Es ist ein Ros entsprungen

19. Dezember 2016 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Bevor wir uns unserer weihnachtlichen Wochenpflanze zuwenden, kommt zunächst die Auflösung der letzten Pflanze. User Einbeck hatte es erkannt, wie er so schnell darauf kam, bleibt sein kleines Geheimnis. Denn eigentlich hatten wir nur den Teil eines Blütenstandes abgebildet, mit nur einer einzelnen geöffneten violetten Röhrenblüte.

Richtig, aus der Familie der Bromelieaceen stammte unsere Pflanze. Hier ist sie in ihrer gesamten Pracht: Eine Ananas.

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Ananas ananassoides, var. nanus. Die Zwergananas, eine (essbare) Variante der gewöhnlichen Ananas (Ananas comosus), war unsere letzte Pflanze der Woche.

Und zwar die (übrigens essbare), kleine Verwandte der uns bekannten gewöhnlichen Ananas (Ananas comosus). Wir wollen nicht kleinlich sein. Ananas lassen wir gelten. „Ananas ananassoides, var. nanus“ kann ja niemand aussprechen,  und dabei ist die Geschichte der Ananas an sich ja spannend genug. Für die Alte Welt entdeckt wurde die Frucht, die schon lange von den Ureinwohnern des tropischen Südamerika kultiviert wurde, zunächst von Kolumbus. Er soll im November 1493 schon Ananasfrüchte von den Ureinwohnern Guadeloupes zur Begrüßung erhalten haben. Aber es dauerte noch lange, bis Europa in den Genuss der Frucht kam. Zwar verbreitete sich deren Anbau schnell – aber nur in Gegenden, in denen ähnlich günstige Klimaten wie in ihrer Heimat herrschten. Portugiesen verbreiteten den Ananasanbau schon in der 1. Hälfte des 16. Jahrhnderts in Indien. Doch auch von dort war der Weg nach Europa weit- zu weit, um die leicht verderbliche Frucht unbeschadet mit den langsamen Schiffen transportieren zu können. Als Ausweg blieb nur der heimische Anbau unter Glas. Und das war – für eine Pflanze, die auf konstant hohe Luftfeuchte ebenso angewiesen ist, wie auf warme Temperaturen und ganzjährig ausreichend Licht, technisch kaum zu bewerkstelligen. Aus dem Jahr 1677 ist ein Gemälde überliefert, das wohl auf den niederländischen Maler Hendrik Danckerts zurück geht. Es zeigt den englischen Gärtner John Rose, wie er seinem König Charles II eine Ananas überreicht. Ob es eine eigens gezogenen Ananas war, oder nur die Frucht einer als Ganzes importierten, bereits trächtigen Pflanze war, ist umstritten. Zuvor kannte man die Frucht allenfalls aus Abbildungen und botanischen Traktaten. Als Beispiel bilden wir hier eine Darstellung aus dem „Kräuterbuch“ Hortulus sanitatis von Johann Rhodius ab, das 1609 gedruckt wurde. Der Zeichner, der die Druckvorlage schuf, hatte wohl nie leibhaftig eine Ananaspflanze gesehen.

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Beschreibung der Ananas im „Hortulus sanitatis, das ist: Eyn heylsames und nützliches Gährtlin der Gesundtheit; in welchem alle fürnehme Kräutter … werden beschrieben“, Johann Rhodius 1609

Im Text ist davon  die Rede, dass die  Pflanze in der Mitte „einen einzigen Apfel“ trägt, aber „rings herumb gleichsam viel Söhne, welche mit sampt des Vaters  also fort wachsen“. Der Zeicher versuchte, mit den Angaben etwas anzufangen, und schuf um die Hauptpflanze kleine Minifrüchte.

Der wahre Hintergrund: ist die Frucht der Pflanze gereift, stirbt die Mutter ab – und bildet zuvor aber schnell noch „Kindel“ an ihrer Seite, das ist der vegetative Teil ihrer Vermehrung, die man wieder umpflanzen und zu neuen, ertragreichen Exemplaren heranziehen kann. Das ist auch bis heute die Vermehrungstechnik im kommerziellen Anbau. Andere Vermehrungsarten ergeben sich über den „Schopf“ des Fruchtstandens, den man, eines Teils seiner unteren Blätter beraubt, wieder einpflanzen kann, und der dann auch wieder Wurzeln schlägt. Am umständlichsten ist aber die Vermehrung aus Samen, was man eigentlich nur tut, wenn man neue Sorten züchten willl. Die vegetativen Ableger sind dagegen immer sortenrein. Aber wo sind eigentlich die Samen in der Ananas? dazu müssen wir uns vergegenwärtigen, was die „Frucht“ eigentlich ist. Es ist ein verdickter Blütenstand aus vielen violetten Einzelblüten, die um die Fruchtbasis herum sitzen, so wie eine auf dem Bild der Ananspflanze, die wir als Rätselbild verwendet haben, zu sehen ist.

Wird sie befruchtet, bildet sich ein Same, wenn nicht, wächst die Frucht trotzdem weiter. Mit etwas Mühe lassen sich die Samen tatsächlich wiederfinden: sie sitzen dicht unter der Schale, unterhalb der Basis der ehemaligen Blüten. Ein normaler Verbraucher bemerkt sie wahrscheinlich nicht, denn sie sind selten, und auch nur 1-2 Millimeter lang. Es soll aber sportliche Hobbygärtner geben, denen es gelingt, die Samen zum Keimen zubrigen, und nach mehreren Jahren dabei eine fruchtbringende Pflanze zu erzeugen. Einfacher ist es, den Schopf abzuschneiden und zu bewurzeln. Wenn das klappt, wächst tatsächlich eine neue Pflanze heran – die aber dummerweise sehr pflegeaufwändig ist, weil sie hohe Luftfeuchte braucht. Und als Zimmerpflanze ist sie mit einem Meter Durchmesser auch noch ziemlich groß, und entbehrt bis zu ihrer Blüte nicht einer gewissen Hässlichkeit.  Bsser, man  greift auf einen sehr nahen Verwandten zurück: Ananas ananassoides nanus. Die ist im Wuchs deutlich kleiner, und bei guter Pflege im Zimmer durchaus dazu zu bringen, Früchte zu tragen. Sie werden manchmal im Zierpflanzenhandel angeboten, und sie vermehrt sich genau so über „Kindel“ wie ihre große Schwester.Die Früchtse sind ebenso süß und schmackhaft. Der Autor dieser Zeilen pflegt deren Brut schon seit Jahren erfolgreich, und manchmal, alle Jahre wieder,  gibt es eine Ananas aus hallischem Anbau. Die Schwierigkeit des Anbaus der süßen Südfrucht war Ende 1968 keinem Geringeren als Franz-Josef-Strauß bekannt: eher wolle er Ananaszüchter in Alaska werden, statt für den Bundestag zu kandidieren. Wie wir wissen, kam es anders: 1980 trat er gegen Helmut Schmidt an – und verlor.  Gehen wir also lieber wieder zurück in die Gechichte. Lange war  die exotische Frucht mit ihrem lieblichen Duft Symbol höchsten Luxus geblieben: Ludwig XV etwa ließ sich 1738 ein Gewächshaus für 800 Pflanzen errichten. Bei den hohen Kosten für Glashäuser und deren Betrieb in der damaligen Zeit kann man sich vorstellen, was das bedeutete. Mitte des 19. Jahrhunderts sorgten dann Dampfschiffe dafür, dass halbwegs reife Ananas Europa auf dem direkten Wege erreichten. Die Demokratisierung der Ananas ermöglichte erst die neue Konserventechnik zu Ende des 19 Jahrhunderts. Jetzt war Dosenananas sprichwörtlich in aller Munde. Trotzdem weckte noch in den 1950er Jahren Dosenananas die Sehnsucht nach der großen weiten Welt: etwa, als der legendäre BRD-„Fernsehkoch“ Clemens Wilmenrodt seinen „Toast Hawaii“ erfand und unters Volk brachte: Eine geröstete Toastscheibe, belegt mit einer Ananasscheibe und Kochschinken, wurde mit Scheiblettenkäse überbacken. Die Brüder und Schwestern in der „so genannten DDR“ mussten derweil noch lange auf solche „Genüsse“ warten. Dort behalf man sich derweil schon mal mit sauer eingelegtem Kürbis, scherzhaft als „DDR-Ananas“ bezeichnet. Auch die Chemie schickte sich an, den Mangel an Exotik zu lindern: ein DDR-Patent aus dem Jahr 1984 schützte ein Verfahren, um aus Runkelrüben mittels Acetoglyceriden und künstlichen Fruchtestern ein südfruchtähnliches Produkt zu erzeugen.

Derweil sind viele kulinarische  Anwendungen der Frucht bis heute kaum bekannt: ihr frischer Saft enthält ein Gemisch mehrerer eiweißspaltender Enzyme, oft als „Bromelain“ bezeichnet. Es spaltet Peptidketten und lässt sich deshalb in einer Marinade als Fleichzartmacher verwenden.  Das funktioniert allerdings nur mit frischem Saft, der aus der Dose ist beim Konservierungsprozess bereits totgekocht.

Zu unserer Pflanze der Weihnachtswoche:

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Nach dieser Pflanze suchen wir in der Weihnachtswoche vom 19.-15. 12. 2016

„Es ist ein Ros entsprungen“ – eines der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder ertönt nicht längst nur in adventlichen Gottsdiensten, sondern dudelt auch durch glühweingeschwängerte Weihnachtsmärkte und Kaufhäuser. Die uns heute bekannte Melodie stammt von Michael Praetorius um 1600. Das Motiv des Liedes entstand schon früher, im 16. Jahrhundert, und bezieht sich auf die Weissagung des Jesaja zur Ankunft des Messias: „Und ein Reis [= Spross] wird hervorgehen aus dem Stumopfe Isais, und ein Schößling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen“. Die blühende „Wurzel Jesse“ findet man oft als beachtlich geschnitztes Rankengewirr im Fudament (der Predella) in spätgotischen Altären. Und nicht nur dort.

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Catholisch Gesangbüchlein, in fünff vnderschidliche Theil abgetheilt … auss befelch für das Bistum̄ Costantz zubrauchen. 1600

Wurzel Jesse (Wormser Dom), Wikimedia

Aus dem schlafenden Jesse entspringt der Baum des Propheten Jesaja. Relief im Wormser Dom (Wikimedia)

Das Gewächs entsteht aus dem zumeist schlafend dargestellten Vater König Davis, Jesse. Die daraus entspringenden Zweige tragen König David und die ihm folgenden Könige von Israel und Juda. An ihrem Gipfel stehen Maria und Jesus – letzterer als legitimer Nachfolger der Dynastie Davids: deshalb hatte sich Joseph ja mit seinem anvertrauten Weibe zur Volkszählung an die Geburtsstadt Davids begeben: „darum, dass er auch aus dem Hause und Geschlechte Davids war“. Die Rose, die in dem renaissancezeitlichen Lied entspringt, hat zunächst eine sehr theologische Bedeutung, erfuhr dann aber etliche volkstümliche Umdeutugen. Es gibt ja auch kaum ein Fest, an dem man sich nicht Blumen schenkt, auch „mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht“.  Eine solche werden wir uns ansehen, und zwar mit der schnöden Lupe des Botanikers. Allzuviel erkennen wir auf dem ersten Blick nicht.  Aber in dem Blütenstand ist die Trinität gewissermaßen verkörpert. Vater, Sohn und heiliger Geist. Der einzige Sohn schlummert im Inneren des Gebildes, noch im Schoße seiner züchtig verborgenen Mutter.  Links unten erkennen wir ein Gebilde, das wie ein breiter Mund aussieht. Er aber ist ungeschlechtlich, es ist weder Vater, Mutter noch Sohn.  Er lobpreist aber das im Inneren der Blüte Verborgene, und labt mit seinem Nektar all jene, die dieses Wunders teilhaftig werden wollen.
Wer von Euch, liebe gesegnete Leser,  kann dieses Wunder entschlüsseln, und unserer Pflanze einen Namen geben?

 

 

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