Nützt CETA den Regionen?
23. Oktober 2016 | Nachrichten, Wirtschaft | 6 KommentareHintergrund: Ziel des Abkommens CETA ist die Förderung des Freihandels, also des Verkehrs von Waren, Dienstleistungen und Kapitals, zwischen der EU und Kanada durch den Abbau von Handelshemmnissen. Da viele Einzelheiten geheim gehalten werden, kann man nur vermuten, dass für die CETA-Vertragsaushändler soziale, ökologische und kulturelle gesetzliche Schutzstandards Hemmnisse darstellen, die im Interesse des Freihandels abgebaut werden müssen. Mit der Einrichtung eines Investor-Staat-Schiedsmechanismus schafft CETA darüber hinaus für Unternehmen die Voraussetzungen, Staaten die durch ihr gesetzgeberisches Wirken ihre Gewinne beeinträchtigen, vor nichtstaatlichen Privatgerichten auf Entschädigung zu verklagen. Welche Folgen dies für kleine Regionen und Staaten haben kann, dies ist noch nicht auszurechnen. Welche Vorteile es für bereits abgehängte und benachteiligte Landesteile wie z.B. Wallonien (oder Sachsen-Anhalt) haben könnte, hat niemand, auch kein Herr Gabriel erklärt. HalleSpektrum hat Freihandelsbefürworter z.B. aus der FDP aufgefordert, dazu detailliert Stellung zu nehmen. Das hierzu nichts kam, spricht Bände. Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen durch eine Bürgerklage angeregt, Bedingungen für einen CETA-Vertragsabschluß festgelegt.
Es ist politischer Wahnsinn, in einer Situation über Verträge wie TTIP geheim zu verhandeln, in der viele Menschen das Gefühl haben, dass sie nur Claqueure für Politiker sind.
Hans Joas im Public-Forum Interview, akt. Heft 20, Okt. 2016
Das läßt sich gut auf CETA übertragen. Und Herr Gabriel hat am Dienstag verkündet, die EU und die anderen Mitgliedstaaten hätten die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts akzeptiert. Den Anwälten der Klägerseite liegt inzwischen die Beschlussfassung von der EU-Ratssitzung schriftlich vor. Danach sind also die Bedingungen einfach ignoriert worden. Die Kläger sind lt. der Klägersprecherin Marianne Grimmenstein übereingekommen, dass sie vorbehaltlich einer genauen Prüfung des Bundesverfassungsgerichts anrufen, weil die Bedingungen zu einer Unterzeichnung noch nicht erfüllt sind. Das Haupthindernis eines Abkommens zwischen der Regierung von Kanada und der EU-Kommission scheint also nicht eine aufmüpfige Region zu sein, die man wie einst das Vereinigte Königreich mit Extra-Würsten füttern muss, sondern die Verhandler selbst, die Vorgaben nachgewiesen absichtlich nicht beachten. Eine Akzeptanz von Abkommen ist auf diese Weise natürlich ausgesprochen schwierig.
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Neben der Wallonie möchte jetzt auch Brüssel kein CETA mehr …
Schon der Eierkauf beim Nachbarn kann verwerflich sein, wenn die eigenen Hühner welche legen.
Handel nützt dann, wenn gegenseitige Defizite ausgeglichen werden können, wenn die Handelspartner von der Gegenseite Dinge bekommen, die sie selbst nicht herstellen können.
Was nützt es unserer Region (Sachsen-Anhalt, bzw. Großraum Halle/Leipzig), wenn wir z. B. billiges Fleisch aus Kanada bekommen können? Wir haben selbst die Kapazitäten und Ressourcen, um das herstellen zu können. Und wenn’s nicht ausreicht, dann gibt es noch genügend Nachbarregionen, die sowas liefern können.
Freihandelsabkommen, die den halben Globus umspannen, nützen niemandem, außer den Konzernen, die auch global präsent sind, und fördert außerdem nur Ressourcenverschwendung (z. B. durch überflüssigen Warenaustausch, wenn sie lokal vorhanden sind) und überdies noch eine kulturelle Gleichmacherei und Zerstörung der Vielfalt (z. B. wenn es überall die gleichen Produkte gibt).
Außerdem ist es populistisch und schlichtweg falsch von „Schäden für die Wirtschaft“ zu reden, als gäbe es duch einen Nicht-Abschluss irgendwelche Verluste — das einzige, was es gäbe sind eventuelle Nicht-Gewinne, d. h. im schlimmsten Fall bleibt alles so, wie es jetzt auch ist. Und ich sehe nicht, dass es uns jetzt, ohne diese Freihandelsabkommen, irgendwie schlecht geht, oder dass wir irgendwelchen Mangel leiden. Wir handeln auch jetzt schon mit Kanada (und den USA) und das wird bestimmt nicht aufhören, wenn CETA (oder TTIP) nicht abgeschlossen wird.
Volle Zustimmung. Aber für manch einen scheint jedes Freihandelsabkommen apriori ein Teufelswerk zu sein.
Beim CETA-Vertrag ist mittlerweile vieles nachgebessert worden. Ich bin mir daher nicht sicher, ob den Wallonen „für ihre Standhaftigkeit“ danken möchte.
Freihandel ist gut, wenn die Bedingungen für alle Seiten fair sind und den Interessen der Menschen dient. Dazu gehört in aller erster linie Transparenz. Intransparente Abkommen wie TTIP gehören in die Tonne.
Wir sollten bitte schön nicht immer gleuben, dass die EU in allen Gebieten die höchsten Standards hat. Gerade im Umweltschutz möchte man uns dies Glauben machen, sind es aber nicht.
CETA ist TTIP durch die Hintertür, schließlich ist Kanada Mitglied der https://de.wikipedia.org/wiki/Nordamerikanisches_Freihandelsabkommen.
Wir können also den Wallonen für ihre Standhaftigkeit nur danken.