Der Mörder war immer der Schreiber!

23. Juli 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Was bisher geschah: Ein Archäologe hat uns auf das bisher unbekannte Manuskript des Rotger aufmerksam gemacht. Sachsen hat sich wieder einmal gegen den salischen Kaiser erhoben. Es gibt zwei Handlungsebenen: In der Rückblende Weihnachten 1114 flieht der Erzbischof mit Hilfe seines Freundes vor dem Kaiser. Ernst von Severn ist hin- und hergerissen zwischen seiner Freundschaft zu Adalgot und seiner Treue zum Kaiser. Im Winter 1115 sammeln die Kaiserlichen und die Sachsen ihre Heere. Im Spätsommer 1116 wird der Freund des Erzbischofs, Ernst von Severn, ermordet. Die Magd Rada erzählt, was sie gesehen und gehört hat. Der Erzbischof legt sich nach einem abendlichen Mahl traurig zur Ruhe.

VII. Adalgot, Spätsommer 1116

Aus den Notizen des Rotger: Verrat und Mord kam bis auf den Giebichenstein, unsere Burg, unser Herr fürchtete um sein eigenes Leben.

Konrad hatte recht. Gewiss war Ernst gar nicht gemeint gewesen. Es war Vogt Hermann, der meine Gewohnheit erwähnte, spätabends oder am ganz frühen Morgen ganz alleine in der Kapelle zu beten.

„Du meinst?“, fragte ich ihn. „Es könnte doch sein!“, antwortete er. Das ging mir durch den Kopf, als Konrad, Imradus und ich im meinem Haus beim abendlichen Mahl saßen. Rotger trug uns auf und goß auch reichlich Bier ein. Draußen war bereits Rudwic bewaffnet vor das Haustor getreten. Das war nicht mein friedlicher Giebichenstein, nicht mein stilles Haus über der Saale, fern vom Magdeburger Trubel und den Wirren der Welt im Reich oder im unruhigen Sachsen. Die Unruhen, der Krieg und der Verrat hatten einen Weg hierher gefunden und bedrohten auch dieses letzte friedliche Haus. Einst gehörte der Besitz dem Reich, doch die Kaiser hatten lange Zeit nicht Besseres damit zu tun gewußt, als ein Gefängnis daraus zu machen. Erst als das Erzbistum das Haus vom Reich übernommen hatte, zogen angenehmere Zeiten auf den Giebichenstein ein. Waren diese heute zu einem blutigen Ende gekommen?

Konrad nagte an seinem Brot, häufte sich einen Berg frisches Gemüse in die Schale und gab zu bedenken, nachdem ich der Runde meine Sorge mitgeteilt hatte: „Ein gedungener Mörder! Das halte ich nicht für abwegig. Ihm sind deine Gewohnheiten mitgeteilt worden. So hat er den in der Kapelle betenden Ernst für dich gehalten. Er hat deine Größe, dein Alter und kleidet sich genauso zurückhaltend und schlicht wie du. Dein Vogt hat nur zu recht! Damit ist meine Vermutung zur Gewissheit geworden. Ich kenne nicht den Mörder, aber ich kenne einen, auf den solche Heimtücke zurückzuverfolgen wäre und dieser trägt den Verrat schon fast in seinem Namen.“

Der Kaiser war es!

Die alte Leier des Salzburgers begann von vorne: Der Kaiser war es! Imradus hob kurz an: „Mir fällt da noch jemand ein…“, aber er kam einfach nicht zu Wort. Nichts konnte Bischof Konrad so in Rage bringen! Er würde selbst den Teufel übersehen, wenn es gälte, den Kaiser Heinrich zu verdammen: „Erinnert euch doch an seinen Trug und Lug, als er uns zusammen mit dem Mansfelder schlagen wollte! Die Belagerung von Orlamünde ordnete er an, um uns herauszulocken und gleichzeitig kaufte er die Wenden, damit sich unser Heer teilt, es einzeln zerschlagen werden konnte. Doch Gott war mit uns: Siegfried hielt Orlamünde, Otto schlug die Wenden bei Köthen und badete in ihrem Blut und Lothar teilte nicht das Heer, sondern zog mit aller Macht dem Verräter entgegen.“

Den schlimmsten Verrat erwähnte Konrad nicht. Wie Heinrich mich in Goslar gefangen setzen wollte, weil er mir nicht mehr vertraute oder mir nicht mehr vertrauen wollte oder weil ich einer kriegerischen Lösung im Wege stand, denn an einer friedlichen Belegung der Konflikte in Sachsen dachte er an jenem verhängnisvollen Weihnachtsfest des Jahres 1114 nicht mehr. Welchen Grund er auch immer hatte, mich gefangen zu nehmen und in seinen Kerkern schmachten lassen zu wollen. Mein Zorn darüber war noch lange nicht verraucht.

„Der Schreiber, der Wicmann, er ist doch nach der Schlacht auf unsere Seite zurück geflohen. Das behagt mir nicht. Wo steckt er eigentlich?“, konnte Imradus endlich vorbringen. „Richtig“, nahm Konrad den Faden auf, „Ich kann immer noch nicht verstehen, dass du ihn wieder aufgenommen hast.“

„Gute Schreiber sind nicht viele im Lande zu finden“, seufzte ich, „Er hat heute zum Beispiel zum Beispiel die Stiftungsurkunde(11) vorbereitet …“

„Der ich den letzten Schliff gegeben habe“, mischte sich der Salzburger wieder ein. Ich aber wollte wissen, worauf Imradus hinaus wollte und forderte ihn zum Reden auf. Er ließ sich Zeit und stärkte sich vorher an meinem Bier.

„Wenn es nicht der Kaiser war, der derlei ohnehin nicht selbst erledigt, nehme ich an…“, spottete der junge Mann etwa über Bischof Konrad?, „So wird es sein langer Arm gewesen sein! Täusche ich mich, aber galt Wicmann nicht schon immer als Kaiserlicher? Ist er nur deswegen aus der Gefangenschaft Heinrichs entlassen worden, um bei uns Unheil mit Mord und Zwietracht zu stiften?“

„Unser Schwertträger hat womöglich recht!“, Konrad hatte nun einen Becher Bier zu viel, das war eindeutig. Ich wandte ein: „Aber das passt nicht zu Vogt Hermanns Verdacht, das Messer sei eigentlich für mich bestimmt gewesen.“

„Oh doch, passt trotzdem!“, brummte Imradus.

„Kümmere dich morgen darum!“, wies ich den Wettiner Spross an, „Ich will wissen, was Wicmann heute so getrieben hat…“

„Unnütz“, unterbrach mich Konrad, „Er hatte mehrmals Gelegenheit Ernst aufzulauern. Vielleicht galt es tatsächlich dir und der Herr von Severn ist ihm dabei auf die Spur gekommen und bekam deswegen ein Messer ab!“

Alleine ohne den Freund

„Du wirst es trotzdem tun“, befahl ich am Ende. Noch war ich der Herr auf Giebichenstein. Imradus nickte verstehend, wünschte uns eine gute Nacht und schon war er fort. Draußen hörte ich ihn kurz mit Rudwic reden. Konrad wankte auf den Abtritt. Von Rotger war gar nichts mehr zu sehen oder zu hören. Sicher hatte er sich in seiner Kammer bereits schlafen gelegt. Die erste Nacht seit Ernsts Tod brach über mich herein. Ich fühlte mich allein ohne meinen Freund. Auch Konrad war nun in seiner Kammer. Ich hatte mein Talglicht bereits gelöscht, aber die Fensterluke ließ ich offen, damit fahles Mondlicht hinein scheinen konnte. Unten hörte ich leisen Schritt. Ich hatte Rudwic erlaubt, unten im Raum zu wachen, ein Licht an zu behalten, aber die Pforte des Turmes gut zu verschließen. Mein Schlaf würde gut bewacht sein. Ich bildete mir ein, unten die Saale zu hören. Der Sommer hatte zum Glück nicht viele Mücken gebracht. Oft kamen von ihnen Krankheiten, so sagte man. Aber hier oben, umgeben von Felsen und Stein kamen sie selten. Nacht und Fluss wiegten mich in den Schlaf.

In der Kapelle unter mir würde der Mönch Berewigus das Licht hüten und für die Seele von Ernst beten. Dabei würde ihm der junge Lambert assistieren. Konrad hatte dafür gesorgt, dass unsere kleine Kirche kein entweihter Ort mehr war und die Regularien dafür sorgsam ausgeführt. Er war nützlich, dieser Salzburger, ein paar Jährchen älter als ich, dennoch wurde es Zeit, dass er sein Bistum zurückbekam. Diese Burg war zu klein für zwei Herren. Manche Tage rinnen zwischen den Fingern hindurch, andere sind so voll und verhängnisvoll, dass man meinen möchte, sie würden ewig sein und brennen, wie eine Wunde aus glühenden Eisen. Trotzdem haben sie plötzlich ein Ende.

Ich erwachte wohlig unter meinem Laken, als ein Lichtschein des neuen Tages durch das Fenster hereinkam, die Glocke zur ersten Andacht rief. Ich würde mir neue Gedanken machen müssen, wer des alten Hermanns Amt einst erhalten sollte. Mit Ernst hätte ich die Familie nicht brüskiert, denn er war mein Lebensretter und engster Vertrauter geworden, aber nun nach seinem Tod würde ich wohl Onkel oder Cousin wählen müssen, genauso wie Rotger mir als Erzbischof nachfolgen würde, obwohl ich ihn für wenig geeignet dafür hielt. War es nicht das, was die Mailänder und die aus Cluny immer bemängelt hatte, nämlich das Bischofsämter zu Familienerb-angelegenheiten wurden? Auch den alten Kaisern war dies ein Anliegen gewesen, besonders was Rom betraf. Mailänder und Kaiser hätten sich also einigen können. Aber es gab Krieg, so viel Krieg! Und beim Gedanken an Krieg, kam mir in den Sinn, dass mein Freund getötet worden war. Der Tag begann mit trüben Gedanken und war bestimmt für die Trauer.

(11)Diese erste von Wicmann geschriebene Urkunde ist leider nicht auf uns gekommen, wir wissen nur durch die Notizen von Rotger davon. Er selbst stellte am 5. Juni 1121 eine eigene Urkunde aus.

Fortsetzung folgt.

Paula Poppinga

Was bisher geschah:

Das Schachbrett Kaiser Heinrichs war umgeworfen
Tatort im HalleSpektrum: Die Verdammten vom Welfesholz
Der Giebichenstein, der Giebichenstein, wer einmal dorthin geht, kehrt selten heim.
Mord und Totschlag auf der Burg!
Die Falle in Goslar
Auf der Flucht
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Der Krieg ist über uns gekommen
Empörer wider Willen
Das Verhör der Magd

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