Pflanze der Woche vom 13.09. – 20.09.2016

13. September 2016 | Bild der Woche | 20 Kommentare
Hier schön zu sehen: Die gegenständigen (sogar kreuzgegenständigen) Blätter des Gelben Enzians. An relativ langen Stielen erscheinen die Blütendolden in den Achseln der Hochblätter in trugdoldigen Teilblütenständen. Die gelben Blüten öffnen sich im Juni und Juli, aber erst nach rund 9 Jahren blütenlosen Wachstums! (Foto aus dem Botanischen Garten Leipzig.)

Hier schön zu sehen: Die gegenständigen (sogar kreuzgegenständigen) Blätter des Gelben Enzians. An relativ langen Stielen erscheinen die Blütendolden in den Achseln der Hochblätter in trugdoldigen
Teilblütenständen. Die gelben Blüten öffnen sich im Juni und Juli, aber erst nach rund 9 Jahren
blütenlosen Wachstums! (Foto aus dem Botanischen Garten Leipzig.)

User/in Kenia war verdammt schnell und hatte selbstverständlich recht. (Wir müssen das Rätsel wieder schwerer machen):

Die Auflösung:

Mit ihren ro-ro-roten Lippen fing es an… – Gelber Enzian (Gentiana lutea) oder Weißer Germer (Veratrum album)? Die gesuchte Alpenpflanze ist Enzian, genauer der Gelbe Enzian (Gentiana lutea), der hierzulande nur in Botanischen Gärten und wiederum im Brockengarten zu finden ist, als große krautige Pflanze mit einem halben bis eineinhalb Metern Wuchshöhe. Typisch sind die kräftigen, ovalen Blätter mit 5 bis 7 kräftigen, bogenförmigen Nerven. Beim Enzian sind sie kreuzgegenständig angeordnet, was an der Abbildung der Blattrosette vielleicht zu erahnen ist. Die meisten werden bei Enzian an die schöne, kleine, blaue Blume denken (- die anderen an das Wurzeldestillat…). Am bekanntesten ist vielleicht der nur wenige Zentimeter hohe, blaue Frühlings-Enzian (Gentiana verna), das Schusternagerl, oder der Echte Alpenenzian (Genitana clusii), ein ca. 5 bis 15 cm hoher Glocken-Enzian, der oft Etiketten von Schnapsflaschen oder alpenländisches Geschirr ziert. Was wir hier vorstellen, ist ein Enzian von bis zu 1,50 m Wuchshöhe. Dieser Gelbe Enzian dient als Heilpflanze und – anders als die kleinen, blauen Enzianarten – zur Herstellung von Enzianschnaps. Er bildet lange, widerstandsfähige Rhizome
mit bis zu 1 m Länge und einigen Zentimeter Dicke aus. Diese Enzianwurzel ist es, was die Pflanze so wertvoll macht. Um ein armdickes, meterlanges Exemplar zu ernten, muss man aber viele Jahrzehnte warten.
Im Berchtesgadener Land zum Beispiel haben „Wurzngraber“ durch uralte Grab- und Brennrechte die Erlaubnis, auf den Almen die dicksten Enzianwurzeln in einem Abstand von sieben Jahren vom Gesamtstock zu trennen. Andere Regelungen gelten z.B. in Tirol oder der Schweiz. Nach kräfteraubendem Wurzengraben, Abbürsten und mühseligem, monotonem Kleinhacken der Wurzeln folgt das geduldige Einmaischen und Destillieren (durch einen erfahrenen Brenner!). Für die heutige
Schnapsbrennerei werden auch großflächig Enzianfelder kultiviert, da für 1 Liter der Spirituose rund 60 bis 70 Wurzelstöcke (Rhizome) benötigt werden. Schon seit dem Hochmittelalter gab es teils geheime Rezepte zur Destillation der angesetzten Wurzeln.

„Ja ja so blau, blau, blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglüh’n wir uns wiederseh’n...“ ( http://www.obi.de/de/pflanzenlexikon/images/stengelloser-enzian.jpg

„Ja ja so blau, blau, blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglüh’n wir uns wiederseh’n…“
(http://www.obi.de/de/pflanzenlexikon/images/stengelloser-enzian.jpg)

Ja, berühmt ist er, der Enzianschnaps, der Enzner, das Lebenswasser „Eau-de-vie de gentiane“, der Likör Suze… Es ist ein klarer Schnaps aus „Enzianwurzeln, Bergquellwasser und Reinzuchthefe“. Das Bitterwasser dient mehr als Medizin denn als Getränk. Der eine genießt ihn als Digestif, die andere nimmt ihn verdünnt als antiseptisches und stärkendes Heilmittel. Worauf beruht diese Wirkung? Es sind die sekundären Pflanzenstoffe Gentiopikrin und Amarogentin mit isoprenoider chemischer Verbindung, die eine extreme Bitterkeit verleihen. Das Amarogentin gilt als eine, oder sogar DIE bitterste bekannte Substanz, selbst in einer Verdünnung von 1 zu 58 Millionen soll sie deutlich wahrnehmbar sein (d.h. 1 Schnapsglas in der Wassermenge von 5800 Badewannenfüllungen, prost!).
Diese Stoffe befinden sich in der Wurzelrinde der Gentianae radix und halten Fressfeinde ab: Nicht nur durch die Bitterkeit, denn für den fressenden Organismus sind die Stoffe auch zellschädigend.

Interessant ist, dass diese extreme Bitterkeit nicht mit extremer Giftigkeit für den Menschen gekoppelt ist. Wissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass Amarogentin in einer noch wahrnehmbaren Dosierung wirklich gesundheitsförderlich ist. Traditionelle Brennereien produzieren aus aufwändiger Naturernte und vermarkten das teure Destillat mehr als Heilmittel, aber auch als Getränk. Und dazu kommt der Wurzelbrand in die Flasche aus Glas oder Steinzeug – mit dem irreführenden Aufdruck des blauen Stängellosen Enzians (Gentiana clusii), der Alpenblume schlechthin. Diese ist jedoch nur eine schöne Zierpflanze, vielleicht eine Allegorie der Romantik, vielleicht eine Gewitterblume – Schnaps lässt sich daraus schon gar nicht brennen.
„Ja ja so blau, blau, blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglüh’n wir uns wiederseh’n…“

Der Weiße Germer trägt seine tief gefurchten Laubblätter dreizeilig wechselständig angeordnet. Die Blütenstände unterscheiden sich deutlich vom Gelben Enzian, mit zahlreichen weißlich-grünlichen Trichterblüten in Rispen angeordnet. (http://www.biolib.cz/en/image/id175591/)

Der Weiße Germer trägt seine tief gefurchten Laubblätter dreizeilig wechselständig angeordnet. Die
Blütenstände unterscheiden sich deutlich vom Gelben Enzian, mit zahlreichen weißlich-grünlichen
Trichterblüten in Rispen angeordnet. (http://www.biolib.cz/en/image/id175591/)

Die tierischen Almbewohner mögen den Gelben Enzian nicht, er schmeckt zu bitter, vermehrt sich aber stark. Auch daher ein Lob dem Wurzngraber: Durch die Bestandsverringerung des Enzians bringt er Nutzung und Milchwirtschaft in eine gesunde Abhängigkeit. Ähnlich verpönt ist der Weiße Germer (Veratrum album) beim Nutzvieh, zudem noch außerordentlich giftig! Im Unterschied zum erfahrenen Großvieh gibt es leider bei Kälbern, Ziegen und Schafen immer wieder Vergiftungen durch den Weißen Germer. Dessen Giftigkeit ist auf Alkaloide zurückzuführen,
die besonders im Wurzelstock konzentriert vorliegen – Vorsicht vor Verwechslungen! Der Weiße Germer wird aufgrund seines aufdringlichen Geruchs auch Nieswurz genannt, oder Lauskraut: Die für Menschen und Nutzvieh tödliche Pflanze ist nämlich auch für Insekten giftig und wurde früher als Lausmittel eingesetzt. Aber nicht nur dazu: Auch „beliebt“ ist die Verwendung von Veratrum album als Pfeilgift oder für Giftmorde. Bekanntestes Beispiel ist der faszinierende, grausame Machtpolitiker Alexander der Große. Einem zweitägigen Saufgelage folgten 12 Tage mit Magen-Darm-Reaktionen, Fieber, Halluzinationen und Kollaps. Der 32-Jährige erlag im Jahre 323 v. Chr., so wird vermutet, einer
Vergiftung durch den Weißen Germer.
Jetzt noch ein Warnhinweis für eventuelle Nutzer (der ersteren, hoffentlich nicht der zweiten Pflanze): „Zwei Schnapsbrenner im Keller erstickt. Sie hatten Maischefässer und Brennerei in einem Kellerraum – alles dicht, damit niemandem von ihrem Treiben was in die Nase fährt. Der Raum war zu einem gewissen Maße mit Kohlendioxyd gefüllt und sie kosteten an ihrem ersten Brand. Schon bald wurden Sie müde und schliefen am Tisch ein. Die Gärung lief weiter, das Feuer verbrauchte die restliche Luft und erlosch genauso wie ihr Leben!“ (Aus: Der Bergbrenner: Ein Langsamlesebuch. Hubert S. Ilsanker.)

 Und hier kommt das neue Pflanzenrätsel: Trigeminale Wahrnehmungen

raetselpflanzeder-woche-13-09-2016

Wir suchen eine einjährige Pflanze, die in Gartenbüchern nur selten beschrieben wird, sich aber als Zimmerpflanze gut halten lässt. Von Frühjahr bis Herbst kann man die frischen Blätter ernten, im Winter sogar von den Samen zehren. Meistens wird mit den jungen, frischen Blättchen gewürzt – früher noch deutlich öfter als heute. Sowohl in der Küche – da zuletzt v.a. während der Kriegszeiten geschätzt – als auch in der Medizin gibt es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Schon in der Bronzezeit ist die Verwendung der gesuchten Pflanze nachweisbar, in der Medizin nordamerikanischer Indianer war sie sehr wichtig. Bei uns verlor die Pflanze vielleicht mit dem ausgehenden Mittelalter erstmals an Bedeutung. Zuvor war sie sicherlich ein Würzmittel für jedermann. Heute sind japanische Zuchtsorten im Handel wichtig. Auch der Homöopath kennt diese Pflanze. Beschrieben wurde sie bereits im spätantiken Wiener Dioskurides, dem einzigen erhaltenen, durchgehend illustrierten, wissenschaftlichen Buch der Antike (und UNESCO-Weltdokumentenerbe).

Welche Geschmacksrichtung wird von ihr nur vertreten? Süß, sauer, bitter, salzig, umami – oder vielleicht etwas ganz anderes? Jedenfalls enthält auch sie wieder Hemmstoffe gegen Fraßschädlinge, andere Säugetiere mögen sie nicht, sie hat keinen Futterwert – und trotzdem nutzt sie der Mensch?

Die krautige Pflanze ist weit verbreitet, in freier Natur findet man sie an Stellen, die ihr Name verraten würde. Eigentlich wird sie bei uns heute als Unkraut gesehen, nicht als Würzpflanze. Was nach der späten, kurzen Blüte nicht geerntet oder gesammelt wird, trägt dazu bei, dass der Garten im Folgejahr überwuchert wird. Die anspruchslose Pflanze ist grün, im Alter, der Seneszenz, wird sie nicht grau, sondern rot. Und eigentlich sieht sie auch sehr schön aus im Garten, besonders wieder die orientalischen Zuchtformen.

Das möchten wir gerne wissen:

1. Wie heißt diese Pflanze?

2. Wie heißt der „Stoff, aus dem der Geschmack ist“?

3. Unter welchen Namen findet man japanische Zuchtformen der Pflanze im (Küchen-)Handel? Was macht man damit?

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