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Fritz Hartnagel an der Luftwaffennachrichtenschule in Halle

Gestern vor 75 Jahren wurden Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst von den Nationalsozialisten mit dem Fallbeil ermordet. Sie waren die ersten von vielen anderen Mitgliedern der Widerstandsgruppe Weiße Rose, deren Leben ohne Gnade vom NS-Regime ausgelöscht wurde.

Fritz Hartnagel, Verlobter von Sophie Scholl, entgeht zu dieser Zeit dem Kessel von Stalingrad, muß aber verwundet, Finger müssen amputiert werden, im Lazarett in Lemberg bleiben. Vermutet wird, dass die Überlebenden von Stalingrad nicht ins Reich dürfen, um die Bevölkerung mit der Kunde der Niederlage nicht zu beunruhigen. In Lemberg erreichen ihn zwei Briefe von Sophie Scholl, seine Antworten gehen ins Leere. Sophie Scholl ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Seine Verlobte war eine Widerstandskämpferin, aber Fritz Hartnagel kann keine Beteiligung an der Weißen Rose nachgewiesen werden.

Amerikanische Soldaten

Sophies Ermordung hat eine große Lücke in seinem Leben hinterlassen. Anders als seine Befehle lauten, bricht er den Kontakt zur Familie Scholl nicht ab. Er geht damit ein großes Risiko ein. Fritz Hartnagel wird im gemeinsamen Kummer ein Mitglied der Familie. Sophies Schwester Elisabeth und er kommen sich näher.

Wie so viele ist Fritz Hartnagel dennoch ein pflichterfüllender Wehrmachtsoffizier. Er dient weiter bis zum Schluss. Im März 1945 übernimmt er die Leitung der Luftwaffennachrichtenschule (Kasernengelände, in dem heute die Universität untergebracht worden ist) westlich der Saale bei Halle. Am 14. April 1945 stehen die Amerikaner kurz vor der Stadt und Fritz Hartnagel ist entschlossen, sich entgegen den Befehlen zu ergeben. Er wird denunziert, und als zwei Offiziere ihn zum Standgericht abholen wollen, zieht sein Adjutant die Pistole. Es kommt zu einem Schusswechsel, bei dem der Adjutant schwer verwundet wird (und zu Hartnagels Kummer später im Lazarett stirbt), Hartnagel aber entkommen kann. Mit einer weißen Fahne und seiner ganzen Truppe zieht Hartnagel den Amerikanern entgegen. Er gerät in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Nach dem Krieg heiratet er Elisabeth Scholl, mit der er vier Söhne hat, und wird Jurist. Er wendet sich konsequent im Sinne der Weißen Rose gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, initiert die Ostermärsche in seiner Heimatstadt Ulm und bekämpft in den Achziger Jahren die sogenannte Nachrüstung. 2001 stirbt er im Alter von 84 Jahren.

Paula P.

Zum Weiterlesen:

Hoffentlich schreibst Du recht bald : Sophie Scholl und Fritz Hartnagel : Eine Freundschaft 1937 – 1943 / Hermann Vinke. – Ravensburg : Ravensburger Buchverl., 2006. – 316 S.: Fotos *leider im Moment nicht mehr erhältlich

16 comments on “Fritz Hartnagel an der Luftwaffennachrichtenschule in Halle”

  1. Das ist anscheinend ein unbekanntes Kapitel der Halleschen Stadtgeschichte. Danke fürs „Hervorkramen“. Bitte mehr davon.

  2. Das ist kein unbekanntes Kapitel der Stadtgeschichte. Der Stadtrat und eine speziell dafür eingerichtete Arbeitsgruppe hat sich mit genau diesem « Fall » vom 29.10.2014 bis Dezember 2017 befasst. Wir hatten uns im Stadtrat dafür ausgesprochen, an der Luftnachrichtenschule eine Gedenkplakette über Fritz Hartnagel und Alfred Bauer, der bei dieser Aktion sein Leben lassen musste, anzubringen.

  3. Respektabel, dass sich der Stadtrat so lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Schade nur, dass das Thema selbst für interessierte und sich informierende Bürger weiterhin Terra incognita blieb.
    Vielleicht sollte der Stadtrat über die Representation seiner Arbeit gründlich nachdenken.

  4. @Winkus wurde die Gedenkplatte inzwischen angebracht? Wenn nicht, warum nicht? Kannst Du HalleSpektrum die Beschlüsse dazu übermitteln. Dann können wir das noch mal ausweiten. Ganz herzlichen Dank.

  5. In der Sitzung des Stadtrats vom 26.10.2016 unter Punkt 9.3. ist der verabschiedete Beschluss nachzulesen. zu finden unter

    http://buergerinfo.halle.de/suchen01.asp?__swords=Hartnagel&__sao=1&__swnot=Ausschlussworte&__zsigrnr=-none-&__axxdat_full=01.07.2014&__exxdat_full=30.06.2019&go=Suchen&__sgo=Suchen

    oder anders gesagt:
    Stadt Halle
    Sessionet und dann als Suchbegriff „Hartnagel“ eingeben. Dort blättert sich alles auf, worüber wir debattiert haben, allerdings nicht die Gruppe, die das inhaltlich bearbeitet hat und der ich ebenfalls angehörte.
    Ich weiß nicht, ob das Schild inzwischen angebracht wurde.

  6. Vielleicht sollte ich dazu schreiben, dass es deshalb so lange gedauert hat, weil die Ehrung auf einer einzigen Quelle fußte und das war der Bericht von Herrn Hartnagel selbst. Herr Jacob vom Stadtarchiv hat versucht weitere Quellen zu finden, die das Berichtete belegen, indem er auch in USA nach Quellen suchte. Es gab jedoch keine, weshalb wir uns nur auf den letztlich verabschiedeten Text einigen konnten. Alles andere wäre historisch nicht seriös begründbar gewesen.

  7. Evt. gibt es bei der Bundeswehr oder im Bundesarchiv noch Materialien, die die letzten Leiter der Luftwaffennachrichtenschule belegen, wenn dort Hartnagel auftaucht, wäre das zumindest eine Unterlegung seines eigenen Berichtes. Man könnte auch nach Regimentsangehörigen suchen, die sich mit ihm ergeben haben. Paula oder ich könnten mal Kontakt zu Herrn Jakob aufnehmen, wo er überall gesucht hat.
    Riosal

  8. P.S.: Maurer (Our way to Halle) führt zwar die Luftwaffennachrichtenschule auf, die in die Verteidigung der Stadt eingebunden war, aber nur in einer Erwähnung, und kommt dann zum raschen Vorstoß der Amerikaner auf die Saale zu, was die rasche Aufgabe von Hartnagels Schulungsregiment indirekt bestätigen würde. Erst am Amtsgarten schlug den Timberwölfen starker Widerstand entgegen. Sie verloren dort 5 Panzer und mehrere Männer.

    Riosal

  9. Mitglied in unserer Arbeitsgruppe war neben etlichen Stadträten und Frau Marquardt auch der Kirchenhistoriker PD Dr. Friedemann Stengel. Soweit ich das beurteilen kann, wurde allseits recherchiert, um den Bericht durch eine Sekundärquelle zu belegen, es wurde jedoch nichts gefunden. Fragt ruhig bei Herrn Jakob nach.

  10. Gerne, es wurde bestimmt gut gearbeitet.
    Die Ehrung soll jetzt ja nur geprüft werden lt. Stadtrat v. 17.12:
    „Der Stadtrat beschließt, eine angemessene Ehrung zu Ehren von Fritz Hartnagel und Alfred Bauer zu prüfen“ ?
    Dazu soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden.

  11. Dein Hinweis 17.12. stammt aus dem Jahr 2014. Eine Arbeitsgruppe wurde gebildet und der Beschluss wurde einstimmig verabschiedet am 26.10.2016 (siehe mein Posting vom 25.08.)

  12. Habe eben im Protokoll nachgelesen, dass Herr Stallbaum angesagt hat, dass die Plakette im ersten Vierteljahr angebracht werden sol.

  13. MAn kann als Angehöriger ja aus dem Wehrpass herauslesen, welches die letzte Einheit und Diensstellung des Hauptmanns war. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, bei der WAST in Berlin einen Antrag auf Auskunft zum militärischen Werdegang zu stellen. Das würde die Forschung schon erleichtern. Aus den bisher zugänglichen Quellen ist H. jedenfalls nicht zu eruieren. Auch sein Dienstgrad spricht nicht unbedingt für eine größere Einheit. Der letzte nachweisbare Kommandeur einer Kampfgruppe der LNS war jedenfalls Oberstltn. Schleicher, der sich mit seinen Einheiten an der Unstrutlinie ergab.

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