Zum 200. Todestag von Gabriel Wilhelm Keferstein

19. Juni 2016 | Rezensionen | Ein Kommentar

Nach dem Dreißigjährigen Krieg stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung in Mitteldeutschland für viele Jahrzehnte. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zu einem zaghaften wirtschaftlichen Aufschwung. Motor dieser Entwicklung war vor allem die Braunkohle, die im Großraum Halle im tagesnahen Bereich abgebaut wurde. Salinen, Papiermühlen, Ziegeleien, Glasfabriken, Brennereien und andere Gewerbe hatten einen immer höher werdenden Energiebedarf. Die beginnende Zuckerindustrie gab dem Braunkohlenbergbau in Mitteldeutschland ebenfalls maßgebliche Impulse. Ein wichtiger Förderer dieser Entwicklung war der hallesche Rats- und Bürgermeister Gabriel Wilhelm Keferstein.

Die Familie Keferstein kam 1717 aus Sachsen nach Halle, wo man mit der Pachtung der Kröllwitzer Papiermühle an der Saale einen über 150 Jahre und über fünf Generationen bestehenden Familienbesitz begründete. Die Kefersteinsche Papierfabrik galt damals als die größte in Deutschland. Georg Christoph Keferstein (1723-1802) war seit 1749 alleiniger Pächter der Kröllwitzer Papiermühle und übernahm diese dann 1764 vom halleschen Waisenhaus in Erbpacht. Ab 1762 besaß er außerdem noch Papiermühlen in Ilfeld und Stolberg.

Gabriel Wilhelm Keferstein, der am 16. September 1755 in Kröllwitz geboren wurde, war der dritte Sohn von Georg Christoph Keferstein und der Pfarrerstochter Maria Sophia Christiane Henriette Jacobi (1729–1803). Der Familientradition gemäß besuchte er die Lateinschule des Waisenhauses. Mit 17 Jahren begann er an der halleschen Universität mit einem vierjährigen Studium von Jura, Geschichte, Mathematik und Philosophie, das er 1775 als Dr. Jur. abschloss. Danach bemühte er sich um ein Advokat in der Saalestadt. 1778 wurde er schließlich als Untergerichtsadvokat für den Saalkreis und der Grafschaft Mansfeld bestallt.

Keferstein heiratete 1782 Christiane Saalfeld (1752-1824), die Tochter eines Ratsmeisters, der ein alter Freund seines Vaters war. Durch diese Verbindung kamen enge Kontakte zum Magistrat der Stadt zustande und so wurde Keferstein bald Justizkommissar und Notar in Halle. 1784 wurde er schließlich Hoffiskal und 1786 bis 1805 Syndikus des Magistrats der Stadt.

1806 avancierte Keferstein sogar zum Polizei-Ratsmeister. Doch mit der Niederlage der Preußen in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 kamen bereits wenige Tage später die Franzosen nach Halle. Die Kröllwitzer Papiermühle ging in Flammen auf und Keferstein war als Ratsmeister in erster Linie für die Unterbringung und Verpflegung der Armee Napoleons verantwortlich. Am 18. Mai 1807 wurde er mit anderen Honoratioren der Stadt (darunter auch August Hermann Niemeyer, der Kanzler der Franckeschen Stiftungen) verhaftet und als Geiseln nach Lothringen entführt, wo sie fünf Monate in Pont-à-Mousson an der Mosel festgehalten wurden. Die Deportierten wurden des Hochverrats angeklagt, denn sie sollen die Einwohner Halles gegen die Franzosen aufgewiegelt haben.

Erst im Oktober 1807, mit der Bildung des Königreichs Westphalen, konnten die Inhaftierten in die Saalestadt zurückkehren. Hier wurde allerdings der alte Rat aufgelöst und Keferstein wurde Mitglied des neugebildeten Munizipalrates der nunmehr Westfälischen Stadtverwaltung. Gleichzeitig vertrat er das Saale-Departement in den Reichsständen des Königreichs Westphalen.

In Halle bemühte sich Keferstein u.a. um den wirtschaftlichen Erhalt der Salzsiederei, schließlich war er selbst Besitzer einer Salzkotte. Sein größter Verdienst war jedoch, wie bereits in den Jahren zuvor, die Förderung der Braunkohlengewinnung in der Umgebung der Saalestadt. Wissenschaftliche Unterstützung erhielt er dabei von den beiden Universitätsprofessoren der Chemie und Physik Friedrich Albrecht Carl Gren (1760-1798) und Ludwig Wilhelm Gilbert (1769-1824). Enge Kontakte knüpften die drei Persönlichkeiten dabei durch ihre Mitgliedschaft in der Freimaurerloge „Zu den drei Degen“. Unter Kefersteins Leitung wurden schließlich die ersten Kohlegruben eröffnet und Transportwege für die gewonnene Kohle erschlossen. Darüber hinaus machte er sich auch um die Einführung der Braunkohlenfeuerung in Halle verdient. Dass all diese Entscheidungen richtig waren, erwies sich vor allem in den Jahren nach 1806, als durch die Kriegseinwirkungen in Halle Holzmangel herrschte.

Als 1813 der Kampf gegen die Napoleonische Fremdherrschaft auch Mitteldeutschland erfasste, übernahmen russische und preußische Truppen Anfang April zunächst die Kontrolle in Halle. Die Westfälischen städtischen Behörden wurden aufgelöst und die Wahl eines neuen Bürgermeisters veranlasst, wobei die Bürgerschaft der Stadt Keferstein an die Spitze des neuen Magistrats wählte, der nun Preußen verpflichtet war. Doch dieses Bürgermeisteramt war nur von kurzer Dauer, denn als sich die preußischen Verbündeten im Mai aus Halle wieder zurückziehen mussten, verließ auch Keferstein die Stadt, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Zurückgekehrt wurde er zunächst unter Haus- und dann unter Stadtarrest gestellt, das erst nach der Völkerschlacht von Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) aufgelöst wurde.

Danach entfernte sich Keferstein von öffentlichen Ämtern und Geschäften. Am 16. Juni 1816 verstarb er im Alter von 61 Jahren. An ihn erinnert heute eine kleine Straße (eine Nebenstraße der Glauchaer Straße) hinter der St. Georgenkirche, die seinen Namen trägt. Vielleicht ist sein 200. Todestag Anlass das Straßenschild durch ein Zusatzschild zu ergänzen, um so auf die Verdienste von Gabriel Wilhelm Keferstein aufmerksam zu machen, den der hallesche Chronist Siegmar von Schultze-Galléra „einen einsichtsvollen Mann inmitten der stürmischen Napoleonischen Zeit“ nannte.

(Manfred Orlick)

Weiterführende Literatur:
Karl Ludwig Keferstein: „Gabriel Wilhelm Keferstein“, in „Mitteldeutsche Lebensbilder. Dritter Band: Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts“, Selbstverlag der Historischen Kommission Magdeburg 1928

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