Grundsätzlich eigenwilliger Geschmack

7. November 2016 | Bild der Woche | 5 Kommentare

Zunächst, bevor wir weiter rätseln, die Auflösung der letzten Wochenpflanze. Noch ist der Winter nicht vollends hereingebrochen, unsere Gärten sind noch voll von Rätselhaften Wundern der Natur. Richtig, das, was seine roten Fimnger in den revolutionären russischen Oktoberhimmel hob: war der Fuchsschwanz, Amarant, eine beliebte, einjährige Gartenpflanze!

Aber welche Art war es? Fuchsschwanz ist eine riesige Familie (Amaranthaceae), und erst recht, als jüngst Molekularbiologen sie noch mit den Gänsefußgewächsen (Chenopodaceae) zwangsvereinigt hat.

Die hier dargestellte Art ist „Amaranthus hypochondriacus“. Unserer Dauerraterin Escholzia war übrigens sehr nahe dran: die von ihr getippte Art (A. caudatus, der gewöhnliche Gartenfuchsschwanz, hat allerdings hängende Schwänze, unserer steht aufrecht. Beides sind beliebte Gartenpflanzen, und eng miteinander verwandt). Der Deutsche nennt sie irritierender Weise Trauer-Amarant, trotz der Besonderheit der aufrecht stehenden Blüte und der leuchtend fröhlichen Farbe. Amaranthus findet man in Ziergärten und an Wegrändern (insbesondere die  Art Amaranthus caudatus). Richtig bekannt ist Amarant wahrscheinlich eher dem „Bioladenjunkie“ (- interessantes Google-Suchergebnis!), der die getreideähnlichen Samenkörner gerne ins Müsli mischt oder in Salaten dessen nussige Note schätzt. Gut, dass diese nicht bei Aschenputtel bekannt waren: Tausende der knapp millimetergroßen Körnchen wiegen nur knapp ein Gramm – auflesen möchte ich diese nicht!

Der Duden schlägt übrigens Amarant als Schreibweise vor, wohingegen Importware aus Mittel- und Südamerika i.d.R. den Aufdruck „Amaranth“ trägt. Aus dem Griechischen lässt sich „die Eine, die ewig blüht“ übersetzen (jedoch auch ohne h). Amaranth als Bezeichnung eines künstlich hergestelllten Azo-Farbstoffs mit der Nummer E123 ist in Europa als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Er färbt Spirituosen und Fischrogen in Rote-Beete-Tönen. In weiten Teilen der Erde fürchtet man jedoch einen Zusammenhang mit Hautreaktionen, Asthma und Pseudoallergien, E123 ist daher u.a. in USA verboten. Das gilt wohlgemerkt nur für den künstlichen Farbstoff! Ein aus Blättern und Blütenständen von Amaranthus hergestellter Färbesud verleiht Sockenwolle, aber auch Likören und Süßspeisen,  ein betörendes Pink ohne künstlichen Beigeschmack.

Für die Bevölkerung Südamerikas bildet Amaranth als Samenkorn ein Hauptnahrungsmittel, gemeinsam mit Quinoa. Besonders in den Anden-Hochebenen, da Mais in diesem Höhen nicht mehr reift. Als die Spanier im 16. Jahrhundert (Cortés, Pizarro) invasiv gegen die Inkas und Azteken vorgegangen sind. wurde der Anbau beider Gewächse (beide aus der Familie der Fuchsschwanzgewächse) unter Todesstrafe gestellt, um die Völker zu schwächen – mit der Folge einer Hungersnot mit 10 Millionen Toten! Das (daher aus zweierlei Sichten) „unchristliche“ Pseudogetreide blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein unbekannt in Europa. Aus dem „Untergrund“ wurde es in den 70er Jahren wieder entdeckt und rasch großflächig angebaut, global in Berggebieten, aber auch im Süden der USA und z.B.  in Süddeutschland. Aber schon vor 100 Jahren soll in Deutschland eine verwandte Art, der „Rote Meier“, häufig als Blattgemüse verwendet worden sein. Eine andere Amaranth-Art, eine der wenigen Europäischen Ursprungs, werden wir noch in einr weiteren Pflanzenfolge zur Bestimmung vorstellen. Amarant verbindet also die gesamte Welt: Mexikanischer Abstammung, Grundnahrungsmittel „Inka-Weizen“, auch bei den europäischen Steinzeitmenschen bereits bekannt, später sogar als Weltraumnahrung genutzt und im „Energieriegel“ beliebt. Sportler sollen Amarant sogar als „Magnesium-Doping“ nutzen.

Amarant, Zuckerrübe oder Spinat – sie alle gehören zur Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae), also nicht wie die anderen, echten Getreidesorten, zu den Poaceen, den Süßgräsern. Die rund 70 Amarant-Arten liefern somit ein Pseudogetreide ähnlich dem Buchweizen oder Chia-Samen: Ihre Körner werden genutzt wie Getreide, u.a. fehlt ihnen aber der Kleber, das Gluten. Glutenfrei – für manche ein Segen! Man kann aber auch die Blätter essen, ähnlich wie Spinat oder Mangold, auch mit ähnlichem Geschmack und zudem mit hohem Eiweißgehalt. Selbst die Pfahlwurzel junger Exemplare soll lecker süßlich munden.

Vierzehn Amarant-Arten sollen in den Gärten Deutschlands heimisch sein. Die Engländer säen ihren Amaranthus. hypochondricus als „Prince-of-Wales-Feather“ aus, dieselbe Art finden wir als „Rote Fackel“ (красный факел) z.B. im russischen Uljanowsk (Fotos). Anders als die Unterart „pygmy torch“, die Pygmäenfackel mit bis zu 45 cm Wuchshöhe, erreicht die Rote Fackel auch mal 3 Meter an Höhe. Der Trauer-Amarant ist die ertragreichste und robusteste Sorte in der Gattung der Amarante und wird daher auch wirtschaftlich genutzt.

Offen bleibt für mich die Frage: Was verbindet diese Art mit nur mit dem eingebildeten Kranken? Das haben wir nicht herausfinden können, zumal seine feurig aufrecht gereckten Schwänze alles andere als traurig wirken. Erklärungen werden gerne entgegengenommen.

(Fotos: X.S.)

Jetzt aber zu unserer nächsten Pflanze

Manch einer sammelt und verwertet von unserer neuen Wochenpflanze eifrig die jungen Blätter (- die Letzten werden die Ersten sein!). Beschreibungen beinhalten Begriffe wie „würzig“, „aromatisch“. Gute Dienste soll sie bei Husten leisten. Aber ist das der Grund, dass sie in sehr vielen Gärten Halles zu finden ist? Oder ist es ein Pflänzchen, das vielleicht wunderschöne Blüten zeigt (- nicht mehr jetzt im Herbst, als die Aufnahme entstanden ist)? Was könnte ihre Besonderheit sein? Wer sie erkennt, wird das beantworten können.

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Zumindest im „Ranking“ liegt die Pflanze, die wir – wie hier – auf der Peißnitz fanden, weit vorne. Ihre Rankenform erreicht locker zwei Meter Länge, und in Wintern ohne starke Fröste bleiben die Blätter grün.

 

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Die herzförmigen Blätter sind eigentlich recht charakteristisch.

Der lateinische Name ist erst einmal fehlleitend. Beim deutschen Namen lassen wir verschiedene Benennungen gelten – auch diese, die original und epigonal Einzug in die Musik fanden. Wohlbekannt, in vielerlei Hinsicht. Und schon lange bekannt. Ihre Hochzeit erlebte unsere Wochenblume wahrscheinlich im Mittelalter, die korrespondierende Musik im übertragenen Sinne früher. Ihr Leben besteht aus Warten, nicht auf die Sonne, sondern bis die Hummel vorbei kommt. Oder bis sie geerntet wird. Aber immer wieder wächst das Gras…

Irgendwie klingt das alles kryptisch… macht ja nischt, also zurück zur Pflanze: Ihr Spross ist im Querschnitt viereckig. Die zwittrige Blüte ist von April bis Juni/Juli zu sehen. Schwebfliege und Aurorafalter landen gerne auf ihr. Aber der Mensch kommt ihnen oft zuvor. Warum nur?

Wir möchten wissen:

  • Mindestens 3 deutsche Namen der gesuchten Pflanze.
  • Was ist ihr Charakteristikum, ihre Aufgabe, ihre Daseinsberechtigung?
  • Was machen ihre Fans mit ihr?
  • Womit kann sie verwechselt werden?

Auf dem Bild zeigen wir nur die jungen Triebe der Pflanze, und das kann wiederum irreführend sein!

 

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