Schrot für die Welt

5. Juni 2017 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Ein graues Mäuschen, das viele Menschen vor dem Hungertod gerettet hat

Nochmal zurück, zu dem Feld, wo am Rand der Schierling stand. Dieses Jahr hat der  Flintenmann irgendwelches Zeugs ausgesäät hat, wohl zur Äsung des Wildes. Dieses Jahr ist hier eine Saat aufgegangen, die man eigentlch selten sieht. Wir meinen die Pflanze in der Bildmitte.

Schrot für die Welt – ist heute etwas aus der Mode gekommen. Aber einst ernährungsgrtundlage vieler menschen in gegenden mit schlöechten Böden.

Und wieder haben wir es mit einem Eindringling zu tun. Und wie es leider oft so ist, kann er sich sehr nützlich machen, wird aber dennoch mit seinen Bezeichnungen mit einem Migrationshintergrundstempel belegt. In seinen Beinamen trug er Bezeichnungen wie Welsch, Sarrazenisch oder heidnisch. Allzuviel wissen wir nicht über die genaue Herkunft unserer Pflanze, nur so viel, dass sie archäologisch nachweislich wohl schon im alten China kultiviert wurde, und irgendwann im 4.-7. Jahrhundert vor Christus inn Osteuropa aufschlug. Erst im Mittelalter, wohl so ab dem 11. Jahrhundert, kam das zarte Pflänzchen, das wissenschaftlich ein Vielecker ist, in unsere heimischen Gefilde. In Gegenden, die nicht, wie hier um Halle herum, mit fetten Schwarzerdeböden gesegnet waren, war sie ein echter Heilsbringer. Denn das unscheinbare, hässliche Entlein unter den großen und stolzen Nutzpflanzen ist sehr bescheiden. Wurde ein Wald gerodet, sähte man erst einmal unser Pflänzchen an, oft direkt in die Asche des verbrannten Unterholzes. Dann brauchte es keine zehn Wochen, und man konnte ernten.

Sämlinge

Allerdings: seiner südöstlichen Herkunft entsprechend, mag es keine Kälte, und Frost überlebt es  nicht. Deshalb wird – wenn es denn überhaupt mal bei uns angebaut wird – erst Ende Mai, Anfang Juni, gesäät.

2. Juni: Die Saat ist aufgegangen. Das Zeug war schon eine Armeleute-Speise. Brot backen konnte man damit nicht, allenfalls Pfannkuchen. Oder eben eine Art Grütze aus den geschroteten Körnern. Haute Cuisine war das sicher nicht, obwohl: in Russland ist es eine sehr populäre Speise. Eine gewisse „Renaissance“ erlebt die Frucht in Reformhäusern , weil immer mehr Menschen glauben, unter einer Glutenunverträglichkeit zu leiden.

Soweit und gut.

Unsere Fragen:

  • Wie heißt unsere Pflanze ?
  • Wie heißt das russische „Nationalgericht?“
  • Und was hat das mit den vielen Ecken auf sich?

(Red)

Auflösung der letzten Wochenpflanze:

Wer hat den Donnerbart zertreten?

Donnerbart, ein weiterer Name für die Dach-Hauswurz Sempervivum tectorum, weist darauf hin, welche Zauberkraft diesem schönen Dickblattgewächs zugesagt wird. Ist es überhaupt eine Zauberkraft? Bisher ging man davon aus, dass es sich um einen Aberglauben handelt, einen Volksglauben. „Pflanzt Dachwurz auf die Hausdächer!“ war eine Auflage Kaiser Karls des Großen für die Pächter der kaiserlichen Hofgüter. Das sollte vor Blitzschlag und Feuergefährdung schützen, und schon in der Antike will man das geglaubt haben.

Lieber diese Blume, als den Roten Hahn auf dem Dach: Et ille hortulanus habeat super domum suam Jovis barbam. Verkennt mir mal den Wolfgang nicht!

„Neuere Forschungen lassen vermuten, dass die rundum gewimperten Blattränder der Dachwurz je nach Ladung der Gewitterwolke positive oder negative Elektrizität „absprühen“. Das ursprüngliche Gewitterfeld in der Umgebung vieler Dachwurzpflanzen würde aber damit verändert.“  Es könnte also sein, dass die Blume kleinräumig als Blitzableiter wirkt, dass es also einen Sinn ergibt, sie auf Dächer zu pflanzen. Unser fiktiver Wolfgang aus der fiktiven Geschichte scheint also sehr belesen zu sein und auch über neueste wissenschaftliche Ergebnisse Bescheid zu wissen. Vermutlich hat er sein altes Häuschen, das noch nicht mit Blitzableitern ausgestattet ist (obwohl es auf einem Kulminationspunkt errichtet wurde), aus der Not heraus mit Hauswurzen umstellt. Ärgerlich kann man da natürlich werden, wenn die Fußgänger sich mal wieder zu sehr ausbreiten und in seinen – zugegebenermaßen nur undeutlich abgegrenzten – Garten treten. So ein niedriges Dickblattgewächs mag für manchen Passanten dabei wie ein Unkraut ausgesehen haben. Wahrscheinlich wurde es noch nicht einmal bemerkt, dass hier Zierpflanzen zertreten wurden.
Sempervivum tectorum, die Dachwurz Sempervivum, die Gebirgspflanze mit dem ewigen Leben, ist bei uns eine beliebte Steingartenpflanze. Sie verbraucht Kohlenstoff, aber kaum Wasser und Nährstoffe. Ihre anspruchslosen, fleischigen Rosetten bilden einen hübschen Kontrast im Vollsonnenbeet und variieren in Wuchsform, Rosettengröße und Blattfarbe(n). Die Färbung der zahlreichen, kurzstieligen Blätter ändert sich vom Frühjahr (rötlich) bis hinein in den Herbst (grün). Das Grün der Blätterbleibt im Winter erhalten. Wenn sich im Frühjahr aus einer Rosette eine Blüte erhebt, karikiert sie ihren Namen: Sie haucht ihr Leben aus. Das verwelkte Pflänzchen wird aber rasch von dem benachbarten Blattwerk des Bodendeckers überwuchert, sodass zumindest der Schein der Unversehrbarkeit gewahrt bleibt. Aufgrund ihrer Gerb- und Schleimstoffe werden Hauswurzblätter gern zu Salben verkocht, sozusagen als Aloe vera des Nordens: Das Gel im Inneren der Blätter lindert Insektenstiche, kühlt Sonnenbrände und hilft bei Reaktionen auf Brennnesselkontakt. Am bekanntesten ist jedoch ihre Wirkung als mythische Donnerblume.

Donnerblumen

Wem wird alles eine Schutzwirkung bei Gewitter nachgesagt? Neben der Dachwurz gilt auch der dem Gott Donar geweihte Haselstrauch gewitterabwehrend. Ebenso sollen Nussbaum und Schwarzer Holunder, am Haus gepflanzt, vor Blitzschlag und Feuer schützen. Einen anderen Mechanismus vertreten Frühlings-Enzian (das Schusternagerl) und Goldkrokus: Sie sollen Unwetter regelrecht anziehen. Will man dem Schicksal also reinreden, sollte man sorgfältig auf seinen Garten achten. Es gibt noch viele weitere Blitzsagen, z.B. über Männertreu, Feuerlilien, Palmkätzchen… Wer kennt weitere?

(A.S.)

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