Scheibenerde

16. Januar 2017 | Bild der Woche | Ein Kommentar
Sonnenreflektionsfläche

Sonnenreflektionsfläche

Die Auflösung der letzten Pflanze, in aller Kürze: Grünkohl. Es war schon etwas gemein, nicht die ganze Pflanze oder deren Blätter zu zeigen, sondern nur die Samenstände – die der Mensch ja direkt gar nicht nutzt.  Wesentlicher sind die Blätter, und die haben wir unter der dem Deckel gehalten. Damit es nicht so mieft.  Die abgebildeten Samenstände  bestehen aus einer mittigen Trennwand und den beiden äußeren Hüllen. Es sind also  Schoten, keine Hülsen.Die Samen sind schwarz. Das allein hätte uns vielleicht zur großen Familie Kreuzblütler (Brassicaceae) geführt, vieleleicht sogar noch zur Gattung Brassica. Aber wie weiter? Zur Gattung gehören dummerweise viele wichtige Kulturpflanzen,  wie etwa  Senf (Brassica juncea und -niger, könnte dann zu den Volksfesten passen), Chinakohl und Mairüben (Brassica rapa), Raps und Steckrüben  (Brassica Napus), und dann eben auch der die Art Brassica oleracea, zu der fast alle in Europa gängigen Kohlsorten gehören. Die wiederum teilt man noch aus praktischen Gründen auf, in rein züchteriche Unterarten, die aber alle imteinander wild kreuzbar sind: Die imposanteste ist Brassica oleracea var. longata, zu der beispielsweise der bis zu 3 Meter aufschiessende Jersey-Kohl gehört, und die var. Sabellica, zu der die meisten Sorten des Grünkohls gehören (in einer der abgebildeten Pflanzenexemplare hat sich übrigens ein solcher Jersey-Kohl eingemendelt). Die anderen Kohlarten wie die Kopfkohle (-capitata), Blumenkohl (var botrytis) sollen uns hier gar nicht interessieren. Grünkohl ist die gesuchte Pflanze gewesen, darauf sollte der Hinweis mit den dreidimensional-gekräuselten Blättern führen.

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Brassica oleracea var. longata x sabellica „hei-wu“

 

 

Alle stammen von einer einzigen Wildart ab, dem Wildkohl, der an den Küsten des Mittelmeers, des Atlantik und an der Nordsee aufwärts bis nach Helgoland vorkommt, im Landeinneren dort aber selten ist. Grund: die Wildform erträgt keine allzu strenge Fröste.

sprossend

Überwinterter Grünkohl, im April. Er „schießt“, an den Triebspitzen sind bereits die Blütenknospen zu erkennen.

Bleiben wir bei unserem Grünkohl. Er ähnelt von allen Zuchtformen seinen wilden Ahnen noch am meisten. Im Frühjahr gesät, wächst er schnell heran, bildet hohe Stengel (je noch Sorte unterschiedlich). Die untersten Blätter werden zuerst geerntet, bei einigen Sorten nur ans Vieh verfüttert, während die oberen Blätter und der Kopf, die Rosette, den Menchen zum Verzehr dient. So war das jedenfalls früher, bei den alten Sorten, wie etwa der Oldenburger- oder Ostfriesenpalme. Schleicht man im späten Herbst durch die Felder des kühlen Nordens, wird auch klar, woher solche Bezeichnungen stammen: sind die unteren Blätter am hohen Stamm für das Vieh abgeerntet, freut sich der Mensch auf den hohen, zarteren  Schopf der „Palme“.  Milde Wineter übersteht diese Pflanze halbwegs, und dann treibt sie im Frühjahr Blütenstände aus (gelblichweiße Kreuzblüten), die dann die Schoten mit den Samen für die Wiederaussaat bilden.

Die übliche Zubereitungsart der Blätter ist Dünsten, Kochen, mit ordentlich Fett (das macht den Kohl nicht fett, altes Sprichwort) und je nach Region: zusammen mit Grützwürsten (in Bremen „Pinkel“ genannt), Kasseler, Bauchfleisch pp.

Volksfeste: Im westlichen Norddeutschland sind regelrechte Grünkohlfeste üblich. Mit dem bierbeladenen Bollerwagen  fährt man von Kneipe zu Kneipe, um sich den neuen Grünkohl einzuverleiben. Dabei muss die deftige Biomasse sogar als werbendes Alleinstellungsmerkmal herhalten: die Niedersächsische Landesvertretung lädt regelmäßig zum „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ ein. Ob das die Abgeordneten besänftigt, den Abgaskandal der Volkswagenwerke zu relatvieren?

All diesen Gerichten haftet üblicherweise jedenfalls ein schwerer Geruch an, der besonders beim Kochen entsteht: je länger gedünstet wird,  um so mehr geht der „Kohlgestank“ in die Luft. Das hat Gründe. Fast alle Kohlarten enthalten Senfölglykoside. Die waren schon einmal Thema hier. 

Ihnen ist gemeinsam, dass es Isothiocyanate sind, die an Zucker gebunden sind. Solange die Bindung besteht, bemerken die meisten Menschen kaum etwas von ihnen. Wird die Bindung zum Zucker aber gespalten, entfalten die „Senföle“ ihre Wirkung. Die einen stechen in der Nase (so im Falle des Senfs, des Meerretichs oder der Kapuzinerkresse), andere wiederum „stinken“. Während also frische Kohlblätter keinen besonderen Geruch abgeben, wird die glyckosidische Bindung beim Kochen aber aufgebrochen. Gestank macht sich breit. Den mag man als urdeutschen Kohldampf zum Kulturgut stilisieren, oder man dämpft so lange, bis alles weg ist.Dann stinkt die Wohnung (und das Treppenhaus, die Mitbewohner werden es danken), aber das Essen weniger. Eine besondere Küchenpraxis, die bis ins 19. Jahrhundert geübt wurde, macht den Stinkekohl sehr schmackhaft: man kocht ihn sehr lange, und zwar in Milch. Nach bis zu zwei Stunden hat jeglicher Kohlgestank den Topf verlassen, die Milch gerinnt – zusammen mit den galligen Gerbstoffen – zu einer grünlichgelben  Masse. Es entsteht ein wunderbar käsig-sahniges Gericht, das nur einen Nachteil hat: Vitamine sind da kaum noch vorhanden. Diese „brutale“ Zubereitung gelingt mit vielen Kohlarten, auch mit dem bei Kindern unbeliebten Rosenkohl. Eine Webseite, die die fiktive kulinarische Kultur der Insel Santa Lemusa besingt, sei diesbezüglich kochinteressierten Lesern an dieser Stelle wärmstens empfohlen.

Das ist eine Alternative, diesen ekligen Grünkohl zu genießen, zudem auch noch ohne Blähungen und aufstoßendem Kohldampf am nächsten Tag. Die andere Art der Zubereitung wäre, es gar nicht erst dazu kommen lassen, dass die glykosidische Bindung gespalten wird. Das bedeutet: Rohverzehr. Insbesondere US-amerikanische Seiten empfehlen, den Grünkohl als ganzes, frisch, durch den Mixer zu jagen, um daraus „Smoothies“ zu bereiten. Vitamine bleiben erhalten, und ob das so gepriesene „Superfood“ nun so der Renner ist, sollte experimentierfreudigen Lesern des Hallespektrums zur Beurteilung überlassen bleiben.

(Red)

Die neue Pflanzenwoche, 16.-22-Januar 2017

Scheibenerde

(von A.S.)

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Ein Teil der gesuchten Pflanze, oder ein Kabel in der Raumstation IS ?

Kürzlich konnte ich in einem beliebten Café im Grünen Halles folgende Worte zweier Disputanten, nennen wir sie Hawe und Effess, belauschen. Ich möchte sie sinngemäß wiedergeben – denn es ging um haarsträubende Inhalte, die auch bei mir ein großes Fragezeichen hinterlassen haben.

Hawe: „Wie, die Erde ist flach?“ – Effess: „Na, flach eben.“ – Hawe: „Du meinst im Vergleich zu den bis zu 26 Kilometer hohen Bergen auf dem Mars?“ – Effess: „Nein, flach wie „nicht rund“. Da wird uns etwas vorgegaukelt.“  – Hawe, leicht irritiert: „Hä?“ – Effess, eifrig: „Die gesamte Theorie der Kugelerde ist zu hinterfragen, es gibt zahlreiche Beweise, die dagegen sprechen.“ – Hawe, neugierig enerviert: „Das klingt doch absurd! … Aber interessieren würden mich deine Beweise doch.“

Als hätte er darauf gewartet, legt Effess ein wohlrecherchiertes Exzerpt aus Wikipedia- und Googlefunden vor. Mir ist es gelungen, einen Blick drauf zu werfen, daher kann ich euch hier eine Zusammenfassung geben:

Erster Beweis: Beim Horizontalblick über große Entfernungen müsste man Gegenstände hinter dem Horizont abtauchen sehen. Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele die belegen, dass dem nicht so ist! Ein beliebtes Beispiel ist der Blick über den Bodensee: Blickt man von Friedrichshafen 21 km über den See nach Konstanz, dürfte man dort nur die Spitzen von Türmen erblicken, die mindestens 35 m hoch sind.  Das lässt sich gut anhand der Erdkrümmung berechnen.  Bei 12.700 m Kugeldurchmesser ist die Krümmung bei einer Sichtentfernung von 10er Kilometern definitiv relevant. Dennoch: Wenn man sich nicht selbst davon überzeugen kann, berufe man sich auf Fotos der Internetcommunity, die den Blick auf den kompletten Turm inklusiv Basisbelegen. Ähnliche Beispiele gibt es weltweit.

Zweiter Beweis: Der Polarstern, er steht nahe des Himmelsnordpols. Eigentlich dürfte er von der Südhalbkugel aus nie zu sehen sein. Trotzdem gibt es Beschreibungen von Sichtungen bis hinunter zum südlichen Wendekreis. Weitere „unmögliche“ Sternbilder, wie der dem Nordstern benachbarte Große Wagen, wurden sogar von der Antarktis aus fotografiert. Wäre die Erde eine Kugel, dann müsste man dazu hindurchschauen können, sozusagen ein gläserner Globus!

Reflektionsfläche der Sonne auf der Wolkendecke der erde

Reflektionsfläche der Sonne auf der Wolkendecke der Erde

Dritter Beweis: Fotos aus großer Höhen belegen, dass die Sonne nicht knapp 150 Millionen Kilometer entfernt sein kann. Man sieht nämlich deutlich einen örtlichen Brennpunkt auf der Wolkendecke. Diese Fotos müssen also gefälscht sein!

Die Beweise vier bis 200 lasse ich aus Platzgründen hier weg.
Ach ja, zurück zu weniger komplexen, um nicht zu sagen trivialen Fragen. Die neue Pflanze der Woche steht durchaus im Zusammenhang mit dieser Diskussion! Das Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt unserer Pflanze. Nur den oberen Abschnitt der Sprossachse, denn der untere Teil wäre verräterisch. Wir wollen nicht viele Tipps geben, da wirklich jeder diese Pflanze kennt. Und wahrscheinlich war jeder schon einmal Besitzer dieser Pflanze. In hiesigen Breiten wird sie gekauft, in meiner Heimat wächst sie wild. Sie wird in der Homöopathie verwendet (- das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie vielleicht giftig ist?) und soll sogar über eine eingebaute Heizung verfügen.

In der Belle Époque tauchte dieses Gewächs als namensgebendes Ornament auf, man findet es häufig in historischen Balkongeländern. Einst war diese Pflanze also sehr modern, zwischenzeitlich richtig altbacken, jetzt aber wieder „hipp“.

Unsere Fragen dazu:

1. Welche Zimmerpflanzen habt ihr?

2. Wie kann man für die Wochenpflanze den Zusammenhang zur Eingangsgeschichte herstellen?

3. Wie heißt unser Pflänzchen also auf Deutsch (mehrere Namen) und in der Fachsprache (Gattung)?

4. Wie nannte man ihre Darstellung im Art Nouveau?

5. Gefällt euch diese Blume oder findet ihr sie unmodern?

 

 

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