Pflanze der Woche: 1.-7. August 2016

31. Juli 2016 | Bild der Woche | 15 Kommentare

Zunächst die Auflösung der letzten Pflanze der Woche:

Simulus, ein freigelassener römischer Sklave, wahrscheinlich griechischer Herkunft, hat ein ziemlich bescheidenes ländliches Anwesen irgendwo im römischen Reich, irgendwann im ersten Jahrhundert v. Chr.  Es scheinen ärmliche Verhältnisse zu sein, in denen er und seine afrikanische Sklavin Namens Cibale leben. Es ist zeitiges Frühjahr, morgens,  nach Hahnenschrei.  Simulus muss heute wieder auf den Acker. Es ist noch dunkel und kalt. Mühsam versucht er Feuer zu entfachen, eine kleine Öllampe zu entzünden, mühseelig mahlt er eine Portion Korn, um daraus ein Brötchen in heißer Asche zu backen, dann schleicht er hinaus in den viel zu kleinen verwilderten Garten, um Kräuter zu holen: Eppich (eine Art Blattsellerie), viel Knoblauch, Koriander und eben „ruta“, unsere Pflanze des Monats. Es ist die heute so geannte Ruta graveolens, die Weinraute.  Simulus trägt das Gemüse ins Haus, dann holt er sich einen Mörser hervor, zerkleinert Knoblauch und stampft es mit Käse, Salz, etwas Olivenöl und einen kleinen Schuß Essig zu einer Paste zusammen: die nimmt er sich, zusammen mit dem Brot, hinaus aufs Feld.

Der Text geht noch ewig weiter, Vergil, dem das Gedicht zugeschrieben wird, hatte nicht vor, seinen Zuhörern ein Kochrezept vorzutragen. Ihm ging es mehr darum, die Mühen des Landlebens einmal nicht verklärt, sondern ganz nüchtern und unromantisch darzustellen. Moretum war ein schlichtes, einfaches Essen. Es gibt noch andere Erwähnungen von Moretum aus etwas späteren Zeiten, z.B. solches mit Walnüssen. „Moretum“ kommt von „Mortarium“, dem lateinischen Wort für Mörser. Es ist im Prinzip nichts anderes als Pesto (ital. pestare=stampfen). Die Spektrum-Versuchsküche hat das Vergil Rezept rekonstruiert und dem hiesigen Lebensmittelmarkt entsprechend angepasst – es geht sehr schnell:

1 Hand voll Sellerieblätter, oder, wenn man hat, etwas Liebstöckel,
3 Stengel Minze (kommt in röm. Gerichten oft vor – kann man aber auch weglassen, dann kommt es dem Vergil näher)

2 Knollen (!) Knoblauch
ca. 10-20 Blätter Weinraute
1/2 Tasse Ölivenöl

100 g Quark

100 g Mozzarella

100 g Schafskäse

Etwas Salz (wenn der Käse nicht schon salzig ist)

Dann alles zusammen pürieren, bis eine grünliche, halbfeste Paste entstanden ist.  Statt eines „Mortarium“ empfielt sich hierzu ein Küchenmixer (Stabmixer). Servieren zu Brot. Dieses „Pesto“ hat eine prickelnde, herb-aromatische, etwas strenge Note. Passt übrigens sehr gut auch auf Pasta statt jeglicher anderen Soße. Selbstverständlich sollte man die Weinraute nicht überdosieren: abgesehen von der gesundheitsschädlichen Wirkung hat sie ein penetrantes Aroma, das allzuschnell dann überdominiert.

 Das ganze Gedicht in deutscher Übersetzung finden wir hier.

Doch nun zu unserer nächsten Pflanze der Woche.  Ein hübsches Blümlein, leider heute bei uns sehr selten geworden…

G1

Unsere gesuchte Pflanze der Woche (01.08-07.08)

Pflanze der Woche: 1. – 8.  August 2016.

Wer hat diese Pflanze schon einmal bewusst gesehen – oder von ihr gehört? Sie stammt aus einer großen Familie, deren Mitglieder überwiegend strauchige Wuchsformen aufweisen. Mit ihrer Kronblätter-Anzahl ist sie aber auch der Außenseiter der Familie, sodass sie eine kleine, feine Unterfamilie gegründet hat.

Ihr letztes natürliches Auftreten in Halle ist lange her – was nicht heißt, dass man sie hier nicht doch findet. Wohler fühlt sie sich jetzt aber im Brockengarten, mehr noch z.B. im Sarek Nationalpark oder in den Walliser Alpen. Als Nischenpflanze wuchs die vom Wind verbreitete Schönheit vor 1777 auch in Deutschland natürlich – dann wurde sie durch Sammler ausgerottet. Vielleicht mit ausbeuterischem Hintergrund? In der Klostermedizin werden ihr Heilkräfte gegen Gicht oder auch gegen Schlaganfall zugeschrieben. Manch einer nutzt ihre Gerbstoffe und Flavonoide zur Spülung bei Entzündungen, andere schreiben ihr eine Wirkung als Traumkraut für intensive, luzide Träume zu, als Quelle für Inspirationen! Aber all das macht eigentlich nicht ihre Berühmtheit aus…

G3

Blütenknospe

Mit ihrem Alter kann so ein Pflanzenindividuum manchen hier aktiven User sogar noch deutlich übertreffen. Wie macht sie das? Nicht nur dadurch, dass sie einen natürlichen Schutz vor Fressfeinden eingebaut hat. Auch einen Frostschutz besitzt sie, was aber noch immer nicht reicht, um ihr zum hohen Alter zu verhelfen. Helfen lässt sie sich durch Bakterien, nämlich bei der Stickstoffaufnahme.

Hei-Wu, zu deiner Enttäuschung: Es wurde noch nicht beschrieben, dass ihre Pflanzenteile zur Verfeinerung von Gerichten gereichen. Dennoch ist sie enorm wichtig und viel berühmter, als manch floristische Gaumenfreude.

Wie heißt sie?

Wie kann sie so alt werden?

Und jetzt speziell für den Hallenser:

Wann hat sie zuletzt – natürlich und häufig – in Halle gelebt?

Warum ist sie eine Leitart – und was hat das mit Klimawandel zu tun?

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