Knapp zwei Millionen Menschen bleiben noch im Lande

4. August 2016 | Soziales | 6 Kommentare

Der Einwohnerschwund in Sachsen-Anhalt wird sich nach der 6 regionalisierten Bevölkerungsprognose deutlich abschwächen. Im Jahr 2030 werden demnach noch knapp zwei Millionen Menschen im Land leben. Im Jahr 2008 ist im Rahmen einer früheren Prognose eine Unterschreitung dieser Marke bereits für das Jahr 2023, also sieben Jahre früher, erwartet worden. Ursächlich hierfür sind die weiterhin steigende Lebenserwartung und insbesondere die gegenwärtig starke Nettozuwanderung nach Sachsen-Anhalt.

Weniger Geburten werden durch Zuwanderung ausgeglichen

Somit kann im Jahr 2015 das bislang hohe Geburtendefizit durch die hohen Wanderungsüberschüsse erstmals überkompensiert werden, sodass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts 2015 zum ersten Mal seit der deutschen Wieder-vereinigung ansteigt. Bereits im Jahr 2014 konnte, zum vierten Mal seit 1990, ein positiver Wanderungssaldo von 4 269 verzeichnet werden, welcher jedoch das Geburtendefizit von 13 766 nicht auszugleichen vermochte.

Bereits zum Ende der 1980er Jahre, also noch vor der einsetzenden Abwanderung junger Frauen, begannen die Geburtenzahlen signifikant zu sinken und erreichten 1994 mit lediglich 14 280 Geburten einen historischen Tiefststand. In der Folge begannen die Geburtenzahlen allerdings wieder zu steigen und erreichten im Jahr 2000 in Sachsen-Anhalt ein vorläufiges Maximum von 18 723 Geburten. In den nächsten drei Jahren gingen diese auf 16 889 zurück und pendelten sich seither auf einem Wert von jährlich rund 17 100 ein.

In der Zukunft wird ein Anstieg von gegenwärtig etwa 1,50 Kindern je Frau im gebärfähigen Alter auf 1,55 im Jahr 2020 prognostiziert. Dieser leichte Anstieg vermag das Fortschreiten abnehmender Geburtenzahlen allerdings bestenfalls abzumildern. Zu gering ist die Gebur-tenrate da das Bestandserhaltungsniveau bei etwa 2,1 Kindern je Frau liegt. Die weitaus größere Rolle spielt jedoch die Entwicklung der Bestandszahlen der Frauen in den generativen Altersstufen 15 – 49. Es gibt zu wenig junge Frauen, die für potentielle Ge-burten überhaupt in Frage kommen. Am Jahresende 2014 gab es in Sachsen-Anhalt etwas mehr als 406 000 Frauen in den o.g. Altersstufen, am Ende des Prognosezeitraums 2030 liegt der entsprechende Wert gemäß der Prognose bei rund 337 000, ein Rückgang von etwa 17%. Wenige Frauen im reproduktiven Alter bedeuten wenige Geburten, wenige Geburten münden wiederum in geringen Bevölkerungsbeständen der Frauen. Selbst ein deutlicher Anstieg der Kinderzahl je Frau würde in diesem Zusammenhang weder kurz-, noch langfristig zu entsprechend hohen Geburtenzahlen führen.

Ein Wachstum der Bevölkerung ist kurzfristig gesehen allein mit entsprechend hohen Zu-wanderungszahlen möglich. Bevor Sachsen-Anhalt im Jahr 2014 erstmalig nach langer Zeit wieder einen Wanderungsüberschuss verzeichnen konnte, betrug der Wanderungsverlust pro Jahr im Zeitraum 1991 – 2013 im Schnitt etwa 11 500 Menschen. Das heißt, Jahr für Jahr sind 11 500 Personen mehr aus Sachsen-Anhalt abgewandert als zugewandert. Ver-bunden mit einem hohen Geburtendefizit ergab dies einen enormen Bevölkerungsrück-gang, der selbst für ostdeutsche Verhältnisse einmalig ist. Lag die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt im Jahr 1990 noch bei etwa 2 874 000 Einwohnern, betrug sie Ende 2014 etwa 2 236 000 Einwohner; ein Verlust von fast 640 000 Menschen oder 22%.

Seit der Wiedervereinigung haben viele Menschen Sachsen-Anhalt dauerhaft verlassen. Dies gilt insbesondere für die jungen Frauen. In jüngerer Vergangenheit hat sich jedoch, auch ohne die aktuelle Flüchtlingsmigration, eine Trendwende angedeutet, welche durch nachlassende Fortzüge und ansteigende Zuzüge gekennzeichnet ist. Unterteilt man die Wanderungsströme in Migration mit dem Ausland, Migration mit den neuen Bundesländern sowie Migration mit den alten Bundesländern, so wird ersichtlich, dass diese positive Ent-wicklung weniger auf die Wanderung mit den neuen Bundesländern, als vielmehr auf die Wanderung mit den alten Bundesländern und in jüngster Vergangenheit auch auf die Wan-derung mit dem Ausland zurückzuführen ist. Wies der Wanderungssaldo, als Differenz aus Zu- und Fortzügen, mit den alten Bundesländern (ohne Berlin-West) im Jahr 2009 noch ei-nen Wert von – 8 048 Personen auf, so schmolz dieser Wanderungsverlust in den Folgejah-ren auf jetzt – 2 074 zusammen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung darauf, dass die ge-burtenschwachen Geburtsjahrgänge zu Beginn der 1990er Jahre in jüngerer Vergangen-heit, gegenwärtig und auch in naher Zukunft die Migration dominierenden Altersstufen stel-len werden.

Bezogen auf die neuen Bundesländer haben sich dagegen im gleichen Zeitraum lediglich die Zuzüge marginal erhöht, wohingegen die Fortzüge auf einem konstanten Niveau ver-weilen.

Wanderungsüberschuss im Land ist Flüchtlingen zu verdanken: aber bleiben sie auch?

Wenngleich die Migration eine Möglichkeit darstellt, kurzfristig Bevölkerungszahlen zu er-höhen, ist diese Einflussgröße jedoch im Gegensatz zur Mortalität und Fertilität schwerer zu prognostizieren. Dies gilt in besonderem Maße für die aktuelle Auslands- bzw. Flücht-lingswanderung. Nicht weniger wichtig als die Frage wie viele Flüchtlinge nach Sachsen-Anhalt kommen, ist die Frage, wie viele dieser Personen auch dauerhaft bleiben um ein potentielles Bevölkerungswachstum zu generieren oder zumindest ein weiteres Absinken der
Bevölkerungszahl abzuschwächen. Denn es ist in erster Linie dem Zustrom der Flüchtlinge zu verdanken, dass Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 einen signifikanten Wanderungsüberschuss verzeichnen kann, der darüber hinaus dafür sorgt, dass Sachsen-Anhalts Bevölke-rungszahl nach einem viertel Jahrhundert erstmalig wächst.

Die am sichersten zu prognostizierende Einflussgröße stellt dagegen die Mortalität, ausge-drückt in der künftigen Lebenserwartung bei Geburt, dar. Gemäß der Sterbetafel 1991/93 für Sachsen-Anhalt konnte ein damals geborener Knabe noch mit 69,42 zu durchlebenden Jahren rechnen, wohingegen ein Mädchen eine Lebenserwartung von 76,80 Jahren hatte. Die aktuelle Lebenserwartung (Sterbetafeln 2012/2014) beträgt hingegen 76,18 bzw. 82,48 Jahre wodurch sich ein Zugewinn von 6,76 bzw. 5,68 Lebensjahren ergibt. Damit einher geht auch eine Reduktion der Übersterblichkeit der Männer, ausgedrückt als Differenz zwi-schen der männlichen und weiblichen Lebenserwartung, welche sich auch in Zukunft weiter verringern wird.

Ausgehend von den hier skizzierten Entwicklungen der letzten Jahre wurden durch den Interministeriellen Arbeitskreis Raumordnung-Landesentwicklung-Finanzen folgende, dieser Prognose zugrunde liegenden Annahmen für das Land getroffen:

▪ die Geburtenhäufigkeit steigt von 2014 bis 2020 von 1,50 auf 1,55 Kinder je Frau und bleibt danach konstant;
▪ die Lebenserwartung nimmt weiter zu und steigt von 2014 bis 2030 für einen neugeborenen Knaben um 2,6 Jahre auf 78,9 Jahre und für ein neugeborenes Mädchen um 2,2 Jahre auf 84,8 Jahre;
▪ als Resultat der Wanderungsannahmen werden sich die Wanderungsgewinne, auch aufgrund der Flüchtlingsmigration, kurzfristig stark erhöhen, auf 22 875 im Jahr 2015, danach bis zum Jahr 2024 in ein Wanderungsdefizit von 866 Personen münden um im Anschluss bis zum Jahr 2030 auf einen Wanderungsgewinn von 562 Personen zu stei-gen

Diese Annahmen wurden für die 3 kreisfreien Städte und 11 Landkreise untersetzt. Die da-raus abgeleiteten Kreisprognosen, ausgehend vom Bevölkerungsstand zum 31.12.2014, wurden zum Landesergebnis zusammengefasst. Danach wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2030 um 11 % oder 245 200 Personen abnehmen. Daran ist ausschließlich das zu erwartende Geburtendefizit als Differenz zwischen Lebendgeborenen und Gestorbenen be-teiligt, da der Wanderungssaldo in diesem Zeitraum mit insgesamt 41 523 Personen einen positiven Wert annimmt. Gleichwohl wird bereits ab dem Jahr 2016 mit stark nachlassen-den Flüchtlingszahlen gerechnet, sodass ab diesem Jahr das Geburtendefizit den positiven Wanderungssaldo übersteigt und die Bevölkerungszahl zu schrumpfen beginnt. Nichtsdes-totrotz wird sich dieser Bevölkerungsschwund auch aufgrund der getroffenen Annahmen hinsichtlich der Wanderung mit den anderen Bundesländern weiter abschwächen. Es wer-den künftig weniger Menschen aus Sachsen-Anhalt fortziehen, sodass sich die Wande-rungsverluste gegenüber den anderen Bundesländern von gegenwärtig 5 322 auf 1 523 im Jahr 2020 verringern.

In den Landkreisen und kreisfreien Städten wird es eine differenzierte Entwicklung geben. Während in den 1990er Jahren insbesondere die beiden größten Städte Magdeburg und Halle (Saale) mit großen Bevölkerungsverlusten zu kämpfen hatten, wird die gegenwärtige Entwicklung dafür sorgen, dass es künftig ausschließlich diese beiden Städte sind, die ein Bevölkerungswachstum verzeichnen werden. Bis zum Jahr 2030 beträgt dieser wahr-scheinlich 3,8% bzw. 2,6%. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Bevölkerungswachstum in diesen beiden Städten in den Jahren 2024 bzw. 2023 ihr Ende findet und daran ein Rückgang der Bevölkerungszahl einsetzt.

 

(Quelle: StaLa LSA)

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