Expertengruppe zum künftigen Lehrkräftebedarf wird zur Farce

29. Juni 2017 | Bildung und Wissenschaft | Ein Kommentar

Zur der Präsentation der Ergebnisse einer Kabinettsabstimmung zum künftigen Lehrkräftebedarf erklärt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion Die LINKE, Thomas Lippmann:

Der Landtag hatte vor einem dreiviertel Jahr eine Expertengruppe eingesetzt, um zur Bearbeitung der Frage nach dem künftigen Lehrkräftebedarf neben den beteiligten Ministerien weitere Experten hinzuzuziehen. Diese Expertengruppe und damit den Beschluss des Landtages hat die Landesregierung mit der öffentlichen Präsentation der Kabinettsvorlage zur Farce werden lassen. Noch bevor die Experten ihre Arbeit überhaupt richtig beginnen konnten, ist sie mit der Pressekonferenz der beiden Minister Tullner und Willingman auch schon beendet worden. Das von beiden Regierungsmitgliedern vorgestellte Ergebnis der Kabinettsberatung stammt selbstredend aus einer Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien und nicht aus der Expertengruppe. Diese sollte sich erst am 12. Juli mit der Vorlage der Landesregierung beschäftigen. Das braucht sie nun nicht mehr zu tun, denn das Wunschergebnis für das Kabinett steht praktisch fest. Daran werden auch keine Experten mehr etwas ändern.
Viel dramatischer als die Missachtung des Landtages und der Experten, die sich in die Beratungen mit ihrem Fachwissen sehr gern einbringen wollten, ist aber das Ergebnis der Kabinettsbefassung selbst. Denn dort findet man nichts weiter, als alten Wein in neuen Schläuchen. Nichts, was nicht vorher schon bekannt war und wofür man in der Tat auch keine Expertengruppe benötigt.

Inzwischen ist auch im Kabinett die Erkenntnis gereift, dass die Schülerzahlen wohl so schnell nicht sinken, sondern weiter steigen werden und die Universität in Halle auf längere Sicht mindestens 700 Lehramtsstudenten pro Jahr aufnehmen muss und auch das längst wird nicht reichen wird. Allein um alle ausscheidenden Lehrkräfte zu ersetzen, würden 650 Neueinstellungen pro Jahr benötigt. Die Fraktion die LINKE hat schon seit Jahren und insbesondere seit der Zuspitzung der Situation im letzten Schuljahr ununterbrochen auf alle diese Fakten hingewiesen und immer wieder – zuletzt in den Haushaltsberatungen Anfang des Jahres – entsprechende Anträge gestellt, die von den Koalitionsfraktionen regelmäßig abgelehnt wurden.

Der Neueinstellungsbedarf wird von der Landesregierung weiterhin systematisch zu niedrig angegeben. Nach den bisherigen Erfahrungen werden mehr Lehrkräfte aus dem aktiven Schuldienst ausscheiden, als von der Landesregierung prognostiziert werden. Außerdem hält die Landesregierung daran fest, die schulischen Bedingungen auf dem inakzeptablen Niveau des kommenden Schuljahres auf Dauer fortzuschreiben. Das können und werden wir aus Verantwortung für das Bildungsniveau der nächsten Schülergenerationen nicht hinnehmen.
In der Summe liegt der reale Neueinstellungsbedarf bei schrittweiser Wiederherstellung des Unterrichtsangebotes des Schuljahres 2012/13 in den nächsten zehn Jahren bei mindestens 850 – 900 Lehrkräften pro Jahr. Dazu müssen in beiden Universitäten des Landes mindestens 1.300 Lehramtsstudierende pro Jahr gewonnen und ausgebildet werden. Sich darüber zu verständigen, wie das gelingen kann, wäre die eigentliche Aufgabe der Expertengruppe gewesen.

Die Landesregierung ist weiterhin weder Willens noch in der Lage, diese Aufgabe zu erkennen und die fachlichen Grundlagen für deren Bewältigung zu schaffen.“

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