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Hier geht es nicht um KI, sondern um nachgezüchtete Zellklumpen: Leopoldina-Vorlesung von Molekularbiologe Jürgen Knoblich zu Modellsystemen des menschlichen Gehirns

Hirnorganoide: Leopoldina-Vorlesung von Molekularbiologe Jürgen Knoblich zu Modellsystemen des menschlichen Gehirns

Die Erforschung des menschlichen Gehirns hat lange Zeit mit großen Herausforderungen und ethischen Fragen zu kämpfen. Das Studieren dieses komplexen Organs am lebenden Menschen ist in vielen Fällen unethisch und Tierversuche bieten nur begrenzte Einsichten. Eine neuartige Lösung, die es ermöglicht, die Entwicklung des menschlichen Gehirns im Labor zu untersuchen, sind Hirnorganoide. Diese miniaturisierten Modelle des Gehirns bieten Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Jürgen Knoblich, einem renommierten Molekularbiologen an der Medizinischen Universität Wien, die Möglichkeit, die menschliche Gehirnentwicklung sowie neurologische Erkrankungen zu erforschen, ohne auf Tierversuche angewiesen zu sein.

Was sind Hirnorganoide?

Hirnorganoide sind dreidimensionale Zellkulturen, die eine vereinfachte Nachbildung des menschlichen Gehirns darstellen. Sie bestehen aus verschiedenen Zelltypen, die in einer Art und Weise angeordnet sind, die die Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns nachahmt. Diese „Mini-Gehirne“ werden durch die Kultivierung von Stammzellen erzeugt, die sich zu den verschiedenen Zellen des Gehirns differenzieren. Auf diese Weise können die Wissenschaftler die Entwicklung und Funktion von Gehirnstrukturen nachbilden und so grundlegende Prozesse des menschlichen Gehirns im Labor untersuchen. Hirnorganoide sind dabei keine künstliche Intelligenz, sondern biologische Modelle, die dazu dienen, den menschlichen Körper besser zu verstehen und neue Erkenntnisse in der Medizin zu gewinnen.

Die Forschung an Hirnorganoiden hat das Potenzial, wichtige Informationen über die frühe menschliche Gehirnentwicklung zu liefern und auch dabei zu helfen, neurodegenerative Erkrankungen und neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus und Parkinson zu erforschen. Mithilfe dieser Modelle können Forscher genetische Varianten, die mit diesen Erkrankungen in Verbindung stehen, untersuchen und sogar neue Therapiemöglichkeiten entwickeln, ohne auf Tierversuche angewiesen zu sein.

Leopoldina-Vorlesung von Prof. Dr. Jürgen Knoblich

In seiner Leopoldina-Vorlesung, die am Mittwoch, den 9. April 2025, in Halle (Saale) stattfindet, wird Prof. Dr. Jürgen Knoblich einen detaillierten Einblick in seine Arbeit mit Hirnorganoiden geben. In seinem Vortrag „Cerebral organoids: Reconstituting human brain development and disease in 3D cell culture“ erklärt er, wie seine Forschung dazu beiträgt, die menschliche Gehirnentwicklung und neurologische Erkrankungen auf zellulärer Ebene nachzuvollziehen. Dabei wird er auch auf die ethischen Implikationen und den Umgang mit dieser neuen Technologie eingehen.

Prof. Dr. Knoblich ist weltweit anerkannt für seine bahnbrechenden Arbeiten mit Hirnorganoiden und hat es als erstem Team gelungen, diese in vitro zu erzeugen. Seine Arbeiten eröffnen nicht nur neue Perspektiven für die Neurowissenschaften, sondern ermöglichen auch eine präzisere Erforschung von Erkrankungen, die bis heute schwer zu behandeln sind.

Ethische Überlegungen und der Umgang mit Hirnorganoiden

Neben den wissenschaftlichen Durchbrüchen, die durch Hirnorganoide ermöglicht werden, stellt sich die Frage nach der Ethik ihrer Nutzung. Der Einsatz von Hirnorganoiden in der Forschung wirft Fragen zur menschlichen Stammzellforschung und zu den Grenzen der Manipulation biologischer Gewebe auf. Prof. Dr. Knoblich wird in seinem Vortrag auch erläutern, wie er und sein Team diese ethischen Fragestellungen in ihrer Forschung berücksichtigen und verantwortungsvoll mit der Technologie umgehen.

Weitere Höhepunkte der Veranstaltung

Neben der Leopoldina-Vorlesung von Prof. Dr. Knoblich wird am gleichen Tag die Biochemikerin Prof. Dr. Elly Tanaka mit der Schleiden-Medaille 2025 ausgezeichnet. Diese Ehrung wird für herausragende Leistungen im Bereich der Zellbiologie verliehen, und Tanaka wird für ihre wegweisenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der Regenerationsbiologie geehrt. Die Veranstaltung wird um 17:00 Uhr mit der Urkundenübergabe an neue Mitglieder der Leopoldina beginnen, gefolgt von der Medaillenverleihung und der Vorlesung von Prof. Dr. Knoblich.

Für alle Interessierten ist der Eintritt frei, und die Veranstaltung wird auf Englisch gehalten. Weitere Informationen zur Anmeldung und dem vollständigen Programm finden Sie auf der Website der Leopoldina.

Schlussbetrachtung

Die Forschung an Hirnorganoiden eröffnet eine neue Ära in der Neurowissenschaft. Sie ermöglicht es, komplexe Gehirnprozesse nachzuvollziehen und gleichzeitig die ethischen Herausforderungen der modernen Biotechnologie zu berücksichtigen. Die Arbeiten von Prof. Dr. Jürgen Knoblich und seinem Team sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer besseren Verständigung des menschlichen Gehirns und könnten langfristig zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für neurologische Erkrankungen führen.

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