Staatsminister Rainer Robra eröffnet Archäologentag zum Thema Migration.

21. Oktober 2016 | Nachrichten | Keine Kommentare

Staatsminister Rainer Robra eröffnete am gestrigen Abend den Mitteldeutschen Archäologentag mit einem Grußwort. Nach Einschätzung des Ministers sei das gewählte Thema „Migration“ hochaktuell, besonders hinsichtlich der demografischen Entwicklung Mitteldeutschlands. Robra betonte, Migration habe schon immer die Geschichte des Landes ausgemacht. Er erinnerte dabei an Königin Editha, die aus Wessex nach Magdeburg einwanderte, oder an die Prinzessin Theophano aus Byzanz. Der Minister sprach dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie für seine aktuellen Forschungen Anerkennung aus, insbesondere für den Brückenschlag zu modernen Methoden der Naturwissenschaft und Kriminalistik. Robra sagte: “ Sie führen hier einen Diskurs auf hohem wissenschaftlichen Niveau „, und freute sich darüber, was in manchen Landesbehörden für wissenschaftliches Potential stecke. „Das sollte auch Vorbild für andere Bereiche der Verwaltung sein“, sagte er.

Rainer Robra

Rainer Robra

Führender Archäo-DNA-Wissenschaftler hält Festvortrag

Den anschließenden Festvortrag Human migrations from an archaeogenetical perspective“ hielt der US-amerikanische Professor für Anthropologie und Archäogentik, David Reich (Boston, MA). Reich gilt, neben Svante Pääbo, als einer der Begründer und führenden Vertreter jener jungen Wissenschaft, die sich der Analyse und Auswertung alter DNA widmet, die direkt aus archäologischen, menschlichen Skeletten gewonnen wird.  In seinem Vortrag schilderte Reich die sprunghafte Entwicklung des neuen Wissenschaftszweigs. Archäogenetik werde eine ähnliche revolutionäre Rolle für die Erforschung der Urgeschichte bilden, wie die vor 60 Jahren entwickelte 14C-Datierung, prophezeite der Wissenschaftler.  So seien Publikationen zur Archäo-DNA seit 2014 geradezu sprunghaft angestiegen. Während es bis dato seit den Arbeiten Svante Pääbos nur wenige Veröffentlichungen zum Thema gab, erschienen allein 2015 schon 257 Publikationen dazu, Reichs Arbeitsgruppe habe dieses Jahr schon über 1000 Untersuchungen zur Veröffentlichung vorbereitet.  Grund für den Aufschwung lieferten die fortgeschrittene Technologie der DNA-Vermehrung und Sequenzierung, deren automatisiertes Verfahren mittlerweile industrielle Ausmaße angenommen habe.

Prof. David Reich

Prof. David Reich

Reich führte die Ergebnisse an Beispielen vor. Heute wisse man, wie sich die DNA des Neandertalers in der DNA des modernen Menschen verteilt habe, und wie es zu einer schrittweisen Rückbildung dessen Genanteils gekommen sei. Aber auch Beispiele aus der „jüngeren“ Menschheitsgeschichte lieferte er:  so kann man man anhand der DNA-Untersuchungen an archäologischen Funden heute die Ausbreitung der Bauern über Europa aus Keinasien in der Jungsteinzeit nachvollziehen: Nach Reichs zusammenfassenden Untersuchungen der aDNA gab es zwei gewaltige Wanderungsbewegungen, die die heutige Bevölkerung Mitteleuropas seit den letzten 10.000 Jahren prägen:  vor 8500 Jahren wanderten die ersten Bauern aus Kleinasien ein, sie tauschten die Urbevölkerung zu 60% bis nahezu hundertprozentig aus. Ihnen folgte vor 4500 Jahren eine zweite Wanderungswelle zentralasiatischer Steppenvölker, sie krempelten noch einmal  die Bevölkerung um: mit 60-80% ihres Erbgutes überprägten sie diese wiederum.  Doch nicht alle kulturellen Phänomene der europäischen Kulturgeschichte ließen sich mit Wanderungsbewegungen allein erklären. So sei die Glockenbecherkultur, die sich im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung von der Iberischen Halbinsel über Europa ausbreitete, kaum über die DNA zu fassen: hier habe man es offenbar mit einer kulturellen Strömung zu tun.

Noch heute und morgen werden die Wissenschaftler weiter in Halle tagen. So werden Landesarchäologe Harald Meller und Dr. Ralf Schwarz über „Migration als Ursache für Innovationen und Konflikte im jungsteinzeitlichen Mitteldeutschland berichten,  der Mainzer Anthropologe Kurt W. Alt spricht über das Phänomen der Ausbreitung der Kelten und Peter Heather (London)  über Migration im Römischen Imperium.  Die öffentliche Tagung dauert noch bis Samstagmittag, das komplette Programm findet man hier.

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