Energieversorgung unter staatlicher Regulierung und
Aufsicht. Dabei ist darauf zu achten, Mikromanagement zu vermeiden, so die Autorinnen und Autoren. Zentral ist dabei die Übertragungsinfrastruktur,
die aus Energiehäfen, Großspeichern und den Übertragungsnetzen („Energieautobahnen“) besteht.
Sie könnte wie bisher privat bewirtschaftet werden, sollte dann aber in Struktur und Nutzung staatlicher Regulierung unterliegen. Auch die Bereitstellung, Wandlung, Verteilung und Nutzung der Energie könnten weiterhin privatwirtschaftlich innerhalb eines klaren und stabilen staatlichen Rahmens organsiert sein. Wichtig ist den Autorinnen und Autoren, den geplanten Kohleausstieg 2030 nicht in Frage zu stellen. Er hilft dabei, von russischen Kohleimporten, die 50 Prozent der Kohleeinfuhr nach Deutschland ausmachen, unabhängig zu werden. Bestehende wirksame Mechanismen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen, allen voran der Emissionshandel und seine Weiterentwicklung im Rahmen des EU Green Deal, dürfen nicht aufgeweicht werden.
Die aktuelle Situation macht es erforderlich, den Umbau des Energiesystems noch energischer als bisher voranzutreiben. Die politischen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die Akteure des zukünftigen Energiesystems sollten europäisch angelegt werden. Dabei sollten diejenigen EU-Mitgliedsstaaten vorangehen, deren Energieversorgung aktuell von Russland besonders abhängig ist. Die Ad-hoc-Stellungnahme ist zu finden unter:
www.leopoldina.org/energiesicherheit
19 comments on “Kann Deutschland auf russisches Gas verzichten? Leopoldina: „Auch ein kurzfristiger Lieferstopp keine Katastrophe“”
Auch Wissenschaft ist vor Blödheit nicht gefeit, leider.
Schön zu erfahren, dass du schlauer bist als eine ganze Nationalakademie der Wissenschaften.
Die Vorschläge sind plausibel. Welchen findest du blöd?
Welche eigene Qualifikation legitimiert dich, Die Stellungnahme der Leopoldina so zu beurteilen?
Auf die Antwort „weil das Papier scheiße ist“, kann ich verzichten. Danke!
Wer kein Gas hat, soll doch mit Strom heizen: Ihre Bundesregierung!
Die beschriebenen mittel- und langfristigen Maßnahmen sind auch ohne Krieg bekannt. Warum sollen diese Masse an notwendigen Infrastrukturmaßnahmen jetzt auf einmal wesentlich schneller gehen. Im Tempo Berliner Flughafen sind wir damit 2050 nicht fertig.
Sofortmaßnahmen:
– der zusätzliche Aufkäufer Staat für Gas wird die Preise noch mehr durch die Decke gehen lassen.
– Regulierung kommt zu spät, wenn Putin nächste Woche den Gashahn zudreht.
– Wie wollen die Gasspeicher gefüllt werden (derzeit zu 20% gefüllt), wenn die alternativen Lieferquellen und Verteilungsinfrastruktur für den Verbrauch nicht reicht.
– 200 Milliarden für Klimaschutz, 100 Milliarden für Bundeswehr; die Herren der Wissenschaft haben sich um die Antwort gedrückt, wie viele 100 Milliarden die soziale Abfederung für die Bürger mit Gasheizung kosten wird.
Eine Leistung der Wissenschaft kann ich in diesem Dokument nicht finden.
„Warum sollen diese Masse an notwendigen Infrastrukturmaßnahmen jetzt auf einmal wesentlich schneller gehen“
Weil es nicht nur abstrakt pressiert, sondern kurzfristig und für jedermann greifbar. Sogar für die, die sonst nur von der Tapete bis zur Wand denken .
Wenn es brennt, holt man die Feuerwehr . Wenn es nicht brennt, debattiert man über Brandschutzmaßnahmen und verschiebt sie auf St. Nimmerlein, weil es ja Geld kostet und bisher doch auch nichts passiert ist.
Prof. B2B, Energieeinsparungen sind effektiver umzusetzen, als es ihre Vorstellungskraft erlaubt:
– Tempolimit auf deutschen Autobahnen einführen,
– Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden um 1 Grad absenken,
– Energieeinsparungen bei Verbrauchern belohnen,
– Klimaanlagen weitestgehend abschaffen bzw. durch Adsorptionsanlagen ersetzen,
– alte Produkte reparieren und nicht wegwerfen,
– öfter mal das Gehirn einschalten.
Also unser grüner Wirtschaftsminister hat der Stellungnahme Leopoldina mal massiv widersprochen und er hat mit Sicherheit keine beschränkten Berater, sondern die tatsächlichen Fakten auf dem Tisch. Vor allem mit dem Faktor Zeit scheint es dabei mal gar keinen Konsens zu geben.
Die Leopoldina lag schon in der Coronabewertung teilweise schwer daneben.
Es ist wie immer, eine wissenschaftliche theoretische aber lebensfremde Darstellung der Probleme.
Mag sein, dass es da schlaue Leute in ihren Fachgebieten gibt, aber eben nicht bei den Problemen, welche es aktuell zu lösen gibt.
Es ist wohl besser, wenn die Vertreter der Leopoldina schweigen.
Stadt_für_Kinder ich gehe ja zumindest in Teilen mit dir, aber wo bitteschön wird denn wirklich erhaft über Sparen gesprochen? Nirgens. Und was mich besonders ankotzt ist, dass die Energieproblematik einzig und allein auf Russlandputin reduziert wird. Da kommen die Sprüche von der Leopoldina doch gerade recht – genau, wie bei Corona. Ein Glück, das es in Sachsen-Anhalt’s Politik noch Realisten und Prakmatiker gibt, sonst säßen wir bald im dunkelkalt.
„– Klimaanlagen weitestgehend abschaffen bzw. durch Adsorptionsanlagen ersetzen,“
Adsorber brauchen Wärmeenergie.
Schon mal was von solarer Kühlung gehört? Die ist schon seit mehr als 10 Jahren marktreif gewesen.
https://bit.ly/35JcMPd
Sie brauchen die Wärme von der Sonne oder alternativ Prozesswärme, Fernwärme, etc. Kühlräume, Rechenzentren, etc. müssen auch bei bedecktem Himmel gekühlt werden.
Da hast Du aber von der energiepolitischen Diskussion der vergangen Jahre nichts mitbekommen (Friday fpor Futzure usw. Hatte damals mit Putin nix zu tun).
Prof. B2B, ich wusste gar nicht, dass Ihr Handy nur mit dauerhafter Kabelversorgung geht. Können Sie mal ein Bild einstellen?
@hei-wu
wollen Sie mir damit sagen, dass Sie die Erkenntnisse zur Energiewende von Schulschwänzern abgreifen?
Was hat Adsorber mit Handy zu tun? Es wird immer verwirrter hier.
Wärme wird überbewertet, stellte schon Sarrazin fest!
@B2B Wenn Sie das Argument kein Solarstrom bei Dunkelheit oder kein Windstrom bei Windstille benutzen, denke ich im Gegenzug automatisch an Stromspeicher. Haben Sie keinen solchen im Handy oder nur eine lange Leitung?
„Adsorber brauchen Wärmeenergie.“ Hätten Sie einfach so stehen lassen können.
Es ist nun mal so, wenn keine Wärmeenergie ansteht und erst über Strom aus EE erzeugt werden muss, macht Adsorber in der Kühlung keinen Sinn. Hat alles nichts mit dem Handy zu tun. Es gibt so viele Themen, die lassen sich nicht mit der kurzen Leitung aus Emotionen erschließen.