Tränen der Götter: Keine Sterne in Athen

19. Juni 2017 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Es ist Juni, strahlendblauer Himmel, mit weißen Wölkchen garniert, die Wellen schlagen an den Sandstrand. Und noch immer noch ist es zu kalt zum Baden!  „Keine Sterne in Athen, dafür Schnaps in Sankt Kathrein“ – das einstige Gejodel von „Trio“ hat sich schon während des ganzen Aufenthalts hier in der lausigen Gegend in Bernds Ohren gefressen. “ Er hat den Urlaub nicht gewollt, sie hat gesagt, es müsse sein..“

An der Nordwestküste der kurischen Nehrung. Rechts, über das Wasser, würde man nach Schweden gelangen. Ginge man geradeaus am Strand entlang, käme man irgendwann in Jantarny/Palmnicken (bei Königsberg) an, wo heute noch Bernstein im Tagebau gewonnen wird.

Missmutig schlendert er den Strand entlang, hin und wieder überspült der schmutzige Schaum der heranrollenden Brandung seine schon weiß gefrorenen Füße. Hier gibt es gar nichts, denkt er sich, und betrachtet die Reisegruppe, von der er sich einige Meter entfernt hat. Langweilige, pensionierte Studienräte lassen sich von einer einheimischen, leich autoritären Führungstante die Welt erklären. Na, toll.  Im Thomas – Mann – Haus waren sie schon, und es gab den obligaten Stopp in einem „Bernsteinmuseum“, dessen wahre Bestimmung als überteuerte Verkaufsbude für Touristenplunder nicht allzuschwer zu übersehen war. Gekauft hatte Bernd nichts. „Und ich wette, es gibt hier auch keinen Berrnstein, ich kenne niemanden, der an der Ostsee wirklich welchen gefunden hat“, denkt sich unser schlecht gelaunter Gruppenreisender mit aller boshaften Phantasie, die er  zusammenballen kann. „Sieht man doch, nüscht jibts“ versucht er seine innere Stimme zum bellen zu bringen, und starrt in den Spülsaum, in dem verkohltes Holz, Plastemüll und allerlei Dreck ein schmales, nicht gerade sehr ansehnliches Band auf dem feuchten Sandstrand zeichnen.  Kleine gelblich-braune Stückchen liegen dazwischen, „Kieselsteine, das wette ich!“  lästert Bernd innerlich, ringt sich dennoch durch, sich zu bücken, nach den Bröckchen zu greifen.

 

 

Im Spülsaum. Die orangefarbenen Stücke sind tatsächlich Bernstein

Kurzum: Nörgel-Bernd staunt nicht schlecht: ist das doch Bernstein?  Bernd sammelt innerhalb von 10 Minuten eine gute Hand voll von dem Zeugs auf. Echter Bernstein, oder nur gelber Plasteschmodder?  Bernd macht die Feuerzeugprobe. Von dem kokelnden bräunlichen Stückchen steigen Schwaden eines charakteristischen Geruchs auf, den man nicht beschreiben kann, aber irgendwo zwischen schlechtem Weihrauch und brennender Müllhalde liegt.

„Wie damals in Bitterfeld“.  In der Tat, das waren noch Zeiten, als Bernd mit seinen Kumpels nahezu jedes freie Wochenende in der Goitsche in Bitterfeld verbrachten. Das muss so 1997/98 gewesen sein, denn „Ihr“ Loch, das sie allerdings mit einer Handvoll ähnlich fanatischer „Goldsucher“ teilen mussten, war damals noch nicht geflutet. Mit Hacke, Spaten und Löffelchen durchwühlten sie den schluffigen, kohligen, mit Glimmer durchsetzten Boden der Grube, manchmal „Scheiße“ rufend, wenn ihr Spaten ein seltenes, kinderfaustgrosses  Bernsteinstück in der Mitte zerteilte. Manche schleppten säckeweise das Zeug ab, andere waren richtige Spezialisten, die eher auf die kleineren Stücke aus waren, wegen der „Inklusen“, jenen eingeschlossenen Insekten und ähnlichem fossilen Krabbelzeug.

„Tränen der Götter“, träumt Bernd, als er sich wieder zum Bus mit den stillgelegten Lehrerinnen schlenderte.  Der Bus  tuckert nun weiter die Landstraße über die Insel hinweg, Bernd presst seinen Kopf gegen die Scheibe, nicht so sehr aus Interesse, sondern mehr aus Müdigkeit. Vorbei geht es an den großen Dünen  der kurischen Nehrung, wo vereinzelt Nadelbäume – (sind es Kiefern?) den wandernden Riesendünen  zu trotzen scheinen. Ein harziger Duft mischt sich mit dem Deogeruch der dicken Dame in der Sitzreihe vor ihm. „So könnte es gewesen sein, als das Harz  von den Bäumen lief, ganz langsam, irgendwo auf der Rinde hängen blieb, vielleicht noch eine dämliche Fliege, die sich auf dem klebrigen Zeug ausruhen wollten, einschließend, bevor der Baum irgendwann umfiel, vom Fluss beim Frühjahrshochwasser mitsamt dem ganzen Sand weg gerissen wurde, Millionenjahre lang verschüttet blieb, bis dann das Meer die kleinen Harzstücke wieder frei spülte. Und während er träumt,  von den bernsteinfarbenen Fliegenfängern in der Küche seiner Oma, dem Bernsteinzimmer (dem Bernd sein  Zimmer, haha) , den großen Kohlebaggern und den gewaltigen Kohlezügen mit den unförmigen 100-Tonner E-Loks bei Bitterfeld,  denkt er so bei sich: ja, verdammt lang her, das alles.

Einst hatte sie eine große Familie, heute lebt sie allein.

Wir wollen aber wissen:

Wie lang ist das her, als das Harz an den Bäumen noch klebrig war?

Nach einigen Irrungen und Wirrungen glaubt man heute zu wissen, von welcher Pflanzenfamilie das Bernsteinharz stammt. Die meisten dieser Pflanzen sind ausgestorben. Bis auf eine.

Wie heißt sie, wo lebt sie?

(hw)


Auflösung der Pflanze der letzten Woche: Hopfen.

Hopfen und Malz  sind bei unserem Georg also doch noch nicht verloren, zumindest ist er tatsächlich unter die Hobbyhopfenanbauer gegangen – der Siegpunkt geht also mal wieder an Agricola, Gratulation! Es scheint aber doch so, als hätte uns Hei-Wu nach seinem Hinweis auf die verdächtige Verwandtschaft der gesuchten Pflanze – dem Hanf mit all seinen berühmt-berüchtigten Inhaltsstoffen – auch mehr verraten können.

Nun also der Echte Hopfen mit dem wohlklingenden Namen Humulus lupulus. Alle Biertrinkenden führen ihn sich regelmäßig zu Munde, wer weiß aber schon, dass das Hopfenzeitalter wohl mit dem Reinheitsgebot von 1516 begann und dass für den Brauer zunächst nur der Gehalt an alpha-Bittersäure wichtig zu sein scheint. Mit seinen Bitterstoffen und ätherischen Ölen, die in der Hopfendolde zu finden und „zu ernten“ sind, trägt der Hopfen maßgeblich zum Geschmack und der Haltbarkeit des Bieres bei. Die gelegentlich zu beobachtende stimmungsaufhellende Wirkung des Bieres wird nicht mit der Verwandtschaft zum Hanf in Beziehung gesetzt.  Interessant erscheint auch noch die auf den üblichen Bieretiketten nicht zu findende Unterscheidung zwischen Aroma- und Bitterhopfensorten. Die Region Elbe-Saale ist eins von vier deutschen Anbaugebieten, wobei natürlich die Hallertau in Bayern hervorsticht, welche sogar als das größte Hopfenanbaugebiet der Welt gilt. An Draht oder Stange als Kletterhilfe schaffen es die Pflanzen auf 8 Meter Höhe, also können es Georgs Pflanzen auch noch bis ins Obergeschoß schaffen.Allerdings ist es angesichts der Rätselbilder unwahrscheinlich, dass es schon/noch in diesem Jahr geschieht. Aber wie Agricola schon angedeutet hat, sterben zwar die Blätter und überirdischen Triebe des Hopfen im Herbst ab, die Wurzeln werden aber auf das Frühjahr warten und dann kräftig austreiben  – bis zu 10 cm täglich.

Mittig im Bild die herzförmigen, hier tief gebuchteten und spitz gezähnten Blätter des „kleinen Wolfes“ H. lupulus. Sein Name deutet an, dass er andere Pflanzen zu würgen vermag. (Bild. A.S.)

Die Hopfenbauern setzen für den Anbau tatsächlich nur auf die weiblichen Pflanzen, da eine befruchtete Dolde nicht die gewünschte Aromaqualität liefert. Die Vermehrung muss dann über Stecklinge erfolgen, bei der Zucht neuer Sorten bekommt die eine oder andere männliche Pflanze dann aber vielleicht doch eine Bedeutung.

Fernab der „Flaschen“ sind auch Hopfenpräparate als Beruhigungsmittel bekanntund der eine oder andere Kenner weiß auch die jungen Triebe des Hopfens als „eine Art Spargel“ zu schätzen.

(AS)

 

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