Was sie nie über „Geld zu“ wissen gewagt haben – Neue Produktion des Theater APRON

21. April 2016 | Kultur | Keine Kommentare

Wir kennen ihn alle, den etwas zu groß und zu poltrig geratenen Finanzanlageberater mit 80er-Jahre-Charme namens Markus, Karsten oder Jens-Uwe. Genau so eine Arche-Type eröffnet den Theaterabend und stellt erst mal eines klar: Nichts ist mehr wie früher in der Finanzwelt. Dass das Publikum dies zwar weiß, aber genauso auch weiß, dass es nichts weiß, schafft von Anfang an die nötige Aufmerksamkeit für einen ausführlichen Parcours zum Thema.

Diese reißt bis zum Ende des Stücks keineswegs ab, denn Autorin und Regisseurin Andrea Martin weiß bei aller aufklärerischen und kritischen Mission auch sehr gut zu unterhalten. Abwechslungsreich und immer wieder überraschend geht es mit einem wilden Mix aus Agit-Prop, Brettl-Komödie, Multimedia, Sprech- Tanz-, Schatten- und Körpertheater zur Sache.

Theorie und Praxis

Das Stück, dessen Entwicklung insgesamt vier Jahre dauerte, hat es in sich. Ganze 30 Bücher zum Thema las die Autorin und stellt sie auch in einem Bühnenbild-Regal als Referenz zur Schau. Die mit diesen Büchern manifestierte Vielfalt der Betrachtungsweisen setzten die Theatermacher_innen von APRON auch im Stück um.

Die beunruhingenden tagespolitischen Details der Finanzkrise(n) wie Zinstief, Inflation oder Bail-in werden eben sowenig ausgelassen wie die schreiende Ungerechtigkeit des transglobalen Kreditwesens an Staaten oder die an sich unglaubliche aber alltägliche Praxis der Kreditschöpfung aus dem Nichts durch gewöhnliche Geschäftsbanken. Als Zuschauer dieser monetären Aufklärungsrevue wird man aber nicht im Fakten- und Theoriesalat alleingelassen, sondern erhält Hinweise auf Gegenentwicklungen und Alternativen – Stichworte: Monetative, Regionalwährungen, Bedingungsloses Grundeinkommen oder Gemeinwohl-Ökonomie. Und wenn die Anfänger-Bankräuberclique es sich schließlich anders überlegt und lieber selbst eine Banklizenz erwirbt, kann mit Brecht auf den Lippen angestoßen werden, denn satte Boni sind sicher und die Rahmenhandlung überzeugend abgeschlossen.

Erfrischend anders

Die neue Produktion „GELD“ des Theaters APRON hebt sich wohltuend ab vom gewohnten Kostümschinken- oder Dinnerkomödienstil der hiesigen Amateurszene. Dies verdient nicht nur tosenden Beifall wie am Ende der Aufführung geschehen, sondern dankbaren Respekt.

Denn genau solche Formen des Theaters braucht es wieder, damit wir weder auf die beschönigenden Reden der verantwortlichen Politiker noch auf die Brandreden der Rattenfänger hereinfallen.

Text: Jörg Wunderlich 

Geld – Das Stück zum Schein nächste Vorstellungen:
Freitag | 29.04.2016
Sonnabend | 30.04.2016
Freitag | 20.05.2016

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