Thank You for travelling with Pflanze der Woche

30. Januar 2017 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Zur Auflösung der letzten Wochenpflanze:

Die Mistel: die Petersilie  im Zaubertrank des Miraculix

Die letztwöchig gesuchte Mistel (Gattung Viscum) galt als mystische und heilige Pflanze vieler europäischer Kulturen, insbesondere bei den Kelten. Apropos, DIE Kelten: Auch wenn sie sich während der Eisenzeit beinahe über den gesamten europäischen Kontinent ausbreiten konnten, waren sie nie eine politisch oder militärisch einheitliche Nation (-wie wir dank Goscinny und Uderzo seit Jugendjahren wissen). Die keltischen Druiden schnitten, so der teilweise belegte Mythos, heilige Misteln bei zunehmendem Mond mit goldenen Sicheln. Die abfallenden Zweige wurden mit weißen Tüchern aufgefangen und gegen Gifte und Geister angewendet. Die magische Pflanze trug den Namen Allesheiler. Auch wenn die Römer die Kultur der Kelten vernichteten, die Mistel blieb. Bei den Germanen, die keine Druiden kannten, wurde der unverwundbare Balder aus dem Göttergeschlecht der Asen durch einen Mistelpfeil getötet. Mit ihm verschwand alles Schöne und Friedliche von der Welt. Die heidnischen Bräuche und Sichtweisen wurden mühelos ins Christentum übertragen, auch im Mittelalter hingen Mistelzweige über Türen, um böse Geister und Hexen zu vertreiben. Die heutige, meist weihnachtliche Verwendung frisch geschnittener Mistelzweige als Dekoration dient der Zusicherung ewiger Liebe, falls man sich unter den hängenden Zweigen küsst – nach anderen Quellen auch der Konventionsfreiheit, zu herzen wen man da gerade vor sich hat. Und wenn’s auch gegen Hexen hilft… (Eigentlich nicht lustig, handelt es sich beim Hexenglauben doch um eines der massivsten Menschenrechtsprobleme unserer Zeit.)

Was ist das für eine Pflanze, die nicht auf dem Boden und nicht dem Sonnenlicht entgegenwächst, die im Winter blüht und sich pro Fruchtstand nur einen Samen zur Vermehrung gönnt? Die sich von anderen Nährstoffe stiehlt, zusätzlich aber selbst Photosynthese betreibt? Das geht so: Ihre klebrigen Beeren werden von Vögeln oral oder rektal auf Bäume übertragen, dort keimt der Same und bildet eine Art Staubsauger aus (Marke Haustorium). Es ist ein Schlauch, am Ende sitzt ein scheibenförmiges Saugorgan, mit dem das Xylem des Wirtes, das holzige Leitbündel, angezapft wird. Diese halbschmarotzenden Misteln mögen viele Wirte, die meisten Nadel- und Laubgehölze, auch den Apfelbaum, aber z.B. nicht die Kirsche, die Platane oder die Rotbuche. Klimabedingt sind viele einheimische Bäume geschwächt, außerdem haben wir zusätzliche beflügelte Milde-Winter-Gäste auf den Bäumen: Der Mistel gefällts, sie ist im Vormasch. Für die Holzwirtschaft bedeutet das Werteinbußen. Die Nachfrage von anderer Seite wächst jedoch: Weihnachtsbräuche und wieder stärker aufkeimende medizinische Nutzung bringen immer mehr gewerbsmäßige Sammler in die Spur. Das ist mit Auflagen erlaubt, denn geschützt ist die Pflanze nicht. Nur der Wirt darf nicht beschädigt werden, also nicht den gesamten Ast absägen!

Es gibt eine Vielzahl fundierter und weniger fundierter Untersuchungen zur Wirksamkeit von Mistel-Inhaltsstoffen (Lektinen und Polypeptiden) in der Krebstherapie. Ein abschließender, wissenschaftlicher Beleg scheint zu fehlen, andererseits scheinen die zwei grundsätzlichen Therapieansätze (Lektin-optimierter und Wirtsbaum-bezogener Ansatz) Erfolge zu zeigen. Rudolf Steiner war einer der ersten, der eine onkologische Misteltherapie in die Wege geleitet hat.

Ihren Namen leitet die Pflanze von zweierlei Dingen ab: Das lateinische „Viscum“ als Gattungsname mehrerer Zehner Arten bedeutet Leim, es ist also ein verbindender Stoff. Die zerdrückte Beere gibt den viskosen Schleim frei, er setzt sich wie Kaugummi zwischen die Finger und macht einen unglücklich. Doch die Römer schätzten ihn zum Vogelfang mittels Leimruten. Vogelleim wird noch heute in Südeuropa von „Hobby-Ornithologen“ genutzt. Das deutsche Wort Mistel richtet sein Augenmerk dagegen mehr auf die Vermehrungsroute der Pflanzensamen, die eben manchmal allerlei „Mist“ mitmachen müssen. Sie überstehen die Verdauungspassage aber unbeschädigt.

Jetzt fehlt noch die Sache mit dem Luftverkehr: Beginnend mit den Weltkriegen setzte man einem Transportflugzeug oder Bomber ein kleineres Motorflugzeug als Führungsmaschine auf und nannte das verbesserte Gespann Mistelschlepp. Die Junkers Ju 88 beispielsweise wurde dazu in Merseburg als Mistel umgebaut (Tarnname „Beethoven“). Wer wusste es?

 

Deeplink aus botanikus.de

Deeplink aus botanikus.de. Der misteltypische Kugelwuchs. Laut einer Legende ist er darauf zurückzuführen, dass nach der Wiege Jesu auch das Kreuz, an das er genagelt wurde, aus Mistelholz gefertigt wurde. Die Pflanze schämte sich dieser Rolle so sehr, dass sie in einzelne Büsche zerfiel.

 

Mistelblüte: Quelle (Deeplink): Botanikus.de

 Weit verbreitet ist bei uns die weißbeerige Mistel (Viscum album) aus der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae). Ihre Blütezeit (männliche und weibliche Blüten nebeneinander) beginnt im Januar, wenn die Wirtsbäume noch unbelaubt sind, damit sie von Insekten einfacher zu finden ist.

(A.S.)

 

 

 

 

 

 

Weiter geht es mit der Pflanze dieser Woche, 29.Januar – 5.Februar 2017:

Grünes Brötchen als Götterspeise oder: Thank You for Travelling with Wochenpflanze.

29.01-05.02.2017 pflanze der wocheEs ist kalt draußen, aber unser Pflanzenfreund sitzt mit seinen Lieblingen im Warmen. Liebevoll hat er sie in kleinen Töpchen mit Spezialerde auf der hellen Festerbank aufgestellt. Es sind besondere Schätze. Vor vielen, vielen  Jahren hat unser Freund die Samen im Internet bestellt, und gleich drauf wurden sie geliefert – diskret in einem neutralen Umschlag. Die Körnchen streute unser Pflanzenliebhaber in das angefeuchtete Substrat, ein Spezielles. Nur mineralisch sollt es sein, das las er in der Anleitung. Eine Klarsichtfolie sollte die Schützlinge vor dem Austrocknen bewahren.  Aufregende Zeiten bangen Wartens :  wird das was? Nach zwei Wochen schlüpften die ersten, kleinen grünen Minipflänzchen. Täglich hat unser Züchter die darüber gespannte Klarsichtfolie gelüftet, dann irgendwann ganz heruntergenommen, und jetzt wird nur alle zwei Wochen mal ganz wenig gegossen. Mehr nicht, das mögen seine Lieblinge  icht, verfaulen daüber oft gar jämmerlich. Es sind wahrlich Mimosen. Sehr langsam ging es nun weiter, jahrauf, jahrab.  Jetzt erst, nach all den Jahren, mittlerweile regiert schon der neue Oberbürgermeister,  haben die Pflanzen  mit einer Ausdehnung von vielleicht 6 cm  eine akzeptable Größe erreicht. Sie sehen aus wie kleine, grüne Brötchen, mit dieser sternförmigen Einkerbung, wie eine süddeutsche Semmel. Um sie herum schart sich schon die vegetative Nachkommenschaft wie Küken um die  Glucke.  „Ob ich sie nun genießen soll ?“, denkt sich unserer Fensterbankgärtner. „Nein, lieber nicht, es wär doch zu schade drum, für ein, wenn ich das alles recht lese, was so im Netz geschrieben wird, recht zweifelhaftes Vergnügen“, meldet sich diese lästige innere Stimme mit diesem kopflastigen Unterton. Dass unser Gärtner nun die Finger davon läßt, hat aber auch mit einer neuen Entdeckung zu tun: Eine kleine, unscheinbare rosa Knospe. „Die will ich doch aufgehen sehen…“

Was liest man denn so im „Netz“ über unsere Pflanze? Dass unser Pflänzchen aus einer Gegend stammt, in der sich aktuell eine gewisse politische Konfliktlage zusammenbraut. Schon in der dortigen Antike, zumindest schon um 200 v. Ch.,  haben die Einwohner das Pflänzlein geradezu kultisch verehrt. Andere Autoren sprechen sogar von einer 4000-jährigen Tradition. So gebrauchen, wie es die Menschen einstmals taten, sollte man unser Pflänzchen nicht. In unserem Kulturkreis fehlt es da an sicherer Erfahrung, auch wenn es in den hinteren Winkeln des Netzes Erfahrungsberichte gibt.  Die lesen sich allemal spannend. Denn wohin die Reise nach dem Verzehr unserer Wochenpflanze geht, wissen nur die Götter…

Unsere Fragen:

  • Wie heißt unsere Pflanze?
  • Warum raten wir vom Verzehr ab?
  • Was sind die wesentlichen Inhaltsstoffe?
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