Von der Tarantel gestochen?

7. August 2017 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Erstaunlich, wie er sich bewegt. Es beginnt mit einem Bein, langsam, zuckend, vor und zurück, fast unwillkürlich. Dann bildet sich ein Muster heraus, beide Beine folgen einem Rhythmus. Große Bewegungen ergänzen sich im raschen Tempo, die Arme schwingen, der Oberkörper wippt harmonisch, und plötzlich ist alles an dem heftig agierenden Körper Musik. Tanzwut! So könnte man es charakterisieren.

Immer mehr Leute bleiben stehen, beobachten ihn, manche wippenmit, am Ende gibt es Applaus. Kameras werden gezückt, ein älterer Herr nimmt ein Video auf (- ob er anhand dessen wohl zuhause üben will?). Jetzt endlich tönt er laut aus der Menge, der berühmte Satz: „Ich will genau das, was er hatte!“ Zustimmendes Gelächter, einige Münzen landen im Hut, fröhliche Gesichter setzen ihren Weg fort, die Menge zerstreut sich.

Ich bleibe grübelnd vor Ort: Was war es wohl, was er hatte (nennen wir ihn J.) – worauf spielte die Stimme aus der Menge mit ihrem Satz an?Jemand anderes in unserer Stadt für Kinder sprach von„Veitstanz“. Zuhause suche ich auf YouTube, finde ein Video, das mich entfernt an das Gesehene erinnert:

https://youtu.be/W3uJCwXPj9I?list=FLjOMSc00Y3kKXv35F2UGtYg

Und wie kommen wir mit dem allem einer Pflanze auf die Spur? Genauer gesagt der digitalmikroskopischen Aufnahme (siehe Foto) – was könnte sie darstellen, und wo ist der Zusammenhang zum Tanz?

Was sehen wir hier – ein Detail der Fußsohle unseres Tänzers J.? Oder hat da jemand ein Brot in seinen Sammelhut geworfen? Vielleicht ist es aber doch etwas rein Pflanzliches?

Gut, einverstanden, für ein Pflanzenrätsel sind die Tipps definitiv zu mager. Also gibt es ergänzende Hinweise. Wir suchen auch diese Woche eine Pflanze. Jeder kann mitraten oder Fragen stellen, die Auflösung folgt nächste Woche. Unser gesuchtes Objekt stammt aus der Schwarzmeer-Region und wird seit dem Jungneolithikum gezielt angebaut. Bei uns war es im 12. und 13. Jahrhundert sehr wichtig. Nach dem 2.Weltkrieg ging die Vormachtstellung dieser Pflanze zurück. Wobei, hier in Halle hat sie eine so große Bedeutung, dass sie sogar in den Kulturdenkmalsstatus versetzt wurde.

Die Pflanze ist winterfest und wenig anspruchsvoll, man muss sich wenig Sorgen um Kulturfolgen oder Pflanzenkrankheiten machen. Wenig – denn von einem Schädling wird sie doch immer wieder befallen. Und da wird es problematisch für uns, denn wir essen Teile dieser Pflanze sehr gerne, vertragen diesen Schädling aber nicht. Daher sind befallene Pflanzenteile nach der Ernte unbedingt auszusortieren, am besten mit gutem (maschinellem) Auge.

Während die Pflanze hier bei uns bei Mensch und Tier recht beliebt ist,  wird in südeuropäischen Regioneneine nahe Verwandte bevorzugt. Das Schema der Frucht dieser Pflanze haben wir alle zu Schulzeiten kennen- und zeichnen gelernt. Sogar ein internationaler Gedenktag, kurz nach Mitte April, ist dieser Pflanze indirekt gewidmet. Er wird vor allem in popkulturellen Kreisen gerne zelebriert (und von sportlich ambitionierten Teilnehmern regelmäßig missverstanden).

Unsere Fragen stehen oben, hier erbeten wir nochmals stichpunktartig die Antworten: Name? Was zeigt das Foto? Zusammenhang mit der Eingangsgeschichte?Wie heißt der erwähnte Pflanzenschädling? Und wie der Gedenktag?

Und um welches Hallesche Kulturdenkmal geht es?

(A.S.)

Auflösung der letzten Wochenpflanze:Streit in Südamerika

Ja, gesucht wurde die (Speise-)Kartoffel – unsere Rater rellah und Tanc wussten auch sofort Bescheid – Solanum TuberosumsubspeciesTuberosum L. um genau zu sein. Während  die Sprossknollen mit einem Verzehr von ca. 50 kg/Jahr (Deutschland) nahezu in aller Munde sind, wage ich die Behauptung, dass die Blüte allein für die meisten Bewohner Halles kein sicheres Erkennungszeichen wäre. Das natürliche Verbreitungsgebiet der knollentragenden Solanumarten erstreckt sich von den Anden in Südamerika bis nach Mittelamerika und man geht dort von 220 Wildarten undacht Kulturarten aus. Peru und Chile beanspruchen jeweils für sich die Ehre, das Ursprungsland der Kartoffel zu sein.  Um 1550-1570 erreichte(n) die Kartoffel(n?) Europa und über das wie und wo genau gibt es zahlreiche  Versionen/Spekulationen.Die züchterisch zunächst wenig bearbeiteten Knollen sollen auch noch bitter geschmeckt haben.Den feldmäßigen Anbau in Irland findet man 1663 belegt. Mit den durch die Kraut- und Knollenfäule bedingten Missernten von 1844/45 verbindet sich der irische Great Famine, der zur Auswanderung von ca. 1,5 MioIren führte und zahlreiche Todesopfer forderte. In Berlin ließ Kurfürst Friedrich Wilhelm 1651 im Berliner Lustgarten Kartoffeln anpflanzen und Friedrich II. verfügte 1744 die Verteilung von Saatkartoffeln und erließ mehrere „Kartoffelbefehle“. Angesichts der sich damit eröffnenden Alternative zur Abhängigkeit der Ernährung vom Getreideanbau war dies sicher gut gedacht. Die wirkliche Etablierung der Kartoffelkultur in Preußen erfolgte dann aber erst mit den Notjahren des Siebenjährigen Krieges.

Mit den Alkaloiden Solanin und Chacoin wappnet sich die Kartoffel vor allem gegen Fraßfeinde, wobei dies den Kartoffelkäfer nicht zu beeindrucken scheint. Für den Menschen und Nutztiere sind Kraut und Früchte wirklich giftig und auch die beliebten Knollen sind eigentlich mit der nötigen Vorsicht zu genießen. Insbesondere von im Licht ergrünten und keimenden Kartoffeln ist abzuraten. Die Frage, ob dem wünschenswerten Lichtschutz im Handel ausreichend Rechnung getragen wird, sollte also unter Umständen zum Wechsel des Kartoffelhändlers des Vertrauens führen.  In der Züchtung ist auch der Kompromiss zwischen den natürlichen Abwehrstoffen und der Eignung für den menschlichen Verzehr zu finden. In der Anbaustruktur Sachsen-Anhalts brachte es die Kartoffel 2012 nur auf 1 % (im Vergleich zu 33 % Winterweizen und 5 % Zuckerrüben)

(E.H.)

Nicht gemeldeter Neophyt im Bereich Fuchsbergweg.

 

 

 

 

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