Interview: Sitta gegen Sitte und Co.

11. März 2016 | Politik | 4 Kommentare

Wie frischer Salat auf dem angegilbten FDP-Teller präsentiert sich der neue starke Mann der FDP in Sachsen-Anhalt bei Umfragewerten von um die 5%. Lesen Sie ein Interview mit dem selbständigen Event-Unternehmer Frank Sitta aus Halle. Das ist ein Mensch wie du und ich. Keine Polit-Schraube: Windung links, Windung rechts, fertig ist die Polit-Sprechblase. Sitta erzählt offen und frei aus seinem Leben und über seine Überzeugungen. Schauen wir mal rein ins Regal: FDP ohne Punkte und neuerdings mit Magenta.

sitta

Frank Sitta im Gespräch mit Hallespektrum

HS: Wo haben Sie ihren Zivildienst gemacht?

Sitta: Den habe ich gemacht hier an der Uni-Klinik in Halle, aber nicht im pflegerischen Bereich, sondern in der Technik, war auch ne Erfahrung. Das war wie Bundeswehr eigentlich.

HS: Bundeswehr wollten Sie nicht machen?

Sitta: Ich war einfach so. Mit Schießen und Kriegsdienst habe ich tatsächlich nichts am Hut. Mir war immer klar, Geradestehen und einer gibt Befehle, das ist sicherlich für das Militär richtig, aber ich brauch das nicht.

HS: Sie brauchen die Selbständigkeit?

Sitta: Genau, ich brauch die Selbständigkeit, deshalb bin ich auch in der FDP und nicht irgendwo anders.

HS: Wie ist das mit Familie?

Sitta: Ich bin geschieden, lebe aber in einer Partnerschaft mit einem 6jährigen Stiefsohn zusammen.

HS: Wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrem Unternehmen?

Sitta: Im Moment gerade bin ich der Einzige. Ich habe auch mal bis zu 4 gehabt. Im Moment arbeite ich vor allem mit freien Mitarbeitern. Das hängt damit zusammen, dass das Agenturgeschäft extrem schwankend ist.

Und jetzt im Wahlkampf haben wir alles runter gefahren. Da muss man dann halt mal eine Entscheidung treffen und 2, 3, 4 Monate nix machen.

HS: Und ist das jetzt auch eine Berufs-Umorientierung mit dem Wahlkampf? Wenn das Wahlvolk sich für Sie entscheidet, würden Sie dann wechseln?

Sitta: Ja, genau.

HS: Aber es ist jetzt kein Ziel, was Sie sich vorher gestellt hatten: ich werde Berufspolitiker?

Sitta: Nee, nee … Ich habe ja Politikwissenschaften studiert. Ich habe da immer gesagt, ich will alles machen, nur nicht in die aktive Politik … weil ich auf der Kreisebene eigentlich immer abgeschreckt war von Politik … zum einen auch von der Kleinteiligkeit und auch manchmal von der Banalität der Dinge … da geht es so um kommunale Themen, das hat mich alles nicht so abgeholt. Deswegen habe ich mich dann mehr im Verband engagiert. Ich war Landesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren … der größte Verband junger Unternehmer und Führungskräfte. Die Mitarbeit in Verbänden ist ja auch eine Form der politischen Partizipation.

HS: Und über die Verbände sind Sie praktisch wieder zurück zur Partei?

Sitta: Genau, da habe ich ja einen gewissen Status gehabt. Ich war dann auch in der Landespolitik unterwegs und hatte Kontakt zu vielen jungen Unternehmern und Führungskräften. Diese Kombination hat dann meinen Kreisverband hier in Halle dazu gebracht, mich einfach mal zu fragen, ob ich mir das denn vorstellen könnte, in dem Wettbewerb um den neuen Landesvorsitz mal meinen Hut in den Ring zu werfen. Da habe ich erst mal gesagt: ey wie kommt ihr auf mich, ich kenne euch doch alle gar nicht. Warum soll ich das machen? … Und ich habe mich dann dabei ertappt, dass ich da nicht immer als einfaches Parteimitglied sitzen kann und sagen kann, die sollten mal, die müssten mal, warum machen die denn nicht … und wenn dann die Partei so ein bisschen in Not ist, dann macht man das jetzt einfach.

HS: Aha, das war also auch ein Kriterium, die Not der Partei FDP?

Sitta: Na ja, wir hatten also die Herausforderung, Cornelia Pieper wollte es nicht mehr weiter machen und alle die zur Wahl standen, waren entweder schon mal im Parlament, abgewählt oder hatten schon Vergangenheit. Ich habe immer gesagt, was ist das für ein Signal an die Wähler: die Partei fliegt aus dem Landtag raus und die Partei hat dann nichts anderes, als die alten Leute wieder aufzustellen und zu sagen: DAS IST UNSER NEUES TEAM! Unglaubwürdig, fand ich.

HS: Sie sind ja ein Start-up-Typ, man hätte ja auch ne neue Partei machen können?

Sitta: Man hätte auch ne neue Partei machen können, wenn Sie Herrn Lucke hier hatten, dann wissen Sie das ja, das ist nicht leicht. Mit nicht-extremen parolenartigen Sachen kriegen Sie kein Oberwasser, dass Sie über 5% kommen.

Und da ist eine Vergangenheit immer noch besser, weil ja diese Vergangenheit auch nicht nur mit Negativem behaftet ist … Wir sind ja auch bekannt für komplexere Lösungen. Es gibt da nicht die einfachen Parolen.

HS: Jetzt Halle. Sie haben das ja alles hautnah erlebt als Hallenser, Rauen, Häußler, Szabados und Wiegand haben wir jetzt, wie ist da jetzt Ihr Resumee?

Sitta: Die Situation ist, wie fast zu erwarten, schwierig mit einem Bürgermeister, der keine wirklichen Mehrheiten hat und immer wieder Mehrheiten im Stadtrat organisieren muss, wo man ja fast gegeneinander arbeitet … Er hat ja auch Glück gehabt, dass die Menschen nicht ihn wollten, sondern so viele andere nicht. Klassisches Ergebnis von niedriger Wahlbeteiligung und dann gibt es Leute, die wählen nie CDU, da fällt denen eher die Hand ab.

HS: Und Halle?

Sitta: Halle ist ja trotz allem in Sachsen-Anhalt eines der Lichtblicke. Ich habe ja nun immer so den Blick aufs gesamte Land. Jetzt wurde uns irgendwo sogar urbanes Flair bescheinigt, glaube ich.

HS: Ich meinte jetzt noch einmal einen größeren Blick, Sie haben so gegen 1996 Abitur gemacht, da waren Sie ja dann so richtig wahrnehmungsfit, von der Zeit bis heute, was hat sich da für Sie jetzt in Halle verbessert verschlechtert, wie ist die Lebenswirklichkeit für die Menschen in diesem Zeitfenster?

Sitta: (dreht den Kopf hin und her, Denkerstirn) Ich muss ehrlich sagen, ich habe mir noch nie so richtig Gedanken gemacht darüber wie diese Entwicklung war. Ich war damals bei den JuLis … aber der kommunale Bereich ist mir schon damals nicht so wichtig gewesen.

HS: Nicht immer nur politisch sehen. Sie fahren Straßenbahn hier und leben hier. Wie hat sich Ihr persönliches Leben entwickelt in Halle?

Sitta: Da muss man ehrlich sein, das es eine positive Entwicklung ist alles in allem. Ich bin überzeugt von der immer weiteren Schönheit und den Potenzialen dieser Stadt und auch die Menschen, die hier zu uns kommen, die spiegeln das ja. Es gibt durchaus auch schon hochwertige Jobs. Das ist etwas, worauf man auch stolz sein kann.  Ich kämpfe darum, das auch zu verbreiten.

HS: Also haben wir ein Problem mit Lebenswirklichkeit und Image?

Sitta: Ja, das haben wir glaube ich … Die Botschafterfunktion fehlt mir. Nehmen wir an, Sie sind in Bayern in Knuffenhausen. Dann werden die Knuffenhausener ihnen erzählen, Sie müssen unbedingt mal hierher kommen wir sind Geburtsort von dem, bei uns gibt es das älteste das und es ist sowieso alles wunderschön. Die sind also voller Selbstbewusstsein von ihrer vielleicht eigentlich nicht wirklich wichtigen Stadt. Der Hallenser wird eher sagen, er wohnt in der Nähe von Leipzig oder wenn er im Ausland ist, sagt er, the South of Berlin und er wird erstmal so (Sitta demonstriert ein in sich zusammensacken und sagt laut: Hm, Halle …) hm Halle sagen. Das Stadtmarketing kann sich da ein Bein ausreißen, wenn es uns nicht gelingt, das in die Stadt zu tragen. Die Händelfestspiele zum Beispiel. Was für ein Gottesgeschenk, dass dieser Mann hier geboren wurde, obwohl ihn die ganze Welt mit Großbritannien verbindet. Was macht der Hallenser draus? Hier sind Festspiele, ich hab hier noch niemals Festspielatmosphäre gespürt, also dieses Gefühl, zu wissen, ahh, die Welt ist wieder zu Gast … Der Hallenser sagt dann eher so: was wolln die hier?

HS: Verkehrsinfrastruktur, ihr Meinung?

Sitta: A 143 muss endlich fertig werden. Hochstraße muss bleiben, bei allen Bedenken, dass das nicht schön aussieht, ich wäre auch für eine 4spurige Merseburger Straße, es gibt ja Leute, die erziehen gern, indem sie es schwieriger machen.

HS: Und Straßenbahnen, wie würden Sie eine Straßenbahn organisieren für Halle?

Sitta: Das ist eine gute Frage, die kann ich Ihnen wirklich nicht beantworten … Es gibt da verschiedene Überlegungen … zum Beispiel, dass man den ÖPNV komplett kostenlos anbietet, ich weiß, dass meine Partei das nicht so gut findet, aber ich bin da Realist und ich bin auch ein großer Freund … von Carsharing und solchen Dingen … Ich will ungern denken, indem ich es den Leuten schwierig mache, aber irgendwie ist das die Zukunft. Ich glaube nicht … dass jeder Mensch denkt, er hat ein Grundrecht, sich quasi ein Auto zu kaufen und das irgendwo hinzustellen, am liebsten kostenlos. Die Mieten liegen dann 15 Euro pro Quadratmeter aber das Auto will ich überall hinstellen, jeder will 3 Autos haben, das wird zukünftig nicht funktionieren. Bei der jüngeren Generation sieht man bereits, dass der Wert des Besitzes eines Autos gar nicht mehr da ist.

HS: Kommen wir mal zum Wahlprogramm, Sie schreiben, dass niedrige Netto-Verdienste Ausdruck einer gescheiterten Wirtschaftspolitik sind, wer ist denn verantwortlich für die Löhne?

Sitta: Na die Unternehmen natürlich. Müssen wir uns aber mal ganz klar die Wirtschaftspolitik des Landes angucken. Die läuft heute noch so wie in den 90ern, Prinzip WARTEN, reine Ansiedlungspolitik.

HS: Na, was würden Sie denn machen außer ansiedeln?

Sitta: Unsere Herangehensweise wäre kleine und mittelständische Unternehmen vor Ort zu unterstützen.

HS: Aber Sie haben doch ein großes Zeitfenster dazwischen, ehe das kleine Unternehmen groß ist?

Sitta: Ja, aber es würde hier schon ein gesunder eigener Mittelstand reichen. Ich habe trotzdem den Eindruck, dass es immer nur darum geht, Investoren zu finden, der Heilige Geist soll zu uns kommen, kriegt die Hälfte dazu und macht dann immer noch wie in den 90ern hier Produktionsstätten auf, wo aber alles fehlt, vor allem hochwertige Jobs: die Forschung/Entwicklung ist nicht hier, die Unternehmensleitung sitzt weiter in Baden-Württemberg, Marketing und Vertrieb sitzen nicht hier. Hier wird nur zusammengeschraubt. Dann haben wir hier zwar Arbeitsplätze, aber solche, die im Zweifel austauschbar sind. Uns fehlen zum einen die komplexen Unternehmen und es fehlen uns aber auch die unternehmerischen Entscheidungen hier.

HS: Genscher hat um 1990 vorgeschlagen, den ganzen Osten körperschaftssteuerfrei zu machen, damit die Körperschaften dahin gehen, wo sie keine Körperschaftssteuer zahlen müssen (so ähnlich wie Irland das mit Apple macht, die nur 2% zahlen müssen als Ausnahme). Wäre das was?

Sitta: Dann haben wir aber wieder die Verteilungskämpfe und Verdrängungswettbewerbe, das will ich nicht.

Wir müssen einfach mehr Unternehmen hier in Sachsen-Anhalt gründen.

HS: Das macht doch die Landesregierung mit der EGO-Initiative, ist das gut oder schlecht?

Sitta: Die macht das sicherlich richtig, das ist eines der Landesprojekte, da sind wir aber bei dem ersten Projekt, was Selbstzweck für mich ist … da entsteht ein Gründungsmarkt, da ist eine Gruppe von Menschen, die davon lebt, dass andere gründen, ob das gut oder schlecht ist, ist denen völlig egal. Hauptsache es gibt Gründungen und dann werden Fördermittel abgegriffen. Das meine ich überhaupt nicht damit.

HS: Was meinen Sie dann damit?

Sitta: Wir müssen es schaffen:

  1. In den Schulen für Unternehmertum zu werben.
  2. Menschen zu ermutigen, im Unternehmertum ein Lebensziel sehen zu können.
  3. Berufliche Pespektiven abseits des öffentlichen Dienstes überhaupt in Erwägung zu ziehen.

HS: Wie machen Sie das mit den Lehrern, die 12 bis 13 Jahre in einer öffentlichen Schule gelernt haben, dann noch 5 Jahre eine öffentliche Hochschulausbildung genossen haben, wie sollen die lehren, dass es noch ein Leben außerhalb des öffentlichen Dienstes gibt?

Sitta: (Lacht) Ja. Es gibt da verschiedene Ansätze. Zum einen habe ich eine sehr sehr hohe Erwartung an diese Lehrer.

HS: Aber die Lehrer sind ja jetzt schon total überlastet.

Sitta: Wir haben ja deshalb auch im Programm stehen, dass mehr Lehrer benötigt werden, auch vor dem Hintergrund der höchsten Schulabbrecherquote …

HS: Gehen wir da mal rein, wie greift man da ein, wo würden Sie ansetzen?

Sitta: Es kommt ja offenbar daher, dass diese Lethargie, die so um sich greift, sich bis auf die jungen Menschen ausweitet. Wir schaffen es nicht, jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass ein Leben vor ihnen liegt,aus dem man wahnsinnig viel machen kann … Es müsste Rückkehrwege geben, man müsste mal ein Viertel Jahr oder länger Pause machen können und dann zurück kommen dürfen.

HS: Wie sieht die Schule heute aus?

Sitta: Sie sind in einem Konstrukt aus Erwartung der Eltern, Erwartung der Schule, alles hat einen furchtbar ernsten Eindruck. Junge Menschen haben das Gefühl, dass es immer schlimmer wird. Das Gefühl muss man ihnen irgendwie nehmen … Ich denke dass Lethargie und schlechte Stimmung auch ansteckend sind. Und dann hört man, das wird doch eh nix, der typische Hallesche Satz.

HS: Sie denken nicht, dass die Struktur, also das Aquarium, in dem die Schule schwimmt, damit zu tun hat?

Sitta: Doch, ich weiß, worauf Sie hinaus wollen, wir haben da noch mehr Forderungen, wir müssen weg von der Wissensfabrik hin zur Kompetenzvermittlung. Was sind denn die Dinge, die ich später brauch? Soziale Faktoren. Ich muss in Teams zusammenarbeiten können, ich muss mir Wissen aneignen können.

HS: Wenn Sie jetzt aber beispielsweise Gruppenarbeit anbieten, könnte es Trittbrettfahrer geben?

Sitta: Trittbrettfahren ist sicher eine negative Erfahrung, aber es ist eine Erfahrung.

HS: Die könnte mich lehren, mich im Leben, weil es bequemer ist, doch lieber durchzunassauern, oder nicht?

Sitta: Da kommt von mir ein klares Bekenntnis zum Leistungsprinzip, das muss da sein.

HS: Haben Sie ein Einser-Abitur gemacht?

Sitta: Nee, ne 1 war dabei, ja, 3,1. Bildung hat mich immer interessiert, Schule als System hat mich nie so abgeholt. Sie können ja mit Winfried Poppe vom TMG reden, das war damals nicht leicht.

HS: Für Sie oder für ihn?

Sitta: Ich glaub für ihn. Genau, für mich war es auch nicht leicht. Es ist ja auch nicht einfach dieses Großwerden … Die Familie ist natürlich da und fängt, die meisten Kinder. Was kann man noch tun? Innerschulische Netze zu bauen, dass das nicht passiert (gemeint ist das Abbrechen, d. A.).

HS: Nächstes Thema, die Zeit rinnt dahin, über Schule könnte man ewig mit Ihnen sprechen. Hotels in Halle. Brauchen wir noch mehr Hotels? Das Stadtmarketing sagt, wir können hier keine Kongresse machen, weil wir zu wenig Hotels haben.

Sitta: Es gibt diejenigen die sagen immer, wenn Sie eine Kongresshalle hätten, dann würden wir bei Ihnen Kongresse machen. Das ist so, als wenn Sie zu einer Frau sagen: wenn Du blonde Haare hättest, könnte ich mir vorstellen, dass wir uns mal treffen. Das heißt aber noch lange nicht, wenn die sich blond färbt, dass ich es dann mache. Es ist so ein bisschen ein Huhn-Ei-Problem. Wenn Sie natürlich mehr Hotelkapazitäten haben, zieht das natürlich mehr Kunden an.

HS: Oder mehr Flüchtlinge …

Sitta: Gut, was Besseres hätte dem Maritim nicht passieren können. Für das Hotel ist es das Sinnvollste. Das hat ja den Hotelmarkt ein bisschen entspannt. Es sind 350 Zimmer auf dem billigsten Level quasi raus aus dem Markt. Das Dorint, der Ankerhof und auch das Dormero, die laufen gut.

HS: Und nun vielleicht ein Ibis Budget am Markt?

Sitta: Das ist natürlich so eine Sache. An der besten Stelle in Halle, sozusagen Filet-Stück: eine Jugendherberge … Es kommt auch immer darauf an, wen Sie fragen. Wenn Sie einen Hotelier in Halle mit Auslastungsquote von 50% fragen, wird der immer sagen, es gibt zu viele Hotels.

HS: Was ist für Halle eine auskömmliche Quote?

Sitta: Das weiß ich nicht, ich weiß, dass man in Magdeburg mit unter 50% klar kommt, vielleicht so 60–65% sollten es schon sein so über das Jahr.

HS: Aber für die Händelhalle ist ein Hotel nebenan doch gar nicht schlecht?

Sitta: Da sind jetzt billige gar nicht schlecht. Wenn wir so schauen, was wir da so haben, sind das so Sachen im niedrigeren Budget, Musiklehrertag oder die Gewerkschaftsjugend.

HS: Damit können wir hier werben, es ist hier preiswert und schön?

Sitta: Ja, warum nicht. Das war im Maritim im übrigen auch so, die haben damit geworben: Du kriegst ein 4-Sterne-Hotel zum 2-Sterne-Preis … Da muss man die Nische nehmen, die man bekommt. Der Deutsche Gehirnchirurgentag wird halt nie nach Halle kommen, da können wir uns auf den Kopf stellen, das passiert halt nicht. Da muss man sich auch immer noch in Erinnerung rufen: In BERNBURG beneidet man uns.

HS: Noch mal zum Wahlprogramm, dass erscheint mir zu dünn und zu simplifiziert: mehr Lehrer, mehr Polizisten auf die Straße, ein breiteres kulturelles Angebot, flexiblere Öffnungszeiten für Kindertagesstätten, jedem Schüler ein Notebook und und und …

Sitta: Ich will Ihnen erklären, wie es dazu kommt. Wir können auch 180-seitige Wahlprogramme schreiben … Die Erfahrung, die wir machen ist, dass das außer den Journalisten und dem IHK-Geschäftsführer kein Mensch liest. Im Wahlprogramm muss man ja den Menschen ein Gefühl dafür geben, wofür stehen wir … Wir wollten ein lesbares Programm schreiben, nicht so parteitagszerknorkelt.

HS: Sie fangen an mit einem Bashing. Es muss anders als bei Haseloff werden. Ist das eine gute Welle. Wenn Sie jetzt mit Haseloff müssten, dann sagen Sie, das war nicht so gemeint? Schließen Sie den jetzt aus, weil Sie den jetzt bashen?

Sitta: Er ist dafür verantwortlich … Wir haben das Problem erkannt. Rainer Haseloff ist für mich der Inbegriff der Lethargie und des Stillstandes in diesem Land. Er ist für mich farblos, stehend schlafen. Gucken Sie sich die Neujahrsansprache von ihm an.  Er ist übrigens der Einzige, den wir bashen. Es ist überhaupt nicht meine Art sonst, ein Ministerpräsident muss das aber ab können … Wir sind gerade auf dem Abstieg und haben einen Trainer, der sagt: WEITER SO, KONTINUITÄT.

HS: Und Sie sind für das Experimentieren?

Sitta: Ja, wann denn sonst, Experimentieren wenn wir 16 von 16 sind, außer bei schlechter Laune, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Saufen, da sind wir Spitze. Das kann doch nicht sein, dass man sich damit zufrieden gibt.

HS: Das passt mir jetzt nicht so in das Bild von Halle, was wir zuvor gezeichnet hatten, können Sie das in ein ganzheitliches Bild packen? Sind wir ein gutes Land mit Potenzial mit einer schlechten Regierung?

Sitta: Ja, ja. Das ist so.

HS: Aber wir haben eine relativ gute Schuldenarbeit, Bullerjahn, schließen Sie den mit ein?

Sitta: Buchhalterisch ist das sicherlich richtig, aber auf wessen Kosten.

HS: Das hat ja schon mit Böhmer angefangen, ein sehr langer Plan, bis 2050 sich zu entschulden, finden Sie das richtig oder wie würden Sie das machen?

Sitta: Man muss trotzdem überlegen, was das bringt: sparen um des Sparen willens wenn, gleichzeitig das Land schrumpft, und Zukunftsinvestitionen nicht stattfinden. Ob in dem Moment die 1% Tilgung es wirklich wert sind?

HS: Da haben Sie jetzt aber wieder das Blonde-Frau-Problem: die Zukunftsschulden sind sicher, der Ertrag aus den Zukunftsinvestitionen ist unsicher, woher nehmen Sie diese Sicherheit über den Zukunftsertrag?

Sitta: Na die nehme ich so wie bei guten Unternehmen.

HS: Auch hier die Frage: wenn wir mehr in Universitäten investieren, müssten diese dann auch mehr Verantwortung für die Investitionen in die Studenten als zukünftige Ertragsbringer der Investition übernehmen im Sinne einer besseren Jobchance für die Studenten?

Sitta: Hm, da sind wir wieder bei der Freiheit. Was machen wir dann mit den Orchideen-Fächern? … Ich bin ein großer Freund davon, dass die Menschen schauen, was sie aus diesen Chancen machen.

HS: Ich meine, dass mit dem Steuergeld für die Universität so verantwortlich umgegangen wird, dass die Verantwortung sich für den Absolventen nach seinem Studium auszahlt und nicht nach dem Motto mehr hilft mehr vorgegangen wird.

Sitta: Das ist ein Punkt, den will ich mal mit aufnehmen. Es gibt da auch noch viele Ineffizienzen. Es müssen nicht 500 Leute unbedingt in einen Raum kommen, um eine Vorlesung zu hören. Die müssen aber in die Uni kommen, um miteinander darüber zu reden. Da kann man aber wahnsinnig viel Kosten sparen …

HS: Bei Ihnen war das Studium dann eher Menschenbildung als Berufsvorbereitung, Sie haben Sprachen und Akademik gelernt?

Sitta: Ja, eine Public Affairs Agentur oder Politikberatung brauche ich in Halle nicht auf machen. Da müsste ich nach Berlin oder so gehen, was ursprünglich der Plan war … Mein Studium ist aber eine ideale Voraussetzung, um einen Kongress oder ein Event inhaltlich vorzubereiten.

HS: Sie sagen im Wahlprogramm: schlauer sein mit Notebooks, jedem Schüler ein Notebook, mehr Internetnutzung in Schulen usw. Wenn wir jetzt mal bei Google eingeben »Frank Sitta« und Lebensziele …

Sitta: Frank Sitta Lebensziele. Das ist natürlich (lacht und bewegt sich stark). Na machen Sie das mal.

HS: da kommen so nach Wikipedia Frank Sitta etwas wie:

  • PDF Persönlichkeitsstörungen und Verhandlungserfolg
  • PDF Subjektive Gesundheitskonzepte …
  • regelungsgewalt – vernünftig schreiben

und anderer NONSENS.

Ist das ihr Lebensziel?

Sitta: Ha, ha, ha, nein natürlich nicht, das ist auch nicht das, was wir meinen mit Notebooks und digitaler Technik in der Schule. Also ich bin noch jung (lacht), also mitteljung, 37, und mein ganzes Leben funktioniert digital … Ich lese keine Zeitung aus Papier, ich lese keine Bücher aus Papier und das ist auch wahnsinnig toll.

Herr Sitta, es war interessant, mit Ihnen zu sprechen, wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Wahl!

 

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