Eine Blume aus dem Reich der Dinosaurier.

3. Oktober 2016 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Auflösung des Rätsels der letzten Woche:  Colchicum autumnale, Herbstzeitlose.

Einst gab es, an den fernen Gestaden des schwarzen Meeres, da, wo die Hänge des Kaukasus aufsteigen,  das legendäre Land Colchis. Das Land war nach der Argonautensage Ziel jener Abenteurer, die zur Suche nach dem goldenen Vlies aufbrachen. dort hatte der mächtige  König Aetis einen geheimen Garten, wo er die Pflanzen zog, die ihm zum Ruf eines tüchtigen Giftmischer verhalfen.  Das Reich der Gifte verlieh unserer schönen Blütenpflanze ihren Namen:  Colchicum autumnale, Herbszeitlose. Schuld daran ist das in ihr enthaltene Alkaloid Colchicin. 10-20 mg davon sind tödlich. Es ist ein Zellgift. Es verhindert bei der Zellteilung die Mitose, was, sehr vereinfacht dazu führt, dass eine geteilte Zelle keine, die andere aber einen verdoppelten Chromosomensatz hat (Polyploidisierung). Bei Säugetieren bedeutet das den Tod der Zelle – und damit auch über kurz oder lang den Tod des Organismus, da das Immunsystem mit der Bekämpfung solcher Zellmonster nicht zu recht kommt.

Der typische Vergiftungsverlaufs ist ein Horrortrip mit zumeist unglücklichem  Ausgang: zunächst kommt es zu einem Brennen im Mund, es folgen Schluckbeschwerden, dann blutiger Durchfall, später Nierenversagen, dann Multiorganversagen. All das erlebt das Opfer bei vollem Bewußstsein.  Gegengifte gibt es nicht, der Tod nach wenigen Tagen gilt, wenn „genügend“ Colchicin aufgenommen wurde, als unausweichlich. Das meiste Colchicin findet sich in den Samen der Pflanze (bis 0,4%), und erst recht in den Blüten (Über 1%). Aber auch die Zwiebel enthält das Gift, und recht wenig davon die Blätter – aber gerade mit den Blättern kam es schon des Öfteren zu tödlichen Vergiftengen. Warum? Die Blätter erscheinen im Frühjahr, und sehen für ungeübte Sammler wie Bärlauch aus – 60 Gramm Blätter reichen für eine Reise in die ewigen Jagdgründe. Immer wieder berichten Medien im Frühjahr von tödlich verlaufenden „Bärlauchgerichten“. Anschaulichen und gruseligen Lesestoff bietet eine einschlägige medizinische Dissertation aus München (Leseprobe:)

„Der 70-jährige Patient wurde 36 Studen nach akzidenteller Ingestion einer unbekannten Menge von Herbstzeitlose-Blättern in unsere Klinik (Toxikologische Abteilung der II. Medizinischen Klinik, Klinikum rechts der Isar) verlegt. Er hatte am Vortag gemeinsam mit seiner Ehefrau Wildpflanzen gesammelt und später als Salat zubereitet. 4 Stunden nach der Mahlzeit trat bei beiden Durchfall auf. Dieser sistierte bei der Ehefrau, beim Patienten hielt er an. Er stellte sich deshalb am selben Abend im nächsten Krankenhaus vor. Vom Patienten mitgebrachte Pflanzenblätter wurden dort als Herbstzeitlose identifiziert. Bei Aufnahme in unserer Klinik war der Patient agitiert, jedoch zeitlich und örtlich orientiert. …. 4 Stunden nach Aufnahme erfolgte bei Ateminsuffizienz die Intubation. Es kam zur metabolischen Lactatazidose und zum Multiorganversagen. …. Trotz Hämodialyse und Volumenentzug entwickelte der Patient ein kardiales Lungenödem und verstarb 64 Stunden nach Colchicin-Einnahme an Herz- und Kreislaufversagen mit Asystolie. “ (Zitat, s. Link oben, Diss. S. 55)

Vorsicht also beim Bärlauchsammeln! zumal es doch deutliche Unterscheidungsmerkmale gibt. Bärlauchblätter haben stets einen längeren Stil, mit dem sie über dem Boden stehen, und sie wachsen einzeln, nicht zusammen verwachsen, aus dem Boden. Die Blätter der Herstzeitlose wachsen dagegen gemeinsam – ohne Stil – aus einer gemeinsamen, trichterartigen „Tülle“ aus dem Grund (ähnlich wie die ebenfalls – allerdings nicht ganz so –  giftigen Maiglöckchen).

Allein die Dosis macht das Gift – diesem Lehrsatz des alten Paracelsus folgend, wird Colchicin dennoch – gering dosiert- erfolgreich in der Medizin eingesetzt. Besonders Gichtpatienten profitieren davon.

In der Pflanzenzucht verwendet man Colchicin, um Nutz- und Zierpflanzen genetisch zu manipulieren, in diesem Fall: ihre Chromosomensätze zu vergrößern (Polyploidisierung). Im Gegensatz zu Tieren verkraften Pflanzen das viel einfacher. Bei ihnen führt das zu Wuchsvergrößerung, und damit oft, etwa wie bei Erdbeeren, zur Vergrößerung der Frucht. Viele Kulturpflanzen sind so entstanden, etwa das Getreide Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen. Der Gattungshybride, der zunächst aus der Kreuzung entstand, war triploid (dreifacher Chromosomensatz), und damit infertil. Die triploiden Keimlinge der F1-Generation  hat man mit Colchicin behandelt, dies verdoppelte deren Chromosomensatz auf Sechs.  Die so erhaltenen Pflanzen mit geradem Chromosomensatz waren dann fertil und lassen sich konventionell vermehren.

Trotz seiner Giftigkeit  ist unser kleiner Giftzwerg als Zierpflanze beliebt. Die Blätter erscheinen im zeitigen Frühling, dann wird auch die im Vorjahr befruchtete Samenkapsel nachgeschoben, und im Sommer wieht die Pflanze wieder ein.  Erst im Herbst treibt dann die violette Blüte scheinbar wie aus dem Nichts aus dem Boden. Sie verwendet dazu die Energie, die sie im Frühjahr in den Blättern erzeugt und in der zwiebelartigen Knolle gespeichert hat. Aber Vorsicht im Garten: die Knolle wurde auch schon mit Küchenzwiebeln verwechselt.

Und nun zu unserem nächsten Fall:  Die Pflanze der Woche 3.10-10.10. 2010

Eine Blume aus dem Reich der Dinosaurier.

Über die Pflanze dieser Woche singen viele Gartenbesitzer, insbesondere Ästheten, begeisterte Loblieder. Gefühlt nur zwei Wochen lang macht sie uns die größte Freude, danach sorgt sie erst einmal für Frust. Die meisten ihrer Gattung sind uns nicht wirklich nützlich (und, Lou: nur wenig giftig!). Die hier abgebildete Art kann aber doch das ganze Jahr über hilfreich sein. Alle ihre Familienmitglieder sind auffällige Exoten, es gibt sie in deutlich über hundert Arten. Exotisch mutet auch ihr Zeitplan für die Reifung an…

Magnolia grandiflora (unreifer Fruchtstand)FruchtknospeBlüte)

Unsere Pflanze der Woche 03.10. – 10.10. 2016: was ist das für ein „Zapfen ?“

Der Mensch wählt für diese Pflanze lieber wenig Wind und gönnt ihr einen humusreichen, relativ feuchten Boden. Wie die meisten Menschen liebt unsere Unbekannte die Sonne. Die hier gesuchte Art bevorzugt Flussniederungen, kurzfristige Überschwemmungen duldet sie ebenfalls. Aber regnen sollte es schon mehr, als es in Halle üblich ist. Die Pflanze trägt es nach, wenn um sie herum gegraben wird. Außerdem soll sie im Frühjahr ihren Besitzern schlaflose Nächte bereiten. Warum nur? Aus der Blüte, deren Stempelreichtum manches Unternehmen vor Neid erblassen lässt, entwickelt sich der oben abgebildete „Zapfen“, der zahlreiche, auffällige Samen birgt. Fallen diese auf die Erde und keimen, fühlt man sich an Radieschen erinnert.

Man staune beim Blick auf das Foto: Die gesuchte Pflanze wird definitiv als weiblich wahrgenommen, als Symbol für weibliche, reine Schönheit. Paradox? Hoffentlich gibt es keinen Aufschrei, dass ihr auch noch das Attribut „primitiv“ zusteht. Rein phylogenetisch!

Was wohl die Dinosaurier bei dieser Pflanze empfunden haben? Vielleicht haben sie an der unschuldigen Pflanze die Wirkung gegen Schnupfen und Kopfschmerzen erprobt oder damit ihre Haut gepflegt? Oder einfach nur den Duft genossen – und dann zugeschnappt…

Der Name der Pflanze geht manchmal fremd: Kinder werden nach ihr benannt. Oder Tapeten. Und nicht zuletzt ist es der Titel eines prämierten Episodenfilms von 3 Stunden Dauer.

Verratet uns:

  • Wie heißt die Pflanzengattung? Was bedeutet ihr Name?
  • Was steckt hinter der „Beleidigung“, sie sei primitiv?
  • Welche Arten findet man in unseren Gärten am häufigsten?
  • Wer von den Lesern hat sie auch im Garten? Und wer wünscht noch mehr Fragen zu dieser Pflanze?
  • Und zu welcher Art gehört der abgebildete „Zapfen“ ?

(A.S.)

 

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