Graues Opernvorlesen mit Videoeinlagen

22. Januar 2017 | Kultur, Veranstaltungen | 3 Kommentare
Es gab tosenden Beifall, dem Publikum schien es gefallen zu haben. Foto: @Opernjunkie

Es gab tosenden Beifall, dem Publikum schien es gefallen zu haben. Foto: @Opernjunkie

„eine der schlechtesten Inszenierungen, die ich je in der gesehen habe!“, twitterte der Opernjunkie, dem HalleSpektrum auch ein Foto dieses Artikels verdankt, kurz nach der Vorstellung. Auch mich schmerzte der Abend sehr. Ich schrieb zurück: Darüber muss ich erst eine Nacht schlafen.

Paula war wieder in der Oper

Ein frostiger Morgen: Das paßt gut zum kalten Bühnenbild, dem ich gestern in der Oper Halle, ausgesetzt war. Dazu kamen die grauen Urnen, die jedem Sänger die Vorstellung lang begleiteten. Oper als Beerdigung? War dies lediglich eine Opernbeerdigungszeremonie? In der Tat gemahnte all das an eine Trauerhalle und das war wohl auch beabsichtigt. Vorweg sollte ich erwähnen, dass ich die Brecht/Weill-Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ liebe. Es ist die Geschichte einer Glücksritterstadt, in der alles erlaubt ist und dieses (Konsum- und Amüsier-) Glück am Ende doch schal schmeckt, für die Hauptperson sogar den Tod bringt. Weil ich die Oper liebe, werde ich keine Kritik darüber schreiben, was mir nicht gefallen hat, sondern darüber was mir gut getan hat und die Protagonisten herausstreichen, die diese Aufführung doch noch zu einem musikalischen Höchsterlebnis machten:

Oper als Trauerhalle Foto: Oper Halle

Oper als Trauerhalle Foto: Oper Halle

Der Hauptdarsteller der Aufführung war auf jeden Fall die Staatskapelle Halle unter Christopher Sprenger, dessen humorvolle und herausragende Leitung ihn zum Gott von Mahagonny machte. Und wenn nicht Gott, dann doch mein Held in diesen Stunden. Wie man am Foto oben links auch erkennen kann, war dieser Hauptdarsteller auch an der höchsten Stelle. Angemessen! Gleich danach kommt der Chor und Extrachor der Oper Halle, der sängerisch und schauspielerisch Glanzpunkte setzte. Auch die Sänger/innen Svitlana Slyvia (Leokadja Begbick), Philipp Werner (Fatty, der »Prokurist«), Ki-Hyun Park (Dreieinigkeitsmoses), Ines Lex (Jenny Hill), Ralph Ertel (Jim Mahoney), Robert Sellier (Jack O‘ Brien und Tobby Higgins), Vladislav Solodyagin (Joe, genannt »Alaskawolfjoe«) gingen mit sängerischen und schauspielerischen Leistungen bis an die Belastungsgrenze. Sie sorgten dafür, dass dieser grauen Opernverlesung, zu dem die Regie unter Michael v. zur Mühlen „Mahagonny“ verdammt hatte, Leben eingehaucht wurde. Es reichte allerdings nicht, um einen szenischen Eindruck zu hinterlassen. Opernjunkie schrieb:  „immerhin war musikalisch überzeugend, insbesondere Ines Lex als Jenny und Ralph Ertel als Jim!“ Mir hat Robert Sellier sehr gut gefallen, der der pefekte Komödiant (und das meine ich als Kompliment) für seine Rolle war, für Frau Poppinga ein Hingucker, in all der Groteske, zu dem ihm die Regie verdonnert hatte. Es wurde aus dem Weill/Brecht-Kunstwerk eine Collage, eine zerschnittene Mona-Lisa, gemacht, „oh Junge, ich will doch keine Oper sein“. Oder doch?

Whiskey gegen Opernkater? Foto: PP

Whisky gegen Opernkater? Foto: PP

Paula mit Opernkater?

„Die Oper ist aus“ Ich wußte nicht, ob ich traurig oder erleichtert sein konnte. Frau Poppingas Spanier war zum Glück nicht mit, der hätte die Choristinnen und Sängerinnen mit Küssen überhäuft und wütend die Faust in Richtung der Regie gehoben. Ich ging irgendwie leer nach Hause. Hatte ich einen Opernkater? „Wenn du einen Fisch essen willst, kannst du dir einen fangen“. Wenn du eine Oper sehen möchtest, musst du nicht mehr in die Oper gehen. Tust du es doch, möchtest du eine Oper sehen und so eine für uns so wichtige wie „Mahagonny“ allemal. Da hilft auch kein Whisky, vielleicht zu Hause Jim Morrison und seine Version des „Alabama-Song“ auflegen. Oder hilft mehr Oper gegen Opernkater? Ich gehe zur Suchtberatung.

Paula Poppinga

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