Skip to content
HalleSpektrum.de – Onlinemagazin aus Halle (Saale) Logo

Hallesche Hochschulen beschäftigen Studis überwiegend mit Kurzzeitverträgen

Eine gestern veröffentlichte Kleine Anfrage im Landtag Sachsen-Anhalt von Olaf Meister (Bündnis 90/Die Grünen) (Drs. 7/3910) hat aufgezeigt dass über 50 % der studentischen Hilfskräfte an der Martin-Luther-Universität und der Kunsthochschule Burg Giebichenstein nur für weniger als 6 Monate angestellt sind.

Olaf Meister, MdL (Bündnis 90/Die Grünen)

Vor dem Hintergrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.06.2018 (Az.: 7 Sa 143/18) hatte Meister die Landesregierung zur Situation von studentischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskräften in Sachsen-Anhalt befragt. Dabei wollte Meister nicht nur die generelle Anzahl an Hilfskräften, sondern konkretisiert auf jede einzelne Hochschule und den konkreten Einsatzort (Tutor/-in, Bibliothek, Verwaltung, Forschung, Sonstiges) der Hilfskräfte erfahren. Herausgekommen ist, was die Landesregierung in ihrer Antwort anmerkt, eine deutlich über die übliche Hochschulstatistik hinausgehende tiefgreifende statistische Analyse der arbeitsvertraglichen Situation studentischer Beschäftigter an allen Hochschulen Sachsen-Anhalts.

Ergebnisse für Halle überaus interessant

In Bezug auf die in Halle ansässigen Hochschulen ist die Statistik dabei überaus interessant. So beschäftigt die MLU inlusive der Medizinischen Fakultät 880 studentische Hilfskräfte, also solche ohne Hochschulabschluss, und 380 wissenschaftliche Hilfskräfte, also solche mit regelmäßig mindestens einem Bachelorabschluss. Bei der Burg Giebichenstein sind es 138 studentische und 35 wissenschaftliche Hilfskräfte.

Fehlende Erkenntnisse der Hochschulen zu Einsatzgebieten der Studis

In Bezug auf deren jeweiliges Einsatzgebiet schweigt sich die MLU bis auf 90 studentische und 45 wissenschaftliche Tutor/-innen aus, während demgegenüber die Medizinische Fakultät 46 studentische Hilfskräfte als Tutor/-innen und 190 studentische sowie 6 wissenschaftliche Hilfskräfte in der Forschung einsetzt. Interessanterweise übersteigt die hier die Anzahl sowohl der studentischen, als auch der wissenschaftlichen Hilfskräfte die von der Medizinischen Fakultät als Gesamtzahl gemeldete Anzahl der Hilfskräfte (Studentische HKs 236, gemeldet nur 230; wissenschaftliche HKs 6, gemeldet nur 4).
Die Burg Giebichenstein meldet 45 studentische und 24 wissenschaftliche Hilfskräfte als Tutor/-innen, 5 studentische und 3 wissenschaftliche Hilfskräfte in der Forschung, 8 studentische Hilfskräfte in der Bibliothek sowie 28 studentische und 11 wissenschaftliche Hilfskräfte in sonstigen Bereichen. Hier übersteigt die Anzahl der wissenschaftlichen HKs die Gesamtzahl der gemeldeten wissenschaftlichen HKs um 3, während die Anzahl der studentischen HKs hinter der Gesamtzahl der gemeldeten zurückfällt.
Dass beide Hoschulen nicht angeben können, in welchen Gebieten ihre studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte eingesetzt werden, ist vor dem Hintergrund des oben angeführten LAG-Urteils doch sehr verwunderlich. Die im Verfahren klagende studentische Hilfskraft war in der Bibliothek einer Berliner Universität als Hilfskraft beschäftigt. Mit dem Urteil hatte das LAG festgestellt, dass ihre Tätigkeit der einer nach Tarifvertrag vorgesehenen Tätigkeit entspricht und die Hilfskraft dementsprechend nach dem Tarufvertrag der Länder und nicht WissZeitVG bei der Universität anzustellen sei. Die Hochschulen sind dazu angehalten, sich an den in diesem Urteil aufgestellten Maßstäben zu orientieren. Dies können sie jedoch nicht, wenn sie noch nicht einmal erfassen, in welchen Bereichen ihre Hilfskräfte angestellt sind.

Fragwürdig kurze Vertragslaufzeiten

Ebenfalls hatte Meister nach den Vertragslaufzeiten der Hilfskräfte gefragt. Dabei kam heraus, dass an der MLU knapp 47 % der studentischen Hilfskräfte (425 von 915 angegebenen) eine Vertragslaufzeit von weniger als 6 Monaten haben. Zählt man die 197 studentischen Hilfskräfte deren Vertragslaufzeit auf 6 Monate befristet ist hinzu, steigt die Zahl derjenigen mit Kurzzeitverträgen sogar auf knapp 68 % der studentischen Hilfskräfte. Bei den wissenschaftlichen Hilfskräften sehen die Zahlen nicht besser aus. Hier sind mit 216 von 401 angegebenen Hilfskräften sogar knapp 54 % für weniger als 6 Monate angestellt. Zählt man auch hier die 6-Monatsbefristungen hinzu, ergibt sich eine Zahl von 299 Hilfskräften, also knapp 75 %  mit Kurzzeitverträgen.
Nicht viel besser sieht es an der Burg Giebichenstein aus. Hier sind 123 von 127 angegebenen studentische Hilfskräfte, also knapp 97 % für weniger als 6 Monate angestellt, 46 davon sogar explizit nur fürbis zu 3 Monate. Zählt man die eine Person mit einem 6-Monats-Vertrag hinzu, ergibt sich, dass nur 3 studentische Hilfskräfte keinen Kurzzeitvertrag haben. Bei den wissenschaftlichen Hilfskräfte zeigt sich ein genauso erschreckendes Bild. Hier haben 44 von 47 angegebenen Hilfskräften, also knapp 94 % einen Vertrag von weniger als 6 Monaten, 16 davon sogar nur für bis zu 3 Monate. Auch hier haben nur 3 Hilfskräfte keinen Kurzzeitvertrag.

Landesregierung sieht keinen Bedarf für studentischen Tarifvertrag

Vor dem Hintergrund dieser Praxis der Vergabe von Kurz- und Ultrakurzzeitverträgen, von denen weit über die Hälfte der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte an den halleschen Hochschulen betroffen sind, klingt es wie Hohn, wenn die Landesregierung auf die Frage, ob sie Bedarf für einen studentischen Tarifvertrag sieht, antwortet, dass sie keinen Handlungsbedarf dahingehend sehen würde. Der Verweis auf den Beschluss der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), wonach keine Tarifverhandlungen mit Studierenden geführt werden dürften, tut hier sein Übriges. Wenn die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte ihre Situation verbessern wollen, bleibt ihnen wohl nur ein Streik.

PZ

6 comments on “Hallesche Hochschulen beschäftigen Studis überwiegend mit Kurzzeitverträgen”

  1. Von allen Bundesländer gibt es lediglich in Berlin eine tarfvertragliche Basis für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte. (Auch nicht im Links regierten Thüringen)

    Die Unis beschäftigen weiter ihre studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte auf einer Basis, die sich praktisch kaum von einer Tagelöhnerei unterscheidet.

    Die weltfremde und lebensferne Vorstellung von Wissenschaft als Berufung (und nicht als Beruf) spiegelt sich bei den HiWi-Stellen in ihrer asozialen und prekären Realität wieder.

    Die immer größer Zahl von Studierende die sich um ihre Studienfinanzierung selber kümmern müssen, können sich eben nicht auf solche ausbildungsnahen Jobs verlassen, sondern müssen weiter ihre Ausflucht in kräftezehrenden, nächtelangen Kellnerjobs suchen.
    Von Vertragslaufzeiten von 2 Jahren, von Krankengeld, bezahlten Urlaubsanspruch oder Weihnachtsgeld können HiWis in Sachsen Anhalt auch künftig nur träumen.

  2. So ein Schwachfug: studentische Hilfskräfte werden bei uns an der Uni nach Tarif in der Stufe TVL 3 bezahlt, was spürbar über dem Mindestlohn liegt. Inwieweit das schon mal „Ausbeutung“?
    Natürlich gibt es oft nur kurzfristige Aufgaben zu erledigen; warum sollte ich jemanden – ich übertreibe mal – unbefristet als Hilfskraft einstellen, der A nur drei Jahre bei uns studiert und B nur mal für die Orga und Durchführung einer Tagung gebraucht wird? Macht man in der freien Wirtschaft doch auch nicht? Außerdem wäre noch zu bedenken, dass die Studenten durchaus selbst gar keine keine längeren Verpflichtungen eingehen wollen (z.B. nur in vorlesungsfreien Zeiten arbeiten, weil es sonst nebenbei nicht zu schaffen ist).

  3. Ach so: die Hiwis bekommen sehr wohl Urlaub, Weihnachtsgeld und sogar Zuschläge für Einsätze am Wochenende sowie Entschädigungen für Mehraufwände gemäß Reisekostengesetz – alles halt gemäß TVL!

  4. einfach mal Google fragen mit:
    Formular Einstellung Hilfskräfte Uni Halle

    Faktencheck sozusagen.

  5. Na dann schaun wir doch einfach mal, was die Zuständige Gewerkschaft dazu sagt:
    In allen anderen Bundesländern [außer Berlin] sind studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte
    leider ausdrücklich vom Geltungsbereich der Tarifverträge ausgenommen. Sowohl
    der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) für den Bund und die Kommunen als auch der
    Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) schließen studentische und
    wissenschaftliche Hilfskräfte aus ihrem Geltungsbereich aus. Damit sind die Hilfskräfte
    sowohl von einer Bezahlung nach Tarif als auch von anderen tarifvertraglichen Ansprüchen
    wie Urlaubs-/Weihnachtsgeld und sechs Wochen Tarifurlaub ausgeschlossen.

    Statt mit den Gewerkschaften eine (Mindest-)Bezahlung zu vereinbaren, haben die in der
    Tarifgemeinschaft der Länder vertretenen Bundesländer im Rahmen einer Richtlinie
    Höchstsätze (!) für die Bezahlung von Hilfskräften beschlossen, von denen die einzelnen
    Bundesländer und Hochschulen nur nach unten abweichen dürfen. Dabei handelt es sich
    aber nicht um einen – im Zweifelsfall vor Gericht durchsetzbaren – Anspruch wie bei einem
    Tarifvertrag, sondern um eine Selbstbindung der Arbeitgeber. Mit den Höchstsätzen
    wollen sich die Bundesländer davor schützen, von anderen Bundesländern überboten zu
    werden. ,,,,“
    Stand Juli 2018.
    https://www.gew.de/fileadmin/media/publikationen/hv/Hochschule_und_Forschung/Broschueren_und_Ratgeber/RatgeberSHK-WHK_A5_web.pdf

  6. Zumindest an der ULB sind Studenten als AUShilfskräfte nach Tarif eingestellt, nach TVL3, mit allen tariflichen Leistungen. Eine Zeitsicherung gibt ihnen auch die Einstellung für 2 jahre. Im Übrigen befristen sich Studenten ohnehin selbst mit der Studiendauer.
    Aushilfe ist im Bereich der ULB auch immer noch besser als Kellnern in der Gastro

Schreibe einen Kommentar