Amt vermutet Auffindung eines Himmelsscheibenfürsten

24. August 2016 | Kultur, Nachrichten | 3 Kommentare

In der frühen Bronzezeit lässt sich in Mitteldeutschland erstmals eine hierarchische Gesellschaftsstruktur fassen, die ihren Ausdruck in »normierten« Grabausstattungen findet. An der Spitze stehen sog. Fürsten, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg (vom 20. bis 17. Jh. v. Chr.) in riesigen Grabhügeln bestatten lassen. Der größte dieser Fürstengrabhügel ist der »Bornhöck«, Gemeinde Raßnitz, Saalekreis, der seit 2014 vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Rahmen von Lehrgrabungen in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersucht wird. Ziel der diesjährigen, insgesamt 6 Wochen dauernden Kampagne unter der Leitung von Torsten Schunke M. A. war es, die außergewöhnlich wichtigen Erkenntnisse der vergangenen Jahre zu überprüfen und weitere Hinweise zu Aufbau und Alter dieses Monumentes zu finden. Insbesondere galt das Forschungsinteresse der wechselvollen Geschichte des Grabhügels seit seiner Entstehung vor nahezu 4.000 Jahren bis zu seiner Zerstörung in der zweiten Hälfte des 19. Jhs.

Der imposante Tumulus mit einem Durchmesser von ca. 65 m und einer Höhe von ca. 15 m in der Bronzezeit wies eine hölzerne Grabkammer auf und wurde frühestens im 19. Jh. v. Chr. errichtet. Er ist damit eindeutig jünger als das Begräbnis in dem bekannten »Fürstengrab« von Leubingen, Lkr. Sömmerda (1942 v. Chr.). Er könnte etwa zeitgleich oder etwas jünger sein als das ebenso bedeutende Fürstengrab von Helmsdorf, Lkr. Mansfeld-Südharz (1840 v. Chr.).

Noch kein endgültiger Beweis für einen „Herrn der Scheibe“

Obwohl die zentrale Grabkammer des »Bornhöck« bereits vor langer Zeit beraubt worden ist und daher erwartungsgemäß keine Goldfunde mehr zu Tage kamen, erhärten die Ergebnisse die Vermutung, dass im »Bornhöck« einer der »Herren der Himmelsscheibe« bestattet war. So wurde zum einen etwa zur selben Zeit, als der Grabhügel vor 150 Jahren abgetragen wurde, in der Nähe ein angeblicher Hortfund mit zahlreichen Goldobjekten gefunden, die in Wirklichkeit wohl aus dem Grabhügel stammen und ursprünglich zur Grabausstattung des Fürsten gehört haben dürften. Metallurgische Untersuchungen dieses Goldfundes bestätigen Übereinstimmungen mit diversen Goldobjekten aus den Fürstengräbern von Leubingen und Helmsdorf, bislang jedoch nicht mit den Auflagen auf der Himmelsscheibe von Nebra. Gleichwohl ergibt sich aus dem schichtweisen Aufbau des »Bornhöcks«, dass hier möglicherweise mehrere Fürsten in einer Art dynastischer Folge bestattet worden waren. Dagegen lag in den älteren Hügeln von Leubingen und Helmsdorf jeweils nur eine Person. Danach scheint sich der »Bornhöck« als zentraler Bestattungsort einer Dynastie von Fürsten fest etabliert zu haben.

Der herausragende Fund dieses Jahres wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, ist aber ein weiteres Indiz für eine solche Interpretation, belegt er doch jenseits der herausragenden Gold- und Bronzefunde die enge Einbindung der Dieskauer Fürsten in ein überregionales Kommunikations- und Handelssystem. Es handelt sich um ein wegen seiner Form sog. Brotlaibidol, von denen bislang aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und Thüringen nur drei mögliche, schlecht erhaltene Vergleichsstücke bekannt sind.

Begann mitteldeutsche Bürokratie in der Bronzezeit?

Auf der Oberseite dieses länglichen Tonobjektes sind Querstriche und kleine eingestempelte Kreise zu erkennen. Im 19. – 16. Jh. v. Chr., der Zeit der frühbronzezeitlichen Fürstengräber und der Himmelsscheibe von Nebra, tauchen im südlichen Mitteleuropa, v. a. in der Slowakei, Ungarn und Norditalien, sehr ähnliche viereckige bis ovale Tontäfelchen auf, die immer wiederkehrende »Verzierungen« aus Linien und Stempeleindrücken tragen. Ihre wirkliche Funktion wird erst seit wenigen Jahren deutlich. Offensichtlich spielten diese Objekte im Fernhandel, möglicherweise von Metallen, eine Rolle. Waren sie eine Art Frachtschein oder etwa Siegelstempel als Echtheitszertifikat? Sind auf ihnen vielleicht sogar Zahlen oder andere Informationen verschlüsselt, wie wir es aus derselben Zeit von den noch komplexeren Tontäfelchen der ersten europäischen Hochkultur, der minoischen Kultur auf Kreta (»Linear A«-Schrift), kennen?  Dort sind sie Zeichen eines hoch differenzierten Wirtschaftssystems und gleichbedeutend mit der Einführung der Bürokratie.

Der Fund zeigt, dass der im »Bornhöck« Bestattete mit den Eliten der Kulturen im südlichen Mitteleuropa in engem Kontakt stand. Waren und Informationen wurden über viele hundert Kilometer getauscht, ein einheitliches Zeichensystem wurde verstanden. Im Gegensatz zu den südlichen Regionen war ein solcher Kontakt allerdings nur wenigen Personen und ihrem Umfeld vorbehalten, wie die geringe Zahl an »Brotlaibidolen« nahelegt. Brotlaibidole sind kleine, etwa fingerlange Tonwulste, die an die Form eines Brotes erinnern. Sie tragen zumeist Kerben, die Abschnitte markieren, und kleine punktförmige Markierungen. Deren Bedeutung ist bislang vollkommen ungeklärt. Der Herrscher aus dem »Bornhöck« besaß ein solches.

Die Untersuchungen werden voraussichtlich im nächsten Jahr fortgeführt.

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