Bundesverband warnt: Steigende Gewalt unter Jugendlichen ist ein Alarmsignal – Politik muss handeln
Berlin – Die neue Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2024 offenbart eine alarmierende Entwicklung: Die Gewaltkriminalität unter Kindern und Jugendlichen ist erneut gestiegen. Besonders drastisch zeigt sich der Anstieg bei den unter 14-Jährigen – hier wuchs die Zahl der Tatverdächtigen um 11,3 Prozent auf 13.755. Auch bei Jugendlichen stieg sie um 3,8 Prozent auf 31.383. Diese Zahlen sind für den Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie e.V. (bkj) ein deutliches Signal: Deutschland braucht eine entschlossene, interdisziplinäre Präventions- und Interventionsstrategie.
„Die gestiegene Jugendgewalt ist Ausdruck zunehmender psychischer Belastungen, unzureichender sozialer Unterstützungsstrukturen und eines Gefühls des Abgehängtseins in bestimmten sozialen Milieus“, erklärt Dr. Inés Brock-Harder, Vorstandsvorsitzende des bkj. Gewalt werde von vielen jungen Menschen als eine Form von Selbstwirksamkeit und Machtausübung erlebt. Gerade deshalb sei es zentral, frühzeitig zu intervenieren.
Besorgniserregender Trend: Gewalt mit Messern nimmt zu
Besonders auffällig: Der Einsatz von Messern bei Gewalttaten ist deutlich gestiegen. In 6,3 Prozent der vollendeten Gewaltdelikte wurde ein Messer verwendet oder zumindest damit gedroht – eine Eskalation, die nicht nur sicherheitspolitische, sondern auch sozial- und gesundheitspolitische Antworten erfordert.
Zehn Maßnahmen gegen die Gewaltspirale
Um Gewalt nachhaltig zu begegnen, legt der bkj ein umfassendes Forderungspaket vor:
- Mehr Fachkräfte an Schulen: Schulen benötigen speziell geschulte Pädagog*innen für den Umgang mit gewaltbereiten Jugendlichen.
- Ausbau der Schulpsychologie: Jede Schule sollte über ausreichende psychologische Unterstützung verfügen, um frühzeitig eingreifen zu können.
- Stärkung der Jugendgerichtshilfe: Besser ausgestattete Jugendgerichtshilfen ermöglichen sinnvolle erzieherische Maßnahmen wie Sozialstunden oder Trainings.
- Therapeutische Täterarbeit: Programme zur Rückfallprävention und zur Förderung emotionaler Reife müssen flächendeckend angeboten werden.
- Förderung freier Träger: Unterstützungsangebote für Risikofamilien durch freie Träger der Jugendhilfe müssen finanziell gesichert und ausgebaut werden.
- Intensivierung von Täter-Opfer-Ausgleich: Der Dialog zwischen Täter und Opfer kann Verantwortungsbewusstsein fördern – solche Programme sollen systematisch erweitert werden.
- Schnelle gerichtliche Entscheidungen: Eine zügige Reaktion der Justiz auf Straftaten ist entscheidend, um erzieherische Wirkung zu erzielen.
- Jugendstrafvollzug reformieren: Der Strafvollzug für Jugendliche soll stärker auf Wertebildung, Verantwortung und emotionale Reifung ausgerichtet sein.
- Soziale Ursachen ernst nehmen: Jugendliche aus benachteiligten Milieus brauchen Perspektiven und alternative Selbstwirksamkeitserfahrungen.
- Gemeinsames Vorgehen gegen gewaltbereite Subkulturen: Kommunen müssen Polizei, Jugendhilfe und Sozialarbeit vernetzen, um effektiv gegen Gewaltgruppierungen vorzugehen.
Warnung vor Kürzungen
Stephan Osten, stellvertretender Vorsitzender des bkj, warnt davor, die strukturellen Ursachen von Gewalt aus dem Blick zu verlieren – insbesondere angesichts aktueller Kürzungspläne im Jugendhilfebereich: „Statt neue Präventionsstrukturen zu schaffen, beobachten wir derzeit die Kürzung bewährter Hilfsangebote. Damit wird die Spirale der Gewalt weitergedreht.“
Die Folgen der Corona-Pandemie, die soziale Isolation, psychische Belastungen und fehlende Perspektiven verstärkt habe, würden nun sichtbar. Deshalb fordert der Verband politische Entscheidungsträger*innen auf, endlich entschlossen zu handeln: Investitionen in die psychische Gesundheit junger Menschen und in die soziale Integration sind dringend notwendig – und kein Bereich, an dem gespart werden darf.