Königlich oder provinziell?

26. Juni 2017 | Bild der Woche | Keine Kommentare

Zum Abschluss der Festwoche anlässlich der Vereinigung der beiden Universitäten Halle und Wittenberg wollen wir eine Wochenpflanze ins Rennen schicken, deren Vorherrschaft im Blumenbeet bei den meisten Gärtnern unbestritten ist. Wir könnten mit ihrer Pflanzengattung auch thematisieren, dass ihr in unseren großen Volksreligionen, Christentum und Islam, eine symbolhafte Bedeutung zukommt. Der erfolgreiche Rater darf gerne wählen, worüber wir im Auflösungstext schreiben sollen: Die Martin-Luther-Universität, unsere Religionen – oder einfach nur über die Pflanze? 🙂

Ich möchte wetten, dass jeder Leser sie schon einmal gepflückt und verwendet hat. Es handelt sich um eine artenreiche Pflanzengattung mit leicht zu identifizierenden Merkmalen. Damit des Rätsels Lösung dennoch anspruchsvoll bleibt, wählen wir ein stark vergrößertes Bild. Noch dazu von einer pflegeleichten, eher untypischen Art der gesuchten Pflanzengattung. Wissen wollen wir primär die Gattung, man darf sich aber auch an das Epitheton wagen: Die gesuchte Art ist holarktisch verbreitet und weder in Nordamerika, noch in Europa oder Asien ausgestorben. Bei uns sieht man die abgebildete Pflanze nur an ausgewählten Standorten, obwohl sie als äußerst „hart“ gilt. Hart, wild, und sogar extrem. Mit den Attributen schnellwüchsig und variabel schmückt sie sich ebenfalls. Sie blüht meist apart rosa und duftet dann leicht. Verwendet wird sie kulinarisch, medizinisch und mythisch. Die reichste Provinz Nordamerikas trägt im Wappen nicht die Quelle ihres Reichtums, dagegen aber unsere Wochenpflanze. Auch der äußerste Osten Finnlands identifizierte sich mit ihr.

Ich hoffe, es sind genug Hinweise, um die Ratefüchse zu wecken:

· Wie heißt also die gesuchte Gattung und wie die gesuchte Art?

· Wo wächst diese Art?

· Wo findet man sie in Deutschland?

 

(A.S.)

 

Aus: http://www.mikroskopie-forum.de/

 

Auflösung der Pflanze der letzten Woche: Japanische Schirmtanne

Die japanische Schirmtanne, sciadopitys verticillata, war gesucht. Ihre ausgestorbenen Verwandten sollen nach neueren Forschungen Quelle des bernsteinharzes gewesen sein.

OK, das war zugegebenermaßen etwas schwer. Wir suchten nach einer Pflanze, deren ausgestorbenes Familienmitglied der Harzlieferant des Baltischen oder auch des Bitterfelder Bernsteins gewesen sein soll.  Dabei ist die Pflanze noch nicht mit absoluter Sicherheit bestimmt worden. Im 19. Jahrhundert wurde die These aufgestellt, die „Bernsteinbaum“ sei eine Kiefernart gewesen, gab ihr sogar einen wissenschaftlichen Namen: „Bernsteinkiefer“ (Pinus succinifera). Diese Annahme hielt sich  einige Zeit, bis man aufgrund infrarotspektroskopischer und chemischer Analyse und Vergleichen mit rezenten Baumharzen zu einem anderen Bild gelangte. Nach den Araukarien (eine Art Schlangentanne) geriet vor einiger Zeit die Familie der Schirmtannen ins Visier. Die fossil bekannte, artenreiche  Familie der Schirmtannen ist größtenteils ausgestorben, nur eine Art lebt heute noch: die Japanische Schirmtanne, Sciadopitys verticillata. Bernstein gewinnt man aus ihr heute nicht mehr, auch wenn man heutzutage sogar davon ausgeht, dass der Bernstein nicht  30-50 Millionen Jahre gebraucht habe, um unter der Erde auszuhärten, sondern dass das Harz tatsächlich innerhalb kurzer zeit, also schon am Baum, seine hohe Endfestigkeit erhielt.  Was macht man heute mit dem Baum? Angepflanzt wird er vorwiegend in seiner japanischen Heimat, dort dient er als Zierpflanze, gelegentlich kann man sie  auch bei uns zu kaufen. Die Fotos der hier gezeigten Exemplate stammen aus einem Baumarkt in Halle.  Der Baum ist sehr teuer, weil er recht langsam wächst. In Japan wird die Schirmtanne auch iforstwirtschaftlich genutzt. Weil das Holz sehr dicht und wasserabweisend ist, verwendet man es zum Bootsbau. In letztzer Zeit hat sich die Schirmtanne auch in Europa als Bonsai einen gewissen Stellenwert erkämpft.

 

Bitterfelder Bernstein

Schirmtanne hin oder her – wir wollen noch kurz ein paar Bilder nachreichen: sie stammen aus dem Tagebau Goitsche, und sind jetzt genau 20 Jahre alt. Damals war die Goitsche noch nicht geflutet, und viele Sammler zogen mit Hacke und Spaten in die wüste, staubige Grube, um dort Bernstein zu sammeln. Bernstein verbindet man ja gemeinhin mit der Ostsee, nicht mit der einst „dreckigen“ Chemieregion. Das war auch der Grund, weshalb man, als man in der Braunohlegrube bei Bitterfeld Bernstein entdeckte, dies wie ein Staatsgeheimnis behandelte. Der Bernstein aus Bitterfeld war chemisch und geologisch nicht von baltischem Bernstein zu unterscheiden, man glaubte damals sogar, der Bitterfelder Bernstein sei durch Gletschertätigkeit umgelagerter baltischer Bernstzein gewesen. Die Bernsteinfunde waren jedenfals für die devisenhungrige DDR ein willkommenes Geschenk. Schon ein Jahr nach der Entdeckung 1974 wurde der Bernstein professionell abgebaut, allerdings durfte niemand wissen, woher das Material kam, das dann vom VEB Ostseeschmuck in Ribnitz-Damgarten verarbeitet und gegen Devisen in den Westen vertickt wurde.

Aber wie gelangte Ostsee-Bernstein nach Bitterfeld? Heute sind die meisten Forscher der Ansicht, dass das fossile Harz vor 30-50 Mio Jahren in Wäldern irgendwo zwischen Leipzig und Halle wuchs, und dann über einen Fluss in das Bitterfelder Revier geschwemmt wurde.

 

 

 

 

 

 

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