Unterwandern die Bayern Sachsen-Anhalt?

15. Mai 2017 | Bild der Woche | 9 Kommentare

Diese Pflanze wird gesucht.

Wir suchen endlich wieder einmal eine Pflanze, die auch auf dem Abendbrottisch mundet. Erspäht man sie im Beet, mag man vielleicht denken: Was für ein Gras ist das denn? Denn es sieht wie viele andere aus. Wenn man aber das erntet, was man bei Tische verwerten kann, ist unsere Wochenpflanze charakteristisch, ich würde behaupten, ein jeder kennt sie. Mit der Liebe ist es dagegen etwas ander Carl von Linné hat die Gattung aufgestellt, sie enthält über 200 Arten. Die bekannteste ist dabei auch die gewöhnlichste – oder umgekehrt. Ihr deutscher Name verrät ihre „Wesensart“. Daneben trägt sie viele weitere Namen, darunter zahlreiche mundartliche Formen sowie einige ganz anders klingende Ableitungen slawischen Ursprungs. Eine Pflanze mit so vielen Namen sollte auch sehr häufig sein… Ihre Erscheinungsform ist äußerst variabel. Die Pflanze wächst weltweit, bei uns gedeiht sie hervorragend. Will man sie im Beet rasch vermehren, ist es ratsam, ihre Rhizome zu teilen. Innerhalb weniger Wochen ist so eine üppige Ernte garantiert.

Komisches Blatt – es gehört zur gesuchten Pflanze.

Kann man anhand der Bilder erraten, welche Pflanze wir meinen? Oder anhand ihrer Verwendung? Es ist ein stärkehaltiges, vitaminreiches Pflänzchen, das reich an Schleimstoffen, Kieselsäure und Saponinen ist. In Notzeiten taugt sie daher gut als Tiernahrung. Dem Menschen ist sie seit jeher als entzündungshemmendes, entgiftendes und immunstärkendes Heilkrautvon Nutzen. Ihre heilkundliche Wirkungsweise wird erstmals eindeutig in einer späteren Überarbeitung des Tabernaemontanus beschrieben, auch wenn noch viel ältere Erwähnungen vermutet werden. Man findetzudem verschiedene Rezeptvorschläge für genussvolle Einsätze. In der Auflösung wollen wir auf Rezepte eingehen. Selbst Brot und Bier werden von ihr hergestellt.

Dieses Gebräu enthält Teile unserer Pflanze der Woche.

 

Wer kann uns also helfen:

– Wie heißt die Pflanze auf den Fotos?
– Wer von unseren Lesern hat sie nicht in seinem Garten?
– Was macht ihr am liebsten mit dieser Wochenpflanze?

-AS-

 Auflösung der  letzten Pflanze der Woche („Tod am Feldrand“):

Der gefleckte Schierling (Conium maculatum)

Redhall hatte es erkannt – und zwar schnell. Es handelte sich um den gefleckten Schierling, Conium maculatum. Der einheimische Doldenblüter gehört zu den gefährlichsten Giftpflanzen Europas. Gefährlich ist er deshalb, weil er leicht mit anderen, ähnlichen Doldenblütern (Umbelliferae) verwechselt werden kann, etwa mit der wilden Möhre oder dem Wiesenkerbel.

Markant: der gefleckte Stängel der hochgiftigen Pflanze. Conium maculatum, gefleckter Schierling

In der ganzen Pflanze sind um die 1%, in den unreifen Samen bis zu 3% eines Alkaloidgemisches enthalten, unter ihnen das Coniin, ein recht einfach gebautes Alkaloid.

Dessen tödliche Dosis liegt bei 500-100 Milligramm, eine Dosis, die durch eine kleine Handvoll Samen oder einen guten Büschel Blätter in der Suppe schnell erreicht sind.

Früher, als das Sammeln von Wildkräutern noch verbreiterter war, kamen tödliche Vergiftungen häufiger vor.

Schlimmer aber noch: Schierling war ein beliebtes Mordgift. Und nicht nur das: auch ein Gift zur Vollstreckung der Todesstrafe. Der bekannte Philosoph Sokrates wurde  399 v. Ch. zum Tode verurteilt – angeblich wegen Gottlosigkeit, der wahre Hintergrund waren jedoch politische Gründe. Das kennen wir alles aus der Gegenwart. Als ehrenvolle Art der Todesstrafe galt der Schierlingsbecher, ein Gebräu aus einer Abkochung von Schierlingssamen und – als Zeichen besonderer Humanität – etwas Opium zur Sedierung.

 

Einige seiner Freunde weilten der Hinrichtung bei, die Szene des Todes hatten wir ja in der letzten Folge beschrieben.  Die Wirkung des Schierlingsgiftes ist eben tatsächlich so, wie von Plato, dem Schüler des Sokrates, so beschrieben. Das Gift lähmt das zentrale Nervensystem, und zwar im Rückenmark aufsteigend. Es ist ein Acetylcholinrezeptorblocker. Wenn die Lähmung Lunge und Herz erreicht, erstickt der Vergiftete bei vollem Bewusstsein.

Coniin hat man früher auch äußerlich medizinisch verwendet, als Lokalanästhetikum. Wegen der hohen Giftigkeit ist das nun obsolet geworden – es gibt bessere Mittel.

Sokrates trinkt den Schierlingsbecher. Gemälde von Jacques-Louis David, 1745-1825

Coniin

Wie kann man eine Verwechslung vermeiden? Eines der sichersten Merkmale ist der rotbraun gefleckte Stengel. Doch Vorsicht: bei jüngeren Exemplaren können die Flecken auch schon mal fehlen. Beim Zerreiben riecht die Pflanze nach „Mäuseharn“, heißt es oft in der Literatur. Der Geruch soll von dem leicht flüchtigen Alkaloid Coniin selbst stammen. Aber auf den Geruchssinn sollte man sich nicht verlassen – und wer weiß auch schon so genau, wie Mäuseharn riecht? Es ist eher die Summe aller Eigenschaften, die die Pflanze zu erkennen gibt: die intensiv grünen, mehrfach gefiederten Blätter, die dem Umriss eines großen Dreiecks folgen, der rot gefleckte Stengel (besonders an der Basis), hohl, und äußerlich nur leicht gerippt (kanelliert). Die Pflanze ist unbehaart und wird zur Blütezeit recht groß (bis über 2 Meter).  Am sichersten geht man immer, wenn man erst einmal lernt, die giftige Pflanze selbst genau zu erkennen, bevor man sich an ihre ungiftigen „Doppelgänger“ heran wagt. Auch dazu soll ja die „Pflanze der Woche“ dienen. Seht Euch also hier diese Bilder an – und auch die Vielen anderen, die im Netz zu finden sind. Man hüte sich, die Pflanze mit den Händen zu zerdrücken und den Saft auf die Haut kommen zulassen – das Gift kann auch durch die Haut in den Blutkreislauf gelangen. Allerdings geistern im Netz auch Bilder von eitrigen Hautblasen, die von der berührung mit dem Schierling herrühren sollen. Bei den meisten dieser Bilder scheint ein anderer doldenblütliger Untäter in Wahrheit dahinter zu stehen: Der Riesenbärenklau.

 

 

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