Namen sind Schall und Rauch

19. Januar 2017 | Kultur, Rezensionen | Keine Kommentare
Text, Design, Cover aus der Hand von Nika Sachs

Text, Design, Cover aus der Hand von Nika Sachs

Nika Sachs Novelle „Namenlos“

Unser nächster Ausflug in der Reihe „Abseits des Büchermahlstroms“ geht nach Frankfurt in die Stadt der Namenlosen. Es ist ein hübsches kleines Stück Literatur, das die Autorin mit der „Frankfurter Novelle“ abliefert. Es beginnt wie Bitterschokolade und endet wie cremigweiche Vollmilchpraline. Die Novelle, eine Literaturgattung mit großer Tradition in der deutschen Literaturgeschichte, ist eine aussterbende Art. Novellen sind nicht büchermahlstromfähig, kurz: Novellen verkaufen sich schlecht bis überhaupt nicht (wenn sie nicht gerade Schullektüre sind). Um so mehr freue ich mich, hier eins der Kabinettstückchen präsentieren zu dürfen. Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich nicht auf die Merkmale einer Novelle konzentriert habe bzw. ob Nika Sachs Buch überhaupt in der Novellenschema paßt. Das ist hier unerheblich und wir wollen den 91 Seiten keinen Ettikettenschwindel nachweisen, sondern widmen uns lieber dem Inhalt:

Ein Beginn wie Bitterschokolade

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Buch mit Widmung. Wir können versichern: Wir sind ein gutes Team!

Der Beginn des Buches ist so voller Großstadttristesse, dass ich das Buch der Autorin fast wieder zurückgesandt hätte (trotz der entzückenden Widmung). Ich habe es in der Weihnachtszeit erst einmal unter den permanenten Bücherberg gelegt. Erst in den ersten Januartagen kam es zurück in den Hände und dieses Mal habe ich es in einem Rutsch durchgelesen. Tipp, haltet durch, es wird besser!

Die namenlose männliche Hauptperson, ein Kreativer irgendwo zwischen Börse und Ghostwriter, hängt völlig durch. Die anvisierte Braut ließ ihn kurz vor der Hochzeit einfach in Stich, vermutlich ist sie nach Afrika gegangen und bestimmt nicht allein, ein afrikanischer Mann an ihrer Seite macht die Sache nicht besser. Ja, da muss Mann erst einmal bis zur Besinnungslosigkeit saufen, um zu vergessen. Immerhin schafft er es noch ab und zu ins Café zu gehen, um dort zu lesen (und nicht alleine zu sein). Und dem traurigen Kerl ohne Namen gelingt dort das Unwahrscheinliche: Er lernt im Café eine Frau kennen („Anfang dreißig und eigentlich auch nicht häßlich“). Gut, wenn Bilbo den einen Ring in den Misty Mountains finden kann, dann kann auch das klappen, wir befinden uns in einer Geschichte. Immerhin löst die Begegnung seine Schreibblockade. Die beiden treffen sich nun öfters, führen sehr intellektuelle Gespräche (die der Leserin ganz schön auf die Nerven gehen können) und es kommt, wie es kommen muß…. halt, halt, Cut! Denn unsere beiden Hauptpersonen bleiben nicht nur für meine Paulakeit namenlos, sie wissen auch gegenseitig von einander nicht viel und schon gar nicht den Namen. Zudem siezen Sie sich, da kann selbst ein Ausflug zum Goetheturm nicht helfen. Einsame Männer mögen trotz Liebe zum interlektuellen Dauerausstausch auch mal in die Arme genommen werden (die Leserin atmet auf, endlich wird es spannend!) und die junge Frau verweigert sich nicht. Aber nicht, was ihr jetzt denkt! Die beiden lassen sich Zeit, viel Zeit, es hätte für einen längeren Roman gereicht, und erst nach der ersten gemeinsamen Nacht duzen sie sich endlich. Puuh! Aber die junge Frau hat noch viele Geheimnisse. Aber diese sollen unsere HalleSpektrum-Leser selbst herausfinden.

Nika Sachs

Nika Sachs

Mit kleinen Einschränkungen, was die etwas gestelzten Dialoge zwischen unseren beiden Namenlosen betrifft, hat das Buch, diese kleine schmucke Novelle, meinen vollen Empfehlungssegen. Als Beilagen empfehle ich einen netten Rotwein, einen bequemen Lesesessel und hinterher einen warmen Spanier zum Weiterkuscheln. Letzteres natürlich nur wahlweise und austauschbar, zur Not gibt es auch Katzen oder den Kuschelhund.

Erschienen ist „Namenlos“ in der zweiten Auflage bei Books on Demand und unter der ISBN: 978-3-7412-0514-9 in jedem guten Buchladen zu bestellen. Wer will, fragt die Autorin persönlich, sie geizt nicht mit einer schönen Widmung. Nika Sachs ist nach eigenen Angaben 1987 geboren, lebt und arbeitet in der Nähe von Frankfurt. Sie zeichnet, singt und schreibt. Wir wünschen ihr, dass ihr Wunsch, vom Schreiben leben zu können, eines Tages wahr wird. Die Vollmilchschoki wartet schon auf das Reinbeißen! Wünsch Dir Glück, meine Kleene. Deine Paula Poppinga

buechermahlstromWeitere Besprechungen abseits des Büchermahlstroms:

  1. Ersticktes Matt
  2. Ein phantastischer Herrenausflug
  3. Ein Weihnachtsgeschenk für Walter

P.S.: Ganz vergessen. Wir stellen am liebsten natürlich Autoren aus Halle vor, die in die Reihe passen, meldet Euch bitte bei uns und schreibt an die Redaktion.

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