Zukunft Südpark: kreative Ideen unter Polizeischutz

20. Januar 2017 | Politik | 2 Kommentare

Am Eingang des Parkplatzes in der Offenbachstrasse in südlicher  Halle-Neustadt ist Schluss. Ordnungsamt und Polizei riegeln die Straße ab, das Aufgebot ist unübersehbar. Aber es wird nicht die Bundeskanzlerin erwartet.  Zugangskontrolle am Eingang der Turnhalle: nur Anwohner, die sich per Personalausweis legitimieren können, werden eingelassen. Und Medienvertreter. Derer sind es viele, denn man wartet auf eine Sensation, die letztendlich nicht kommt. Die Halle ist grell ausgeleuchtet, Fernsehkameras richten sich auf die voll besetzten Zuschauerreihen, die Klappstühle sind abgezählt, füllen das halbe Spielfeld, reichen so gerade.  Bernd Wiegand, Oberbürgermeister der Stadt, eröffnet das Spektakel: „Ich komme mal hier so von hinten rein“ sagt er, das Handmikrofon in der Hand, langsam in den Mittelgang zwischen den Stuhlreihen durchs Publikum schreitend.

Bürgerversammlung Zukunftswerkstatt Südpark Beernd Wiegand

Bernd Wiegand moderiert

Willkommen im Bürgerforum im „Problembezirk“, über das in Netz, sozialen Medien und  Presse so viel berichtet und disputiert wurde. „Ausländerproblematik“, „Rassismus“, „Roma“, „Kellerbrände“ dominierten die Medien-Tags der letzten Monate.

Oberbürgermeister Bernd Wiegand möchte Struktur bringen in das Chaos aus Hetze, berechtigten Beschwerden, Zank und Unzufriedenheit. Das erreicht er auch mit einer strikt gegliederten Tagungsordnung. Aufgeboten hat er, der bewusst von hinten aus dem Saal heraus agiert, seine Mitarbeiter und Kooperationspartner. Sie sollen vorn am Podium antworten, der OB will nur Moderator sein.

Und da wären:

Polizeiobermeister Dockhorn,  Herr Teschner als Leiter des Fachbereichs Sicherheit der Stadt, Oliver Paulsen als Leiter des „Dienstleistungszentrum Migration und Integration“,  Judith Marquardt, Dezernentin für Kultur, und Fachbereichsleiter „Planen“, Herr Löbner.

Der OB moderiert an, während es im Saal unter den kritisch-verhaltenen, schaumgebremsten Bürgern langsam still wird. Wiegand lädt dazu ein, gemeinsam, unter der Ägide der Stadt, eine Bürgerinitiative zu gründen, eine BI Südpark. Freiwillige mögen sich melden.

Die Tagesordnung: nach jedem Einzelkapitel sollen sich die Bürger direkt melden, werden zur Diskussion eingeladen. Unter strengem Regiment werden nun die Tagesordnungspunkte im Stakkato abgehandelt:

Polizeisprechstunde kaum attraktiv

Dockhorn und Teschner tragen vor:

Es wurden Streifen verstärkt, Ordnungsamt und Polizei zeigen gemeinsam Präsenz im Wohngebiet. Die Polizei hat eine wöchentliche Sprechstunde eingerichtet. Mittlerweile käme kaum noch jemand zu den Terminen, berichtet Dockhorn.

Die Straßenbeleuchtung wurde verbessert, und schadhafte Fußwege erfasst, deren Reparatur im zweiten Quartal 2017 erfolgen könne, sagt Teschner.

In den verkehrsberuhigten Zonen wird jetzt das widerrechtliche Parken geahndet. In den ersten zwei Wochen habe man es mit kostenlosen Hinweiszetteln versucht, jetzt hagelt es „Knöllchen“.

Nun kommen die Anwohner zu Wort: Ja, das Problem Parken: “ Wenn man Falschparker meldet, kommt keiner“, sagt ein Anwohner, der sich in der Folge noch häufiger melden wird:  „Unsere rumänischen Mitbürger halten sich nicht dran, die sch.. drauf“

Teschner entgegnet, dass der FB Sicherheit nicht auf die Nationalität der Falschparker achte, aber „Abschleppen geht nicht sofort, wenn da jemand aber ewig steht, wird abgeschleppt“.

Von Transportern verfolgt

Der Bürger gibt sich nicht zufrienden, bleibt am Mikrofon und ergänzt das ihm widerfahrene Leid: auf den PKW-Parkplätzen parken Transporter. Er werde manchmal „provokativ von DENEN zugeparkt“. Darauf Teschner: „Sie werden wohl von Transportern verfolgt ?“ Das sind die wenigen Male, wo verhalten heiteres Gelächter im Saal zu hören ist.

Herr B. hat ein anderes Problem: illegale Autorennen.  Die werden von Jugendlichen veranstaltet, und wenn man im Sommer die Fenster auf hat, ist das sehr laut. Teschner erwiedert, das dürfe nicht sein, das sei illegal, und werde kontrolliert.

Säuberungsaktionen im Wohnbezirk:  Einkaufswagen eingesammelt

Laut Teschner gab es Probleme mit herrenlosen Einkaufswagen, Müll und Dreck. Problem: nur zum Teil ist die Stadt zuständig, auch die private Wohnungswirtschaft steht in der Verantwortung. Mit der gab es konstruktive Gespräche. Und „Säuberungsaktionen“. Aber „noch ist der Südpark kein englischer Garten“, gibt Teschner zu.

Eine Einkaufswageninitiative hätten Bürger doch zumindest auf die Reihe gebracht, sagte er. Und jetzt gibt es auch eine Hundewiese. Sogar mit Hundetoilette.

„Die Ausländer grillen auf dem Hundespielplatz,  und unsere Hunde werden krank, wenn die an den Kohlen lecken“

Frau I. möchte, dass die Hundewiese eingezäunt wird, damit sich ihre Vierbeiner richtig austoben können, ohne in Gefahr zu geraten. Und Frau K. ergänzt: Im Sommer sei die Hundewiese ein Grillplatz. „Die Ausländer grillen da. Und dann lecken unsere Hunde an den Kohlen und werden krank“

Polizeipräsenz kann auch lästig sein

Richtige Wut hat aber Herr D, ein kräftiger, schlanker junger Mann in seinen besten Jahren: „Was solln hier de janze Schikane oder was“, hebt er an. Die neue Polizeipräsenz im Viertel hat er offenbar öfters am eigenen Leibe zu spüren bekommen, er brüllt: „Da müssen mer uns bis offs nackichte Hemd auszieh dun“,  und “ Die Ordnungskräfte ham meine Sachen einfach offn Boden jeschmissen, die ham die nichema offjehobn, das ist doch alles Scheise hier“.

Herr Teschner bittet, keine Kraftausdrücke zu benutzen und Polizist Dockhorn erläutert, die Maßnahmen gehörten nun mal zum Konzept:  Man müsse nun mal kontrollieren,  „ob der eine oder andere hier hergehört“. Den Einzelfall des betroffenen Bürgers will er aber prüfen lassen.

Weiter geht es, Thema Wirtschaft. Moderator Wiegand drängt die Zeit.

Die alte Kaufhalle im Südpark soll wieder eröffnet werden. Ein Investor hat sich gefunden.  Er soll den Nahversorgengsbereich mit Lebensmittel sicher stellen.

Kritische Anmerkung eines erfahrenen Bürgers: Man solle aber sicher gehen, dass vor der Kaufhalle sich nicht wieder die Alkoholiker versammeln.

Kinder und Familie

Herr Löbner erläutert die Pläne der Stadt:  Der Bolzplatz wird erneuert. Finanziert durch das Programm „soziale Stadt“. Baubeginn soll schon jetzt (Anfang 2017) sein.

288.000 kostet der Neubau eines Quartierspielplatz, begonnen wird Anfang 2018.

Der Spielplatz am Kirchteich soll erneuert werden. Dafür sind  70.000 Euro aufzuwenden, dazu sollen Fördermittel „umgeswitcht“ werden. Switchswatsch, 2018 ist es so weit, sagt Löbner.

Nun aber die Bürgerfragen. Der schon erwähnte (von Ordnungskräften belästigte) Bürger fragt, wer denn den Flurschaden bezahlt, den die Ordnungshüter mit ihren Wagen verursacht haben. “ Alles zerfahren von denen, nur Schlamm“.

Zum Thema Schulen ist nun Kulturdezernentin Marquard dran:

In den beiden Schulen im Einzugsgebiet werden Investitionen getätigt:

Der Umbau der Schulspeisung kommt 260.000 Euro, teurer wird die Brandschutzertüchtigung: hier sind 900.ooo fällig.

Soziokultur: das Familienzentrum Roxy

Oliver Paulsen Paulsen erläutert: Die Volleyballanlage wird ertüchtigt. Und es wird eine  Streetballanlage eingerichtet, die Beleuchtung wird verbessert. Für das „Sicherheitsgefühl“. Einen Bolzplatz könne man aus Lärmschutzgründen leider nicht verwirklichen.

„Jetzt wird es aber richtig spannend“, kündigt der OB das nächste Thema an: Ideen der Investoren. Die sollen hier erstmalig und exklusiv vorgestellt werden. Obwohl sie nicht spruchreif sind.

Die Wohnungswirtschaftler haben den Wunch, dass die Stadt eine Verbindung zwischen der nördlichen und südlichen Achse der Ernst-Hermann-Meyer-Strasse schafft.

Die ÖPNV-Verbindung der „Insellage“ soll verbessert werden. Die Straße soll sogar zu einer Art „Aktiv-Boulevard“- werden, träumt Wiegand. „Dann werden sich die Investoren auch mehr engagieren“.

Lange geht es noch so weiter. Zum Abschluss nochmal Bürgerfragen. Nachdem sich die bereits bekannten „Aktivisten“ des Viertels äußern durften, kam noch ein kleiner Junge ans Mikrofon. Stammelnd erzählte er: „Ich wurde zweimal mit einem Stein am Kopf getroffen. Die Polizei soll auch kommen, wenn es Tag ist. Ich wurde auch schon zweimal von Flüchtlingen angegriffen“.  Und die Mutter ergänzt: “  Wenn mein Kind verhauen wird, kommt die Polizei erst nach einr Stunde“.

Am Ende wird alles mitgenommen

Frau D. gab der Polizei noch die Empfehlung, ihre Präsenz besser zu verteilen. Es habe wenig Sinn, wenn drei Polizeiautos nebeneinander stünden, „die sollen sich doch besser etwas verteilen“. Bockhorn versprach, seine Mitarbeitern anzuweisen, wirklich zu Fuß Streife zu gehen, und OB Wiegand dankte allen Beteiligten für ihr Engagement.

Man nehme nun alles mit, und im Herbst sehe man sich wieder, mit konkreten Vorschlägen, die die Verwaltung bis dahin erarbeitet habe.

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